Erster Test des Mercedes Sprinter (1995): Er macht seinem Namen alle Ehre

Erster Test des Mercedes Sprinter (1995)
Er macht seinem Namen alle Ehre

lastauto omnibus hat sich den damals neuen Mercedes Sprinter im Frühjahr 1995 in einem Test zur Brust genommen. Hier das Ergebnis, inkl. Download des Original-Tests als PDF.

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Foto: Daimler (Archivbild)

Nach der Vorstellung des Sprinter konnte es der Redaktion gar nicht schnell genug gehen, das erste Exemplar auf der obligatorischen Transporterrunde zu testen. Mercedes zeigte sich kooperativ und rückte einen Speditionskombi vom Typ 212 D mit Hochdach heraus, der bereits bei der Präsentation Ende Januar dabei war und noch aus der Vorserie stammt.

Letzteres allerdings dürfte für die ermittelten Meßergebnisse nicht von Bedeutung sein. Denn selbst wenn sich in der Serie noch das eine oder andere Detail ändern sollte, am Grundkonzept und damit an den verbrauchsrelevanten Eigenschaften rüttelt niemand mehr. Das scheint vorerst auch nicht nötig. Der DELA, wie Mercedes den neuen 2,9-Liter-Direkteinspritzer (DE) mit Turbolader und Ladeluftkühlung (LA) intern kurz nennt, glänzte im fast 2,60 Meter hohen Speditionskombi in allen Bereichen: bei der Leistungsentfaltung, beim Verbrauch und bei der Geräuschentwicklung.

Der Fünfzylinder basiert auf dem Vorkammerdiesel OM 602 der T 1-Baureihe. Davon haben die Ingenieure das Kurbelgehäuse und den Kurbeltrieb übernommen. Den Zylinderkopf mit zwei Ventilen pro Topf entwickelten sie neu und verpaßten ihm Drallkanäle statt der bisherigen Füllungskanäle. Die herkömmliche Reihenpumpe löste eine Verteilereinspritzpumpe ab, die elektronischen Befehlen gehorcht.

Die Electronic Diesel Control (EDC) überläßt nichts dem Zufall. Sie beeinflußt den Einspritzbeginn, die Dieselmenge, die Startmengenregelung, die Leerlaufdrehzahl und die Abgasrückführung. Und weil sie das alles exakter kann als eine mechanische Dieselregelung, verbraucht der DELA weniger Kraftstoff und stößt weniger Schadstoffe aus. Im 2,8 Tonnen schweren 212 D kam der Turbodiesel während des Stadtparcours und bei extrem dichtem Verkehr (78 Anfahrten) mit 9,5 Litern pro 100 Kilometer aus. Bedingt durch den abendlichen Berufsverkehr verlief die Testfahrt mit einem Durchschnittstempo von nur 58 km/h.

Deshalb mußte das Testfahrzeug noch auf einer erweiterten Überland- und Autobahnrunde zeigen, was bei weniger Verkehr und höherer Geschwindigkeit in ihm steckt. Zuerst ging es von Stuttgart nach Bruchsal (B 10). Auf der leicht hügeligen Etappe legte der gelbe Kombi einen Verbrauch vor. den er während der restlichen Testzeit nie wieder erreichen sollte: 7,8 Liter pro 100 Kilometer bei 76 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.

Den zweiten Bundesstraßenabschnitt von Ulm bis Stuttgart absolvierte der Volumentransporter mit 81 km/h, für die er im Mittel 8,6 Liter konsumierte. Richtig gefordert wurde der Mercedes auf der bergigen Autobahn zwischen Karlsruhe und Ulm. Hier fuhr er ein Durchschnittstempo von rund 120 km/h heraus. Das machte sich dann auch an der Zapfsäule bemerkbar. 22,8 Liter für das 164 Kilometer lange Stück ergeben 13,9 Liter auf 100 Kilometer. Ein vergleichbarer Fiat Ducato benötigte für die gleiche Strecke 16,4 Liter, war aber 13 km/ h schneller.

Nicht zuletzt, weil er die weit kürzer übersetzte Achse (5,231) gegenüber dem Sprinter (3,455) aufzuweisen hatte. Dadurch brauchte der Fahrer nicht ein einziges Mal zum Schalthebel zu greifen, während er im Mercedes dreimal steigungsbedingt den fünften Gang verlassen mußte, um mit der Geschwindigkeit nicht unter die 80-km/h-Marke zu rutschen.

Wem das zuviel ist und wer mit einer geringeren Endgeschwindigkeit auskommt, kann beim 212 D auf die kürzere Achsübersetzung (4,111) zurückgreifen. Und wer nur flaches Land unter die Räder zu nehmen hat, wählt vielleicht lieber die 3,272er Achse. Wie auch immer, für den 90-kW/l 22-PS-Turbodiesel mit seinem maximalen Drehmoment von 280 Nm dürfte keine der drei wählbaren Achsübersetzungen ein Problem sein. Durchzugsstark und bereits im unteren Drehzahlbereich (ab 1000/min) sehr agil trieb er das Testfahrzeug voran. Dabei sorgt die Motorsteuerung für harmonische Lastwechsel.

Noch beeindruckender ist der Lärmpegel in der Kabine. Das subjektiv als sehr leise empfundene Motorengeräusch bestätigten die Meßwerte. Selbst bei 130 km/h und 3000/min zeigte die Nadel nur 76 Dezibel an und kletterte bis zur Höchstgeschwindigkeit nicht höher als 79 dB(A). Damit dürfte der Sprinter der zur Zeit geräuscharmste Transporter sein. Dank des leisen Laufs bewältigte der Fahrer auch die sechsstündige Mammutstrecke Hamburg-Stuttgart, ohne einen Dröhn-Schädel davonzutragen.

Allein auf maximales Tempo ausgelegt, standen am Ende des Tests 15,6 Liter pro 100 Kilometer in der Tankkarte. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 138 km/h kein schlechtes Ergebnis. Aber durch diesen gewollten Sprint stieg der Gesamtverbrauch auf 12,9 Liter.

Seinen Anteil daran hatte auch der heftige Gegenwind. Kam er von der Seite, fand er genügend Angriffsfläche, um das Fahrwerk mit Einzelradaufhängung vorn und Starrachse hinten bei hohem Tempo aus der Ruhe zu bringen. Kritik verdient ebenso die H-Schaltung des Fünfganggetriebes. Sie ist hakelig, die Wege sind lang, und der Rückwärtsgang ist vor ungewolltem Einlegen nicht genügend geschützt.

Nichts auszusetzen gibt es dagegen am Einstieg, an der Sitzposition, an den Sichtverhältnissen, an der Servolenkung und an der Bremsanlage mit Scheibenbremsen an allen Rädern. Die packen kräftig und gleichmäßig zu. Auch die Abmessungen und die Ausstattung des Laderaums lassen keine Wünsche offen. Die Hecktüren des Test-Sprinters öffnen 270 Grad weit.

Außerdem veredeln die halbhohe Seitenverkleidung, der Holzboden und die Trennwand den Kombi. Einzig die Nutzlast von 750 Kilo fällt angesichts des Ladevolumens etwas mager aus. Abhilfe schafft da ein 3,5tonner, den Mercedes als Pkw anbieten kann, weil der Sprinter bereits nach EG-Recht zugelassen ist.

Erster Test Mercedes Sprinter 212 D aus lastauto omnibus 4/1995
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