Eigentlich ist der Busbetrieb Weinzierl in Köln ein ausgemachter Reisebusspezialist. Neoplan Starliner fuhren schon den Toyota-Formel-1-Rennstall, und ein neuer Skyliner bewegt die langen Jungs der Kölner Haie und anderer Sportklubs. Comfort- und Top-Class von Setra komplettieren den hochwertigen Fuhrpark von 28 Bussen des in den 60ern von Elmar Weinzierl, dem Vater des jetzigen Geschäftsführers Jürgen Weinzierl, gegründeten Unternehmens in Köln-Zollstock. Früher seien es vor allem kleine Reisegruppen und Reiseziele mit herausfordernder Straßenführung gewesen, die als Argumente für den Kauf eines Mini- oder Midibusses galten. "Heute ist auch noch das Klimaschutzargument dazugekommen.
Zweiter Blick lohnt sich
Mit dem ausgewachsenen Großbus wollen gerade kleine und mittlere Gruppen zunehmend ungern verreisen", so Weinzierl, der sich auf Verbandsebene mit dem Thema Umweltschutz beschäftigt. Er selbst betreibt derzeit vier Busse im Kleinformat, einer davon ist ein Mercedes Sprinter und einer ein Probus Maximo. Da lag es nahe, bei einem neuerlichen Bedarf wiederum bei den Spezialisten im pfälzischen Herxheim anzuklopfen, um nach dem größten Midibus zu fragen, der zu haben ist. Die bekannte Kleinbusschmiede ist mit Produkten der spanischen Indcar und des slowenischen Herstellers AS Domžale in dem interessanten Segment von 25 bis 35 Sitzen vertreten, an das der allgegenwärtige Sprinter kaum herankommt. Und herkömmliche Minibusse auf Van-Basis haben allesamt das gleiche Problem: geringe Innenbreite und homöopathischer Kofferraum. Eine Lösung für das Dilemma: ein Lkw-Chassis mit Frontmotor, auch wenn diese Kombination hierzulande ein deutliches "G’schmäckle" hat. Auch Weinzierl gibt unumwunden zu, die Entscheidung für das Lkw-Chassis sei eine "gewisse Herausforderung gewesen" und entspreche "nicht so ganz unserem Ansatz". Vor allem die Sitzplatzzahl von 27 in Verbindung mit großem Kofferraum und geräumiger Hecktoilette gab demnach den Ausschlag. Zudem ist ein zulässiges Gesamtgewicht von deutlich über sieben Tonnen nötig, um das Konzept zu realisieren. Beim Probus R/XL sind es stolze 10,2 Tonnen. Das bedeutet bei einem Leergewicht von 7,5 Tonnen eine Zuladung von 92 Kilogramm pro Person bei üppigem Viersterneabstand und Toilette und immer noch 72 Kilogramm bei Vollbestuhlung mit 35 + 1 + 1 Sitzen. Das ist ein Wort!
Also sehen wir uns den Neuzugang, der erstmals auf der Bus2Bus in Berlin gezeigt wurde, etwas näher an. Bis auf die weit überstehenden Radhäuser mit kleinen Reifen im Wohnmobilstil ist dem Probus R/XL seine robuste Bauart nicht unbedingt anzusehen. Eine moderne, windschlüpfrige Front im erkennbaren Iveco-Design, klar gezeichnete Seitenwände und ein gefälliges Heck lassen den Midi auf den ersten Blick in einer höheren Klasse angesiedelt erscheinen als Minibusse herkömmlicher Machart. Dabei haben die Konstrukteure eine große Bodenhöhe realisiert, um den unschönen Motoraufbau neben dem Fahrer weitgehend zu vermeiden, zudem ist ein sehr breiter und gut begehbarer Einstieg vorn gelungen. Wie nebenbei ergeben sich so seitlich noch große Staufächer, die auf die bis zu sechs Kubikmeter Kofferraum vor allem im Heck einzahlen. Das reicht fast an einen kurzen Setra S 511 HD heran, der allerdings rund einen halben Meter und preislich rund 100.000 Euro höher baut. Mit einem Radstand von 5,17 Metern ist der Probus allerdings nicht ganz so wendig wie der Neu-Ulmer, der sich mit rekordverdächtigen 17,5 Meter Wendekreis begnügt. Gegenüber der Hecknottür des Probus ist eine Hecktoilette verbaut, die eine ausreichende Stehhöhe von 1,80 Metern bietet; das sind 20 Zentimeter weniger als im Bus generell.

Viel Bus für wenig Geld
Auch sonst gibt sich der Innenraum luftig und komfortabel. Dank der üppigen Innenbreite von 2,33 Metern (beim alten Mercedes Sprinter Travel 65 sind es nur 1,85 Meter) bleibt neben den ausreichend komfortablen Sitzen des Typs Sege 4030X mit vorn extrem stark nachgebendem Sitzkissen noch ein breiter Mittelgang von bis zu 42 Zentimetern übrig. Ob die 17 Zentimeter hohen Podeste nun praktisch sind oder nicht, ist auch im Probus eine Frage der Philosophie. Wir allerdings würden es so oder so begrüßen, wenn sie genauso perfekt indirekt mit LED-Leuchten illuminiert wären wie die Einstiegsstufen vorn. Alles in allem geht die Verarbeitungsqualität des Interieurs bei einigen kleinen Mängeln durchaus in Ordnung. Bei einem sehr attraktiven Preis von rund 185.000 Euro mit Automatikgetriebe darf man keine Premiumqualität erwarten. Und was erwartet den Fahrer? Erst einmal ein großzügiger Arbeitsplatz mit einer üppigen Panoramascheibe (1,60 Meter Höhe) und Kaffeemaschine in Reichweite direkt vor dem ebenfalls verfügbaren Kühlschrank nebst Würstchensieder – andere Küchenvariationen sind möglich. Auch für einen Begleitersitz ist ausreichend Platz eingeplant, auch wenn es an Ablageflächen fehlt. Ein paar Schrulligkeiten lassen sich bei dem hierzulande eher unüblichen Konzept aber nicht vermeiden. So stört die teilweise unübersichtliche Anbringung vieler Bedienelemente, zudem ist das Fahrerfenster weit hinten platziert und schlecht zu bedienen. Die Reisebus-Außenspiegel wirken zudem fremd an den B-Säulen, tun aber ihren Dienst – wenn auch recht große tote Winkel verbleiben. Da ergibt es durchaus Sinn, wenn der Kunde die Ausstattung mit geregeltem ACC und Notbremsassistenten um ein Mobileye-Shield+-System erweitert, wie es MAN derzeit flächendeckend einführt.
Beim Fahreindruck will sich erst mal wenig Busfeeling einstellen. Zwar ist Luftfederung vorn und hinten Serie, aber die grundlegende Parabelfederung mit Einblattfeder vermittelt eine wenig komfortable Basis. Auch die robuste Starrachse vorn trägt zu diesem spröden Eindruck bei, an den man sich aber gewöhnt. Eher zum Abgewöhnen für einen eingefleischten Busfahrer sind dagegen die intensiven Motorgeräusche des Iveco-6,7-Liter-Sechszylinders mit 220 PS sowie 800 Nm an maximalem Drehmoment. Im Cockpit sind im Fahrbetrieb bei 100 km/h denn auch rund 75 Dezibel keine Seltenheit. Unter Volllast dürfen es auch mal 80 sein – und im Heck geht es nicht wesentlich leiser zu. Neben einer leichten Anfahrschwäche gibt sich der Diesel aber doch durchzugskräftig und ist mit dem Sechsgangautomaten gut abgestimmt. Der Verbrauch von 19 Litern leer bis zu 21 Litern im Einsatz kann als angemessen, wenn auch nicht herausragend gelten. Das in Deutschland eher exotische Midibuskonzept ergibt am Ende also durchaus Sinn, bekommt man so doch viel Bus für wenig Geld und mit wenig Abstrichen für den Fahrgast. Und ein paar Lkw-Gene unter dem Sitz haben noch keinen Busfahrer um seine Berufsehre gebracht.