Türkischer Offroader: F-Line im Fahrbericht

Fahrbericht Ford Trucks F-Line 4145 D
Türkischer Offroader

Ford Trucks schickt nach dem F-Max den Modellbruder F-Line für schwere Verteiler- und Baueinsätze ins Rennen. Kann der robuste Vierachser mit Dreiseitenkippbrücke mit der Konkurrenz mithalten?

Türkischer Offroader
Foto: OWImedia

Heavy Metal auf unbefestigtem Boden? Das klingt nach Wacken, ist aber in unserem Test die Deutschland-Premiere des neuen Ford-Schwergewichts F-Line. Vier Jahre nach der erfolgreichen Markteinführung des Ford F-Max (1.000-Meilen-Test in FF 9/2025) schieben die Ford-Produktstrategen den F-Line als Ergänzung für den schweren Verteiler- und Baueinsatz hinterher.

Bei unserem Testkandidaten handelt es sich dabei um die geländetaugliche Variante als Vierachser mit 450 PS und automatisiertem 16-Gang-Getriebe, beides Komponenten, die auch im F-Max einen praxistauglichen Eindruck hinterließen. Damit sind die wichtigsten Gemeinsamkeiten mit dem Straßenmodell auch schon genannt, denn die Basis des F-Line fußt auf dem F-Max-Vorgänger Cargo.

Dessen für den nahöstlichen Einsatzbereich sehr robust aufgebautes Chassis wurde mit zahlreichen Komponenten und Assistenzsystemen auf den Stand der Dinge gebracht und mittels einer neuen Karosseriehaut durchaus ansehnlich eingekleidet. Alter Wein in neuen Schläuchen? Ganz so kann man es freilich nicht nennen, denn damit täte man dem von uns liebevoll gerufenen "Äfflein" wirklich unrecht. Denn der türkische Vierachser bemüht sich spürbar, in der Bau-Klasse nicht auf den letzten Bänken zu sitzen.

Weil wir das auch in der Praxis bestätigt haben wollen, schwingen wir uns ans Volant des Newcomers und eilen in die Ettengruber Kiesgrube in Schweitenkirchen. Auf der Waage attestiert Büroleiterin Elvira 14.340 Kilo für den vollgetankten, aber unbeladenen Vierachser. Damit liegt der F-Line durchaus noch auf Klassenniveau. Beim Rundgang um den Solo-Kipper erkennt man, dass es die Konstrukteure mit der Offroadfähigkeit ernst gemeint haben. Eine solide Rutschplatte unter der Ölwanne und der mit Stahlbügel geschützte Kühler verhindern teuren Feindkontakt im Gelände. Die sehr guten Böschungswinkel vorne und hinten, der kräftig dimensionierte Leiterrahmen und brauchbare Bodenfreiheit unter den vier Starrachsen qualifizieren den F-Line für den Einsatz abseits von Wegen.

In Punkto Federung mischt der Ford Bewährtes wie die zweilagige Parabelfeder vorne mit einer karbonfaserverstärkten Kunststofffederung an der Hinterhand, die mit rund drei Zentnern Gewichtsersparnis gegenüber einem herkömmlichen Stahlfederpaket zu Buche steht. Die neuartige CFK-Federung soll auch das Fahrverhalten positiv beeinflussen, was wir später ausgiebig testen werden. Jetzt schlägt erst einmal die Stunde von Radladerfahrer Simon, der uns routiniert gute 17 Tonnen Kies auf die Meiller-Brücke legt. Der F-Line zeigt sich davon kaum beeindruckt, schließlich kann es in seiner Heimat durchaus auch mal das Doppelte sein, das auf seinen stabilen Rücken gepackt wird. Wir bleiben mit unserem Testgewicht von 30,4 Tonnen brav im legalen Rahmen und starten auf die verwinkelte Landstraßenetappe.

Gutes Fahrverhalten trotz Testgewicht

Wie auch schon bei der Leerfahrt legt der Ford ein überraschend gutes Fahrverhalten auf die Piste. Kein Trampeln, kaum spürbare Stöße an der Lenkung, die dank elektrohydraulischer Unterstützung mit dynamischer Lenkkrafthilfe einen für einen Vierachser erstaunlich sauberen Strich über die Fahrbahn zieht. In den engen Kurven unsere Testetappe zeigt sich der F-Line recht wendig, wenn nicht sogar flink, wenn man das für einen 32-Tonner sagen darf. Kein Wunder, denn der 12,7 Liter große Ecotorq-Motor hinterlässt auch im Bruder F-Max einen überzeugenden Eindruck. Das Durchschnittstempo ist hoch, auch wenn das 16-Gang-Getriebe gerne mal einen Gang mehr mitschaltet, als es der durchzugsstarke Antrieb verlangt. Mit 450 PS und stämmigen 2.500 Newtonmeter Drehmoment braucht sich der Ford vor der arrivierten Konkurrenz also durchaus nicht zu verstecken.

Auch die Verbindungsetappe auf der Autobahn bringt keine Überraschung. Routiniert, als wäre er schon lang hier zuhause, schmurgelt der Vierachser mit Autobahntempo 85 km/h auf der rechten Spur. An der Entladestelle angekommen, können wir die Offroadtauglichkeit des F-Line ausprobieren. Mit seinem über zwei Meter langen Radstand zwischen den beiden Vorderachsen verfolgt der Ford ein ungewöhnliches Achskonfigurationskonzept, das sich abseits der Straße allerdings nicht negativ bemerkbar macht. Ganz im Gegenteil: Im weichen Kiesabbaubecken bremst die zweite Achse bei enger Kurvenfahrt bei weitem nicht so stark, wie es andere Vierachser gerne machen. Kleinere Anhöhen sind für den Ford kein Thema, die Traktion sorgt auch ohne gesetzte Sperren lange für guten Vortrieb. Beim Abkippen fällt der Blick auf die Pritsche wegen fehlendem Tritt an der Fahrerhausseite flach. Das ist schade, denn der Platz für eine Gitterstufe oberhalb des Außenstaufachs wäre da. Zweiter Kritikpunkt: die Anbringung der Kipphydrauliksteuerung links auf Gesäßhöhe des Fahrersitzes, die sowohl den Griff zur Aufstiegshilfe wie auch in die Türtasche erfolgreich verhindert.

Apropos Einstieg: Diese Disziplin gehört nicht zu den Paradeübungen im F-Line. Weil die vier Einstiegstufen durch die bauchigen Kotflügelausbuchtungen ganz vorne im Einstieg liegen und die Tür keine 90-Grad-Öffnungswinkel bietet, klettert man – ja, richtig – wie ein Äfflein in die F-Line-Kabine hoch. Dabei hängt man in den Seilen wie ein Seemann nach der zweiten Flasche Rum und poliert mit dem Beinkleid unfreiwillig gleich die Kotflügel auf Hochglanz.

Schuld an dem Trapezakt in 1,5 Meter Höhe ist die 2,2 Meter breite Kabine, die seitlich einfach zu viel Luft zum Aufstieg lässt. Der Innenraum der verlängerten Ford-Hütte geht aber für den Bau-Einsatz durchaus in Ordnung, auch wenn die massige Motorkiste kaum Platz für Ablagefächer übriglässt. Das schlichte, aber voll funktionale Lederlenkrad kann man nicht so weit verstellen wie beim F-Max, der Verstellbereich reicht aber für 90 Prozent aller Fahrerstaturen aus. Der Sitzkomfort auf dem Grammer-Gestühl geht in Ordnung, ebenso die Qualitätsanmutung von Armaturenbrett sowie den zahlreichen Schaltern und Hebel rund um den Fahrerplatz. Der Blick ins Instrumentenfeld erreicht analoge Anzeigen, heutzutage schon eine Seltenheit, was aber durchaus kein Manko darstellt. Den konventionellen Druckluft-Handbremsgriff oben im Armaturenbrett muss man dagegen bemängeln. Er wäre dort, wie die Kipphydraulik im Weg steht, besser aufgehoben, um im Notfall das Fahrzeug auch von außen zu stoppen. Fazit zum Lebensraum Fahrerhaus: Nicht premium, aber für den robusten Einsatz abseits der Straße absolut zu gebrauchen.

Nachdem der F-Line uns mit vorurteilsfreiem Herangehen angenehm überrascht hat, bleibt die Frage nach dem Kaufargument. Der F-Line ist voll ausgestattet und verfügt über alle gängigen Assistenzsysteme. 72 Händler- und Serviceunternehmen gewährleisten eine flächendeckende Betreuung. So könnte der F-Line der Konkurrenz durchaus Paroli bieten. Genaue Preisangaben gibt kein Hersteller mehr heraus, aber nur mit einem attraktiven Preisangebot hat der agile 8x4-Ford auf dem konservativen Baufahrzeugmarkt eine echte Chance, sich auf heimischen Baugeländen sesshaft zu machen.