Profiwissen Lenksystem: Alles über die vernetzte Lenkung

Profiwissen Lenksystem
Alles über die vernetzte Lenkung

Moderne Lenksysteme sorgen für Komfort, Sicherheit und Energieeffizienz. Ein Überblick über den Entwicklungsstand, elektrische Lenkungen und Steer-by-Wire-Systeme.

ZF Lenkung Grafik
Foto: ZF

Wohl jeder in der Lkw-Branche kennt den Werbespot von Volvo Trucks aus dem Jahr 2013: Jean Claude van Damme steht auf den Außenspiegeln zweier rückwärts fahrender Lkw und geht in den Spagat, um so die Präzision des damals neuen Dynamic-Steering-Systems unter Beweis zu stellen. Auch wenn man von der Lenkung nicht viel mehr als das Lenkrad sieht, hat sich seitdem einiges getan.

Siegfried Dejaco ist als CEO Steering Gear unter anderem verantwortlich für die Entwicklung von Lenkgetrieben im Lenkungsgeschäft von Thyssen-Krupp. Dort gestaltet er seit 2007 den Übergang von hydraulischen zu elektrischen Lenkungen. Neben bereits verfügbaren Funktionen wie einer geschwindigkeitsabhängigen Lenkunterstützung oder Seitenwindkompensation zeichnen sich weitere Trends ab. "Vor allem mehr Funktionalitäten für automatisiertes Fahren, Komfortfunktionen wie etwa Spurhalteassistent, Unwucht- und Straßenneigungskompensation oder auch individuelle Einstellungen der Lenkkraft sind gefragt. Auch automatische Rangierfunktionen für Lkw, die das Anfahren an die Rampe sicherer und schneller machen sollen, werden kommen." Schon heute gibt es in Pkw ähnliche Einparkfunktionen, bei denen die Bordelektronik mit der Lenkung vernetzt ist. Immer mehr Elektronik, Sensoren und Aktuatoren von anderen Subsystemen, zum Beispiel von Bremse und Stoßdämpfern, interagieren mit der Lenkung. "All das miteinander zu verknüpfen, ist hochkomplex und eine der größten Herausforderungen in modernen Fahrzeugen. Die Wechselwirkungen der unterschiedlichen Systeme gilt es zu beherrschen, damit es nicht zu Fehlfunktionen kommt", so Dejaco.

Rund 1.000 Softwareentwickler entwickeln sichere Lenksysteme bei Thyssen-Krupp

Mit ReAX EPS als weltweit erste elektromechanischen Lenkung für Nutzfahrzeuge verleiht ZF einer weitere Baugruppe Intelligenz und vereinfacht damit sowohl Elektrifizierung als auch die Automatisierung von Lkw und Bussen.
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With the ReAX EPS, the world’s first prototype for an electromechanical steering system for commercial vehicles, ZF has added yet another intelligent building block to the mix, thus simplifying the electrification and automation process of trucks and buses.
ZF Friedrichshafen AG
Prototyp einer elektrischen Lenkung von ZF aus dem Jahr 2018. Schon bald wird eine E-Lenkung auf den Markt kommen.

Rund 1.000 Softwareentwickler arbeiten bei Thyssen-Krupp daran, sichere Lenksysteme zu entwickeln. Bei all den technischen Möglichkeiten müsse jedoch immer das Kosten-Nutzen-Verhältnis beachtet werden. Während höhere System- und Entwicklungskosten im Pkw-Markt auf die weitaus höheren Stückzahlen umgelegt werden können, wird der Nutzfahrzeugmarkt nicht im größeren Stil wachsen – die Kosten pro Fahrzeug bleiben hoch. So auch bei elektrischen Lenkungen. Betrachtet man das Gesamtfunktionspaket der Lenkung inklusive der Servopumpen für die Lenkhydraulik, ist eine rein elektrische Lenkung für Pkw kaum teurer als eine elektrohydraulische. "Das hat aber primär mit den hohen Stückzahlen in der Automobilindustrie zu tun. Anfangs war hier die E-Lenkung nahezu doppelt so teuer", sagt Dejaco. In rund 70 Prozent aller Pkw werden heutzutage elektromechanische Lenkungen verbaut. In Nutzfahrzeugen mit hohen Zahnstangenkräften greift man nach wie vor auf elektrohydraulische oder rein hydraulische Systeme zurück.

Doch das wird sich ändern. 2018 präsentierte ZF mit der ReAX EPS den Prototyp einer rein elektrischen Lenkung für Nutzfahrzeuge; seitdem hörte man nichts mehr von dem Projekt. Hinter den Kulissen jedoch arbeitete ZF weiter an der "Revolution der Lenkung", wie Dan Williams sagt. "Wir sind noch in der Entwicklung, aber die elektrische Lenkung wird schon sehr bald auf den Markt kommen. Zunächst nicht in der Fläche, sondern nur in einigen Baureihen." Williams ist Direktor Fahrerassistenzsysteme und autonomes Fahren für Nutzfahrzeuge bei ZF in den USA. Mit seinem Team entwickelt er Fahrerassistenzfunktionen, die mit der Lenkung vernetzt sind. Interessant ist ein elektrisches Lenksystem vor allem im Hinblick auf künftige, noch strengere CO2-Grenzwerte. Die Hydraulikpumpe einer elektrohydraulischen Lenkung benötigt viel Energie, also Kraftstoff, der bei der Verbrennung CO2 verursacht. Elektrische Lenkungen bieten ein großes Kraftstoffeinsparpotenzial, auch wenn der kräftige Elektromotor der Lenkung ein Stromverbraucher ist, der Änderungen an der Fahrzeugelektrik nötig machen könnte. Durch 48-Volt-Bordnetze sind jedoch die Bedingungen für den Einsatz in neueren und künftigen Fahrzeugen bereits geschaffen.

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