Digitalisierungsparadox in der Logistik

Digitalisierungsparadox in der Logistik
Warum die Transformation stockt

Bundesvereinigung Logistik (BVL) und die PwC-Tochter Strategy& veröffentlichen Studie zur Digitalisierung in der Logistik. Dabei stoßen sie auf ein Paradoxon: die Kluft zwischen Test und Praxis.

Einsatz von Blockchain und KI für die Automatisierung in der Logistik
Foto: dutchscenery/monsitj@viaCanva

Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) und Strategy&, die globalen Strategieberatung von PricewaterhouseCoopers (PwC), haben die digitale Transformation in der Transport- und Logistikbranche unter die Lupe genommen. Doch obwohl rund 96 Prozent der befragten Unternehmen angeben, diesen Wandel bereits angestoßen zu haben, schaffen es gerade einmal 10 Prozent, neue Technologien in der Breite zu optimieren und skalieren. Doch warum scheitert die Digitalisierung in der Praxis?

Mehrwert der Digitalisierung bleibt für viele Logistiker aus

Demnach stufen rund zwei Drittel der 115 befragten Logistikdienstleister vorrangig aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ihren eigenen digitalen Reifegrad als niedrig bis mittel ein. Zwar verfügen 69 Prozent der Unternehmen über strategische Leitplanken zur Digitalisierung, doch nur knapp ein Drittel schafft es, diese auch operativ in den Geschäftsalltag zu überführen. Die Folge: Der erhoffte Mehrwert für Geschäft und Kunden bleibt für die Mehrheit der Branche trotz steigender Ausgaben bislang aus.

Fokus auf Effizienz verschleppt Innovation

Viele Logistiker setzen laut der Studie vor allem Maßnahmen um, die sich durch Effizienzgewinne direkt im Betrieb auszahlen. So automatisieren 76 Prozent der Unternehmen ihre Abläufe, etwa bei der Tourenplanung, im Lager oder in der Verwaltung. Etwas mehr als die Hälfte nutzt Business-Intelligence-Lösungen, die zum Beispiel die effektive Kapazitätssteuerung ermöglichen. Und 44 Prozent investieren in ihre IT- und Cloud-Infrastruktur. Langfristig zahlen sich digitale Investitionen aber nur aus, wenn sie auch Innovationsprojekte finanzieren. Besonders großes Transformationspotenzial sieht die Branche hierbei in GenAI. Je nach Marktsegment rechnen Unternehmen mit Profitabilitätssteigerungen von 1,4 bis 4,4 Prozentpunkten. Allerdings offenbart sich auch hier das Digitalisierungsparadox: Zwar beschäftigen sich nahezu 80 Prozent aktiv mit GenAI, aber nur 3 Prozent haben die Technologie unternehmensweit integriert und skaliert.

Umsetzung von GenAI in logistischen Kernprozesse fehlt

„Logistikunternehmen setzen große Hoffnungen in GenAI als Hebel für ihre digitale Transformation. Bislang kommt die Technologie aber vor allem dort zum Einsatz, wo es erprobte Lösungen gibt, etwa in Funktionen wie Finanz- und Rechnungswesen und Marketing und Vertrieb“, berichtet Sebastian Pieper, Director bei Strategy& Deutschland. „Allerdings müssen eigene Use Cases für die logistischen Kernprozesse stärker in den Fokus rücken. Viele unserer Befragten halten Anwendungsfälle im Bereich Tourenplanung und Routenoptimierung oder der Analyse von Kunden- und Wettbewerbsdaten für hochrelevant. Wer solche Potenziale erschließt, kann sich einen realen Wettbewerbsvorteil sichern.“

Viele Logistiker starten Digitalisierung im Blindflug

Die größten Hürden der digitalen Transformation sind laut Studie nicht technischer, sondern organisatorischer Natur. Etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen identifiziert fehlende strategische Prioritäten als zentrales Hindernis. Rund ein Drittel scheitert an Vorbehalten der eigenen Belegschaft. Als Erfolgsfaktoren nennen 70 Prozent eine klare Strategie, 49 Prozent ein klares Bekenntnis der Führungskräfte und 41 Prozent konsequentes Change Management. Bemerkenswert ist, dass viele Unternehmen ihre Digitalisierung im Blindflug antreten. Etwa ein Viertel der Logistiker hat bislang keine Erfolgsmessung etabliert und besitzt keine Transparenz über die Realisierung geplanter finanzieller Effekte. Fast jedes fünfte Unternehmen stellt zudem erhebliche Lücken zwischen geplanten und realisierten Effekten fest. Um diese Lücken zu schließen, sollten Logistiker laut Studie ihre digitale Transformation konsequent an den Geschäftsanforderungen ausrichten und eine strategische Programmleitung etablieren, die Entscheidungen vorantreibt, ein aktives Risikomanagement leistet und den Business Case im Blick hat.

KMU drohen den Anschluss zu verlieren – Existenz bedroht

„Die Transport- und Logistikindustrie ist ein zentrales Bindeglied unserer globalen und hochvernetzten Wertschöpfungsketten. Logistiker agieren umso mehr in einem herausforderndem Marktumfeld, das durch steigende Kundenanforderungen an Effizienz, Geschwindigkeit und Digitalisierung geprägt ist. Um sich in diesem Kontext zu behaupten, müssen sie effizienter arbeiten und zugleich Innovationen vorantreiben. Digitale Technologie ist ein Schlüssel, um beides erfolgreich anzugehen – allerdings nur, wenn sie richtig eingesetzt, klug gesteuert, und kontinuierlich kontrolliert wird“, sagt Christoph Meyer, Geschäftsführer der BVL. „Schon heute zeichnet sich dabei ein Gefälle innerhalb der Branche ab. Während digitale Vorreiter klare Roadmaps verfolgen und von signifikanten Effizienz- und Umsatzsteigerungen profitieren, riskieren die reaktiv handelnden Unternehmen ohne formalisierte Strategie den Anschluss zu verlieren. Besonders für kleine bis mittelgroße Unternehmen wird das zum existenziellen Risiko.“