Interview mit DEKRA-CDO Petra Finke
Digitales Mindset nötig

Petra Finke, Chief Digitalization Officer (CDO) bei DEKRA, über Cyber Security und AI-Service

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Foto: Dekra
Frau Finke, erstmals hat Deutschland einen Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Welches Zeichen setzt dies im Hinblick auf die Digitalisierung?

Petra Finke: Das ist ein starkes Signal insbesondere im Hinblick auf die digitale Staatsmodernisierung. Das ist auch ein starkes Signal für Investitionen in mehr digitale Souveränität und der Förderung europäischer Technologien. Damit diese Investitionen wirklich ankommen, muss sich die Denkweise in den Unternehmen, aber auch in den Behörden ändern.

Inwiefern?

Wir brauchen souveräne Cloud-Infrastrukturen mit offenen Standards. Wir benötigen mehr Förderung und Zusammenarbeit der europäischen Digitalwirtschaft und insgesamt brauchen wir generell ein digitales Mindset. Zum Beispiel angewandt in der Verkehrsinfrastruktur. Der Einsatz von Sensorik, Big Data und KI erhöht ihre Effizienz, ihre Sicherheit und Nachhaltigkeit. Ein Anwendungsfeld wäre in diesem Zusammenhang die "Predictive Maintenance": Wartungs- und Prüfintervalle von Brückenbauwerken können KI-gestützt viel präziser bestimmt werden. Vorgeschriebene statische Prüfintervalle erfolgen so situationsgerecht und dynamisch. Deswegen ist es wichtig, dass wir Digitalisierung und klassische Infrastrukturprojekte noch mehr verknüpfen, um sie intelligenter und schneller umzusetzen. Wir müssen auch Datenräume und digitale Ökosysteme – zum Beispiel im Mobilitätssektor – weiter ausbauen. Das erfordert die Zusammenarbeit von Unternehmen und staatlichen Institutionen und das Teilen von Daten. Zielgerichtete Digitalisierung funktioniert, wenn wir Silos aufbrechen und klassische Abläufe und Gewohnheiten hinterfragen.

Petra Finke CDO Dekra
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DEKRA-CDO Petra Finke: "Wir unterstützen Unternehmen dabei, wie sie bei der Digitalisierung den Sicherheitsstandards und regulatorischen Anforderungen gerecht werden."

Wie schätzen Sie die regulatorischen Ansätze zum Thema Daten und KI ein?

Die EU will vor allem für die Anwender sichere und verantwortungsvolle KI-gestützte Produkte und Anwendungen, die unsere Grundrechte schützen. Wenn sie hierbei pragmatisch vorgeht und nicht durch übermäßige Bürokratie Innovationen ausbremst, dann kann das global Wettbewerbsvorteile bringen. Denn Anwender können dann der KI vertrauen. Aus meiner Sicht ein Qualitätsmerkmal. Die EU, und besonders Deutschland sind relativ risikoavers. Wir können uns aber nicht gegen alle Risiken im Vorhinein absichern, sondern brauchen die Möglichkeit, sozusagen in einem "Sandkasten" Dinge auszutesten, bevor dann die entsprechenden regulatorischen Richtlinien vollständig greifen. Solche "Sandboxes" sieht der EU AI Act vor. Jetzt kommt es auf die nationale Umsetzung und pragmatische Anwendung an.

Welche sind derzeit die größten Herausforderungen, denen die DEKRA-Kunden bei Digitalisierung und Datenmanagement gegenüberstehen?

Jedes Unternehmen will mit der Digitalisierung seine Effizienz steigern, Produkte und Services verbessern und Innovationen schaffen. Die Herausforderung ist, die Digitalisierung in einer oft fragmentierten IT- und Prozess-Landschaft schrittweise umzusetzen. Die Technologien sind da und einfacher denn je zugänglich, aber jetzt geht es darum, sich auf ihren Nutzen und die wertschöpfende Umsetzung zu fokussieren. Die Integration neuer Technologien und das Managen der Koexistenz von alten und neuen Systemen ist komplex und echte Transformationsarbeit. Innovative Technologien wie KI zu implementieren und gleichzeitig die Mitarbeitenden mitzunehmen sowie den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, ist eine Herausforderung für viele Unternehmen. Es braucht daher eher fachübergreifende und kommunikative Fähigkeiten, um richtige Anwendungsfälle der Technologien zu finden und gleichzeitig die Auswirkung der Digitalisierung auf Prozesse und auf die Mitarbeitenden sowie mögliche Risiken abzuschätzen.

Was kann DEKRA hier beitragen?

Wir unterstützen Unternehmen etwa dabei, wie sie bei der Digitalisierung den Sicherheitsstandards und regulatorischen Anforderungen gerecht werden. Dabei hilft uns, dass wir frühzeitig unseren strategischen Fokus auf die Entwicklung innovativer Beratungs-, Test- und Zertifizierungs-Services im Bereich Cyber Security und KI entwickelt haben. Fahrzeuge, Industrieanlagen sowie Gegenstände unseres täglichen Gebrauchs sind digital vernetzt und zunehmend KI-gesteuert. Aus unserer Sicht gehören, Cyber-Sicherheit, KI-Sicherheit und funktionale Sicherheit zusammen. Deswegen haben wir diese drei Bereiche zu einem integrierten "Digital Trust Service" zusammengefasst, um unsere Kunden nachhaltig betreuen zu können. Wir begleiten mit tiefer Expertise und testen über den gesamten Lebenszyklus einer Anwendung, von der Planung über die Implementierung und die weitere Entwicklung. Denn digital vernetzte und KI-gestützte Systeme bleiben nicht statisch.

Welche Ihrer Geschäftsbereiche verändern sich in dieser Hinsicht?

In der Automobilbranche bedeutetet das etwa, den gesamten Lebenszyklus eines "software-definierten" Fahrzeugs, also eines digital vernetzten Fahrzeugs, zu begleiten. Das beginnt mit den Sicherheitseinstellungen zur Einführung eines Modells und beinhaltet die ständigen Software-Updates. Gerade auch im Hinblick auf das automatisierte Fahren müssen etwa Sicherheitsstandards regelmäßig überprüft werden, damit letztlich der Autofahrer der Lösung auch vertrauen kann. Auch Predictive Maintenance und Remote Inspection sind hier wichtige Themen. Wenn Algorithmen gut funktionieren, erhöhen sie die Sicherheit – und sorgen dafür, dass etwa Wartungsprozesse bei Industrieanlagen effizient und richtig ablaufen.

Wie geht DEKRA mit der zunehmenden Komplexität der Anforderungen um?

Unsere Expertinnen und Experten im Industrie- und Automobil-Bereich kennen sich mit den Technologien und Regularien perfekt aus. Die Herausforderung besteht darin, intelligente digitale Lösungen für diese Expertise und ihre vielfältigen Anwendungsfelder zu schaffen, um die Services für unsere Kunden, digital bestmöglich zu unterstützen. Diese fachlichen und digitalen Fähigkeiten müssen flexibel anpassbar und einfach zu neuen Lösungen zusammengestellt werden und dabei regionale Besonderheiten und Regularien berücksichtigen. Das ist bei großen monolithischen Systemen kaum möglich. Deswegen braucht es eine Modularisierung, nicht nur in der Technologie, sondern auch bei Prozessen und Services, und das unter Einsatz von Daten und KI.

Was sind aus Ihrer Sicht aktuelle Leuchtturmprojekte im Digitalbereich von DEKRA?

Davon gibt es viele. Zum Beispiel arbeiten wir gerade an Projekten zum Einsatz von KI-gestützter Spracherkennung. Oder an einer KI-getriebenen Lösung für die Versicherungsbranche, welche die Prozesse von der Schadensmeldung bis hin zur Abschätzung der möglichen Reparaturkosten automatisiert. Hier kommt es besonders darauf an, die KI mit unseren qualitativ hochwertigen Daten aus den Schadengutachten zu trainieren. Im Bereich Predictive Maintenance setzen wir KI und IoT Devices ein. Damit versetzen wir unsere Kunden in die Lage, vorausschauend zu agieren, wenn es um die Sicherheit ihrer Produkte oder Industrieanlagen geht. Ein großes Thema ist auch das Cybertesting, da werden Tests durch KI-Unterstützung beschleunigt.

Welche Strategie verfolgt DEKRA bei künftigen Services?

Unsere Strategie ist stark daten- und KI-getrieben. Wir wollen nicht nur Bestehendes digitalisieren, sondern Prozesse und Workflows intelligent und neu denken. Mehr Flexibilität wollen wir durch eine Cloud-Plattform erreichen, die die Zusammenstellung individueller Workflows aus vordefinierten Bausteinen ermöglicht. Der Zugriff erfolgt über personalisierte digitale Touchpoints. Auf verschiedene Nutzergruppen zugeschnittene Digitale Services und Komponenten können so in unterschiedlichen Anwendungen wiederverwendet werden. Ein einfaches, aber effektives Beispiel ist die KI-gesteuerte Bildbearbeitung zur Anonymisierung personenbezogener Bildelemente. Eine intelligente Lösung, die aber in verschiedenen Anwendungen wiederverwendet werden kann – sei es in der Schadenabwicklung oder bei bildgesteuerten Prüfprozessen – und so Prozesse effizienter und gleichzeitig sicherer macht. Und das ist ja eines der Ziele der Digitalisierung.