Kravag-Interview: ADSp bleiben erste Wahl

Kravag-Interview
ADSp bleiben erste Wahl

Kravag-Chef Dr. Rollinger rät im Interview mit trans aktuell von den DTLB als Geschäftsgrundlage ab.

ADSp bleiben erste Wahl
Foto: Kravag
Herr Dr. Rollinger, als Schaden- und Unfall-, Kredit- sowie Kfz-Versicherer ist die R+V Nummer zwei und drei auf dem Markt: Wann soll sich das ändern?

Dr. Rollinger: Was Sie nicht erwähnt haben: R+V ist auch der größte Bankenversicherer in Deutschland und mit Kravag im Verkehrsgewerbe und der Transportversicherung auf Platz 1. Damit sind wir tatsächlich hervorragend im Markt positioniert. Und auch die Geschäftsentwicklung gibt Grund zur Freude: R+V wächst seit Jahren stärker als die Branche und gewinnt neue Marktanteile. Damit das so bleibt, müssen wir uns darauf einstellen, dass sich die Kundenbedürfnisse ebenso ändern wie die Kommunikationswege. Daran arbeiten wir mit Hochdruck.

Wie lief das Geschäftsjahr 2015?

Wir bleiben auch in Zeiten niedriger Zinsen und hoher Regulierungsanforderungen erfolgreich. R+V und Kravag haben 2015 erfolgreich und mit überdurchschnittlichem Wachstum abgeschlossen. Die Kravag-Logistic konnte die Beitragseinnahmen um drei Prozent steigern und damit ihre Position als Markführer im Straßenverkehrsgewerbe weiter ausbauen. Die beitragsstärkste Sparte der Gesellschaft bleibt die Kraftfahrtversicherung. Dank der guten Auftragslage im Verkehrsgewerbe und der beständigen Nachfrage nach der Kravag-Logistic-Police sind die Beitragseinnahmen in der Verkehrshaftungsversicherung gestiegen.

Guter Start ins Jahr 2016

Insgesamt allerdings ist die Sparte Transport wegen notwendiger Sanierungsmaßnahmen leicht rückläufig. Die Combined Ratio liegt trotz leicht gestiegener Schadenquote weiterhin unter 100 Prozent. Der Start ins neue Jahr verlief für Kravag positiv, sie bleibt auch 2016 auf Wachstumskurs.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den neuen ADSp gemacht?

Aus Versicherungssicht sind die neuen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp 2016) vorteilhaft für Spediteure und ihre Kunden. Sie bringen auch Auftraggebern viele Vorteile und berücksichtigen beispielsweise die erhöhten Haftungsinteressen der Verladern, insbesondere im schadensträchtigen Umschlag und im Lager. Kravag hat ihre Logistic-Police an die neuen Haftungsgrundlagen angepasst,  so dass Spediteure weiterhin den gewohnten Versicherungsschutz bekommen.

Und die Deutschen Transport- und Logistikbedingungen?

Vor den DTLB als Geschäftsgrundlage können wir unseren Kunden nur abraten, da sie neben unbegrenzter Haftung weitreichende Verpflichtungen für Transportunternehmer und Lagerhalter definieren, die diese schwer oder nur bruchstückhaft erfüllen können. Sicherlich ist das einer der Gründe dafür, weshalb die DTLB bis heute keine Akzeptanz im Markt haben und damit auch keinerlei praktische Bedeutung.

Die Transportbranche ist besonders insolvenzanfällig. Doch damit verbunden sind weitere Gefahren …

Wenn ein langjähriger Geschäftspartner Insolvenz anmeldet, kann der Insolvenzverwalter alle Zahlungen anfechten und zurückfordern, die in den vergangenen zehn Jahren getätigt wurden – sechsstellige Summen sind dabei keine Seltenheit. Dies ist jederzeit möglich, wenn vermutet wird, dass der Gläubiger von der drohenden Zahlungsunfähigkeit seines Schuldner wusste, etwa wegen verzögerter Zahlungen, Ratenzahlungsvereinbarungen oder Stundungen.

Wie können sich Unternehmen dagegen schützen?

Mit dem Baustein „Forderungsausfall-Versicherung“ in der Kravag-Logistic-Police bieten wir Schutz vor unkalkulierbaren Rückforderungen. Gegen einen Mehrbeitrag können unsere Kunden die Jahreshöchstentschädigung für den Fall der Insolvenzanfechtung aufstocken – auf Wunsch mit einer zehnjährigen Rückdeckung. Mit einer zusätzlichen Rechtsschutzdeckung können Unternehmer die Rechtmäßigkeit der Insolvenzanfechtung anwaltlich überprüfen lassen und sich gerichtlich dagegen wehren.

Ein enormes Risiko sind auch Ladungsdiebstähle, die enorm zunehmen – wie unterstützen Sie die Branche hier?

Es gibt kaum Unternehmen, die noch nicht von Ladungsdiebstählen betroffen waren. Organisierte Kriminelle konzentrieren sich dabei immer stärker auf Rast- und Parkplätze sowie Gewerbeanlagen, da Lager und Produktionsanlagen inzwischen meist gut abgesichert sind. Auch Ladungsbetrug und Unterschlagung sind ein großes Problem für das Logistikgewerbe und verursachen Schäden in Millionenhöhe.

Rollinger warnt vor Internet-Betrügern

Besondere Vorsicht ist in Internet-Frachtenbörsen geboten. Hier bieten auch Betrüger ihre Dienste und verschwinden anschließend mit der Ladung im Ausland. Wir klären unsere Kunden über die Tricks der Ladungsdiebe auf und geben ihnen Tipps zur Schadenverhütung. Wer alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen  hat, ist bei uns auf der sicheren Seite – die Versicherung zahlt den Schaden.

Ein aktuelles Problem sind auch Schäden durch illegale Flüchtlinge, die sich auf Lkw verstecken. Wie hoch ist das Risiko?

Wir kennen diese Schadenfälle seit einigen Jahren. Einen exorbitanten Anstieg angesichts der aktuellen Flüchtlingswelle können wir derzeit nicht feststellen. Im internationalen Transit aus der Türkei, Griechenland und Nordafrika registriert der Markt jedoch eine Häufung von Ladungsschäden durch Zerstörung oder Verschmutzung. Durch neue Flüchtlingsrouten und die verstärkte Überwindung der EU-Grenzen ergibt sich auch für deutsche Logistiker ein deutlich erhöhtes Risikopotential.

Wie steht es um die Haftung?

Grundsätzlich gilt: Frachtführer und Spediteure haften für Verlust oder Beschädigung der ihnen anvertrauten Güter. Im Schadenfall springt die Verkehrshaftungsversicherung ein – ganz egal, wodurch die Schäden verursacht wurden. Und auch dann, wenn es Flüchtlingen gelingt, auf die Ladefläche zu kommen und sie dabei die Ware beschädigen. Das bestätigen rechtskräftig entschiedene Schadenfälle.

Frachtführer sollten Flüchtlings-Hotspots meiden

Allerdings muss der Frachtführer Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und für die Sicherheit der beladenen Fahrzeuge Sorge tragen. Bekannte Hotspots wie im französischen Calais sollten Fahrer weiträumig meiden.

Wie bereitet sich Kravag auf das Trendthema Digitalisierung vor?

Unsere Kunden mit ihren oft sehr komplexen Risiken und Schadenfällen wollen weiterhin die persönliche Beratung. Rund 1.500 Unternehmer sind aber bereits in unserem Portal Kravag-Online angemeldet. In Kürze können sie dort in einem geschützten Raum mit uns kommunizieren und mittelfristig sicherlich einfache Versicherungsprodukte online abschließen.

Ist autonomes Fahren bei Ihnen als Thema schon akut?

Wenn hochautomatisierte Fahrzeuge in absehbarer Zukunft marktreif sind, werden wir diese auch versichern und die Verkehrsopfer genauso gut schützen wie heute – unabhängig davon, ob Schaden auf Fahrfehler, ein defektes technisches System oder andere äußere Ursachen zurückzuführen ist. Experten schätzen, dass es bis zur Einführung autonomer Fahrzeuge noch zehn, 15 oder gar 20 Jahre dauern kann.

Wie hat sich die Mindestlohnabsicherung entwickelt?

Die Risiken für Unternehmer durch das Mindestlohngesetz sind unverändert hoch, denn Logistiker setzen nach wie vor Subunternehmer aus Osteuropa ein, die ihre Mitarbeiter weit unter dem deutschen Mindestlohn vergüten. Und diese  Mitarbeiter können die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und dem gesetzlichen Mindestlohn nachfordern.

Wird die Leistung denn nachgefragt?

Im Moment stagniert die Nachfrage nach diesen Versicherungsprodukten. Das hat vor allem zwei Gründe: Momentan prüfen so gut wie keine Zollbeamten die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns, da sie die Bundespolizei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise unterstützen müssen. Zugleich hat das Bundesfinanzministerium angewiesen, die Mindestlohn-Kontrollen für Transitverkehre aufgrund der Intervention der EU-Kommission auszusetzen, was im Gewerbe vielfach als Entwarnung interpretiert wird.

Leider übersehen hier viele die mindestens dreijährige Verjährungsfrist. Insbesondere für Logistiker, die mit ausländischen Subunternehmern zusammenarbeiten, gibt es daher keine tatsächliche Entspannung. Wir sind sicher, dass die Nachfrage steigt, sobald die Kontrollen wieder verstärkt werden.