Viele Speditionen und Transportunternehmen in Deutschland sind Familienbetriebe. Irgendwann soll die nächste Generation übernehmen. Doch beim Übergang entscheidet sich, ob das Lebenswerk fortbesteht oder ob Millionen an den Fiskus fließen. „Die größten Gefahren entstehen oft nicht durch exotische Gestaltungen, sondern durch unterschätzte Details“, sagte Dr. Stefan Königer, Steuerberater und Partner der Stuttgarter Kanzlei Menold Bezler, beim Nachfolgetag der IHK Region Stuttgart. Anhand von fünf „Todsünden“ zeigte er, wie riskant Nachfolgefehler sind – und wie sie sich vermeiden lassen.
Betriebsaufspaltung übersehen
Gerade in der Logistikpraxis häufig: Das Unternehmen mietet die eigene Halle oder Werkstatt gemeinsam vom Inhaber und seiner Ehefrau. Stirbt der Inhaber, wird der Betrieb schnell ungewollt zur steuerlichen Falle. Königer schilderte den Fall eines Unternehmers, der seine Produktionshalle als Privatvermögen einstufte – mit dem Ziel, sie nach zehn Jahren steuerfrei zu verkaufen. Nach seinem Tod erbten Ehefrau und Tochter jeweils 50 Prozent an GmbH und Immobilie. Damit war die Einheit zerbrochen: Es entstand eine Betriebsaufspaltung, die sofort steuerliche Folgen hatte.
Stille Reserven werden aufgedeckt
„Plötzlich gelten Immobilie und GmbH-Anteile als Betriebsvermögen. Wird die Immobilie nach dem Tod des Inhabers veräußert, müssen sämtliche stille Reserven der Immobilie und der GmbH-Anteile aufgedeckt und versteuert werden“, erklärt Königer. Das Problem: Es fließt kein Geld. Dennoch stand eine Steuerforderung von rund 1,4 Millionen Euro im Raum. Besonders bitter: Der vermeintliche Vorteil – steuerfreie Veräußerung – kehrte sich ins Gegenteil um. Der Fall zeigt, wie wichtig abgestimmte Nachfolgeregelungen sind. „Testament, Gesellschaftsvertrag und Immobilienbesitz müssen Hand in Hand gehen. Sonst kann eine Familie unverschuldet in die Steuerfalle geraten“, mahnt der Experte. Für viele Mittelständler sei das ein existenzielles Risiko, da sie zwar Sachwerte, aber keine freie Liquidität besitzen.

„Die größten Gefahren entstehen oft nicht durch exotische Gestaltungen, sondern durch unterschätzte Details“ Dr. Stefan Königer, Steuerberater
und Partner bei Menold Bezler, Stuttgart
Lebenswerk sichern mit Stiftung
Viele Unternehmerfamilien gründen Stiftungen, um das Lebenswerk über Generationen zu sichern. Doch ohne Pflichtteilsverzicht der enterbten Kinder droht ein Desaster. So wurden bei einem Spediteur 75 Prozent der GmbH-Anteile in eine Stiftung übertragen, die restlichen 25 Prozent gingen an das „fleißige“ Kind. Das andere Kind sollte leer ausgehen. Doch es berief sich auf den Pflichtteil – und hatte Erfolg.
Pflichtteil ist sofort fälliger Geldanspruch
„Der Pflichtteil ist ein sofort fälliger Geldanspruch“, betont Königer. In diesem Fall musste die Stiftung 1,875 Millionen Euro zahlen, das bedachte Kind weitere 625.000 Euro. Doch damit nicht genug: Um die Pflichtteilsforderung zu bedienen, mussten nicht nur kapitalertragsteuerpflichtige Ausschüttungen vorgenommen werden, sondern die Stiftung musste auch GmbH-Anteile veräußern. Dadurch wurden die mit der Übertragung an die Stiftung verbundenen Behaltensfristen verletzt, was eine Nachversteuerung auslöste. „Am Ende musste nicht nur der Pflichtteil in Höhe von 2,5 Millionen Euro bezahlt werden, sondern auch Steuern von einer Millionen Euro.“ Der Rat des Experten: Pflichtteilsverzichte rechtzeitig vereinbaren, etwa gegen Abfindung. „Gerade wenn Vermögen in eine Stiftung überführt wird, ist es brandgefährlich, diese Frage offen zu lassen“, sagte er. Ansonsten drohen Liquiditätsengpässe, die sogar eine traditionsreiche Transportbetriebe ins Wanken bringen können.
Schenkung über die Grenze
Viele Kinder von Spediteuren zieht es ins Ausland – sei es wegen Studium, Ehe oder Job. Das hat steuerliche Sprengkraft, wenn Unternehmensanteile übertragen werden. Ein Vater schenkte seinem in den USA lebenden Sohn GmbH-Anteile im Wert von zwei Millionen Euro. Die Folge: Wegzugsbesteuerung, geregelt in § 6 Außensteuergesetz (AStG). „Das Finanzamt behandelt die Schenkung so, als ob der Vater selbst ins Ausland gezogen wäre“, erläutert Königer. Da Deutschland mit der Schenkung sein Besteuerungsrecht verliert, wurden sofort rund 28 Prozent Steuern fällig – im konkreten Fall fast 600.000 Euro. Selbst wenn der Sohn zurückkehrt, bleibt die Belastung bestehen. Besonders tückisch: Testamente oder Nachfolgepläne werden oft jahrelang nicht angepasst. „Wenn Kinder plötzlich ins Ausland ziehen, ändert das die steuerliche Ausgangslage grundlegend. Wer das Testament nicht aktuell hält, riskiert böse Überraschungen“, warnt der Steuerrechtler.
Die Optionsfalle
Viele Spediteure streben bei der Übertragung von Betriebsvermögen nach der „Steuerfreiheit“. Die sogenannte Optionsverschonung (siehe Kasten) erlaubt 100 Prozent Begünstigung, wenn der Anteil nicht begünstigten Vermögens unter 20 Prozent liegt. Doch die Grenze ist scharf.
Null Prozent Verschonung
In einem Fall hatte ein Steuerberater 19 Prozent so genanntes „Verwaltungsvermögen“ berechnet. Später stellte die Betriebsprüfung 22 Prozent fest. „Das Bundesfinanzhof hat klargestellt: Wer die Option zieht, bleibt daran gebunden. Ist die Grenze überschritten, gibt es nicht 85 Prozent, sondern null Prozent Verschonung“, sagt Königer. Für die betroffene Familie bedeutete das eine Nachzahlung von 380.000 Euro – innerhalb eines Monats. Hinzu kommt, dass Unternehmenswerte schwanken. „Eine Spedition kann je nach Gutachter 1,5 oder 2,5 Millionen wert sein. Schon kleine Abweichungen können die Grenze reißen“, erklärt Königer. Sein Rat: „Nicht zu früh auf die 100-Prozent-Option setzen. Die 85-Prozent-Verschonung ist oft der sichere Weg.“
Schenkung ohne Widerrufsklausel
Schenkungen an Kinder sind Alltag im Mittelstand. Doch oft fehlen im Vertrag die nötigen Sicherheitsnetze. „Eine Widerrufsklausel gehört in jeden Schenkungsvertrag“, betont Königer. Nur so kann der Schenker reagieren, wenn sich die Steuerlast unerwartet erhöht, der Beschenkte insolvent wird oder Anteile verkauft.
Die typischen Widerrufsgründe
Typische Widerrufsgründe sind beispielsweise: Insolvenz, Tod des Beschenkten vor dem Schenker, Geschäftsunfähigkeit nach Unfall oder Krankheit, Scheidung mit Zugewinnausgleich, sogar Drogen- oder Alkoholabhängigkeit. „Das klingt drastisch, aber es gibt immer wieder Fälle, in denen Unternehmer froh gewesen wären, eine Rückforderungsklausel zu haben“, sagt der Experte.
Steuerrüberraschungen abfedern
Auch Steuerüberraschungen lassen sich so abfedern. Königer erwähnt den „Corona-Fall“: Unternehmensanteile waren übertragen, dann sanken die Unternehmenswerte deutlich infolge der pandemiebedingten Geschäftslage. Hätte der Vater widerrufen können, wäre die Steuerlast deutlich geringer ausgefallen. „Eine Widerrufsklausel ist kein Muss – aber sie verschafft Handlungsspielraum und schützt das Unternehmen“, betont er.
Frühzeitig vorsorgen
Die Beispiele zeigen: Steuerliche Fallstricke lauern überall – und sie können selbst kerngesunde Speditionen in Schwierigkeiten bringen. Königer appelliert an Unternehmerfamilien, die Nachfolge nicht auf die lange Bank zu schieben. „Viele dieser Fälle hätten sich mit einfachen Maßnahmen vermeiden lassen.“ Testament und Gesellschaftsverträge müssen demnach regelmäßig überprüft, Pflichtteilsverzichte klar vereinbart und Schenkungsverträge sorgfältig ausgestaltet werden. Für die Transport- und Logistikbranche gilt das besonders: Wer die Nachfolge nicht sorgfältig regelt, riskiert, dass nicht der Markt oder der Wettbewerb die Spedition bedroht, sondern das Finanzamt.
Optionsverschonung
- Unternehmer können bei der Übertragung von Betriebsvermögen zwischen zwei Steuervergünstigungen wählen (§§ 13a, 13b ErbStG):
- Regelverschonung: 85 Prozent Steuerbefreiung, wenn der Betrieb mindestens fünf Jahre fortgeführt wird und die Lohnsummen stimmen.
- Optionsverschonung: 100 Prozent Steuerbefreiung, wenn der Betrieb mindestens sieben Jahre fortgeführt wird und das sogenannte Verwaltungsvermögen, etwa Wertpapiere, Bankguthaben, Beteiligungen (sofern nicht betrieblich erforderlich) oder fremdvermietete Immobilien, höchstens 20 Prozent beträgt.
- Wichtig: Wird die Optionsverschonung gewählt und die 20-Prozent-Grenze auch nur leicht überschritten, entfällt die Steuerbegünstigung komplett. Anders als bei der Regelverschonung gibt es dann keine Teilbefreiung mehr – sondern volle Steuerpflicht.





