2025 war für die Open Logistics Foundation (OLF) ein entscheidendes Jahr: Mit dem ersten industriereifen Standard für den digitalen Frachtbrief (eCMR) und realen Pilotprojekten für einheitliche Emissionsdaten legt die Stiftung zentrale Bausteine für eine interoperable, digital vernetzte Logistik. Gleichzeitig wächst das Netzwerk stark – auf 50 Mitglieder aus zwölf Ländern. Von Beginn an dabei waren etwa Dachser und Rhenus.
eCMR: Standard ist erstmals industriereif
Herzstück des Jahres war die Arbeitsgurppe „Electronic Transport Documents“. In ihr entwickelten 28 Logistikunternehmen eine Open-Source-basierte Software, die den digitalen Frachtbrief über Systemgrenzen hinweg interoperabel macht. „Wir haben endlich die vielfach geforderte Grundlage zur digitalen und effizienten Gestaltung des internationalen Gütertransports – technisch und rechtlich abgesichert“, sagt Andreas Nettsträter, CEO der Open Logistics Foundation.
Die Entwicklung gilt als Meilenstein, denn der digitale Frachtbrief kommt international weiter nur schleppend voran. In Deutschland steckt der Roll-out eher auch noch am Anfang. Die von der OLF vorgestellte Open-Source-Lösung soll genau diese Hürden senken – weil sie nicht an proprietäre Systeme gekoppelt ist und europaweit genutzt werden kann.
Klimadaten: Realdatenpiloten für Emissions-Tracking
Eine zweite Arbeitsgruppe entwickelte 2025 einen Standard für den Austausch von Emissionsdaten entlang der Lieferkette. Dabei geht es um die Implementierung des iLeap-Datenmodells, das vom Smart Freight Centre und der SINE Foundation entwickelt wurde. Mit Realdatenpiloten begleitet die OLF erstmals echte Transporte – 2026 sollen daraus nutzbare Erkenntnisse veröffentlicht werden. Ziel ist ein interoperabler Standard, der Unternehmen hilft, gesetzliche Pflichten (CSRD, ETS 2) effizient zu erfüllen.
Open-Source wird Mainstream in der Logistik
2025 hat sich laut der OLF ein klarer Mentalitätswechsel vollzogen: „Das Bewusstsein für die Relevanz von Open-Source-Lösungen ist extrem gestiegen – nicht zuletzt durch Themen wie digitale Souveränität und Resilienz“, sagt Carina Tüllmann, CCO der Open Logistics Foundation. Insbesondere der Erfolgsfall eCMR habe der Stiftung Kompetenzvertrauen eingebracht – bei Themen wie eFTI, eCMR oder Datenschnittstellen werde sie immer häufiger direkt angesprochen.
Pro & Kontra: Open-Source im professionellen Logistikeinsatz
PRO
✔ Kostenersparnis
Keine Lizenzkosten, keine Abhängigkeit von proprietären Systemen.
✔ Interoperabilität
Standards wie der OLF-eCMR reduzieren Schnittstellenaufwand und Medienbrüche.
✔ Zukunftssicherheit
Offene Standards erleichtern KI-Integration und maschinenlesbare Datenbereitstellung.
✔ Resilienz & digitale Souveränität
Unternehmen vermeiden Abhängigkeit von einzelnen Softwareanbietern.
✔ Beschleunigte Innovation
Fehler, Features und Sicherheitslücken werden gemeinschaftlich schneller bearbeitet.
KONTRA
✖ Fehlende Ressourcen
Viele Logistiker haben wenig interne IT-Kapazitäten für Implementierung und Wartung.
✖ Verantwortungsdiffusion
Kein klassischer „Supportvertrag“. Verantwortung für Betrieb und Sicherheit liegt beim Nutzer.
✖ Unterschiedliche Reifegrade
Gerade für kritische Prozesse fehlen teils robuste Open-Source-Alternativen.
✖ Sicherheitsbedenken
Offener Code bedeutet zugleich Transparenz für Angreifer und erfordert eine Security-Expertise.
Einordnung: Wo steht der eCMR 2025 wirklich?
Der eCMR gilt als zentrales Digitalisierungsprojekt der EU und wird in wichtigen Gesetzesinitiativen wie eFTI, Fit-for-55 oder geplanten KI-Regulierungen indirekt vorausgesetzt.
Doch die Realität bleibt fragmentiert:
- Nur wenige EU-Staaten haben funktionierende nationale Plattformen.
- Große Speditionen (beispielsweise DB Schenker, DHL Freight, DSV) nutzen eCMR bisher nur in Pilotkorridoren.
- KMU fehlt oft die technische Infrastruktur, wie unter anderem die IRU bestätigte.
Genau hier will die OLF mit ihrem Open-Source-Ansatz ansetzen.
Was Unternehmen jetzt tun sollten
1. Open-Source-Strategie definierenUnternehmen sollten klären, welche Systeme künftig offen, interoperabel und standardbasiert funktionieren sollen – und welche proprietär bleiben können. Ein klarer Fahrplan erhöht Planungssicherheit und senkt Integrationskosten.
2. eCMR als Pilot einführen
Auch wenn der digitale Frachtbrief noch nicht flächendeckend etabliert ist, lohnt sich der Einstieg: Pilotstrecken, Testpartner und Schnittstellenaufbau schaffen frühzeitig Erfahrung und reduzieren späteren Umstellungsaufwand.
3. Datenstruktur vereinheitlichen
Für AI Readiness und Open-Source-Standards sind saubere Daten Grundvoraussetzung:
- Datenklassifikationen harmonisieren
- Metadaten konsistent pflegen
- Formate standardisieren (JSON, XML, GS1, EDIFACT)
4. Teilnahme an Realdatenpiloten prüfen
Organisationen wie die Open Logistics Foundation bieten offene Testumgebungen. Mitmachen ermöglicht:
- Einblick in Praxisanforderungen
- Verständnis technischer Standards
- Networking mit relevanten Partnern
5. IT-Architektur öffnen
APIs bereitstellen, Microservices nutzen und modulare Systeme bevorzugen. Das erhöht Flexibilität und erleichtert die Integration offener Komponenten wie eCMR oder Emissionsdaten-Schnittstellen.
6. Know-how für Open Source aufbauen
Teams benötigen Kompetenz in:– Versionskontrolle & Git– Lizenzverständnis (Apache, MIT, GPL)– Open-Source-KontributionSchulungen und interne Guidelines helfen, Risiken zu vermeiden.
7. Sicherheitsstandards früh berücksichtigen
Open Source heißt nicht „unsicher“ – aber klare Regeln sind Pflicht:
- Code-Scanning & Dependency-Updates
- Zero-Trust-Architekturen
- Penetrationstests für neue Module
8. Partnerschaften und Netzwerke nutzen
Brancheninitiativen wie
- Open Logistics Foundation
- GS1 Germany
- FEDeRATED / eFTI-Projekte
unterstützen Unternehmen bei Standardisierung und Implementierung.
9. Emissionsdaten als Pflichtaufgabe einstufen
Sowohl politische Vorgaben (Fit for 55, CSRD) als auch Kundenerwartungen erfordern transparente, interoperable Emissionsdaten. Früh einzusteigen, vermeidet spätere Hauruck-Lösungen.
10. Veränderungsmanagement nicht vergessen
Open Source ist nicht nur Technik – es ist Kultur. Unternehmen sollten:
- Prozesse anpassen
- Stakeholder einbinden
- Interne Akzeptanz fördern






