Powerplay in der Grube

Der Volvo FMX Electric im Test
Powerplay in der Grube

Mit dem FMX Electric bringt Volvo Trucks den E-Antrieb auch abseits der Straße zum Einsatz. Kommt der schwere Dreiachser mit dem Elektroantrieb auch auf grobem Geläuf über Stock und Stein gut zurecht?

volvo, fmx
Foto: Owimedia

Volvo Trucks kann Diesel und elektrisch, das haben die Schweden sattsam bewiesen und treten nach dem erfolgreichen Debüt im Langstreckeneinsatz jetzt auch in der Baugrube emissionsfrei an.

Der schwere FMX-Dreiachser stellt dabei quasi die Speerspitze dar, um sich in die meist konservativen Herzen der Bauunternehmer hinein zu fahren. Flüsterleise wie seine Straßenkollegen und mit einer üppigen Leistung von 490 kW oder 666 PS gesegnet, spielt der Dreiachser in der Baugrube mit den Muskeln und fordert damit fast seinen dieselgetriebenen Radlader-Markenkollegen zum Kräftemessen heraus.

Wer Elektro fährt, weiß um die stürmisch-starke Kraftentfaltung, zu der der 600-Volt-Antrieb imstande ist. Untermalt von einem leisen Surren und dem Knirschen der Reifen auf dem Kiesboden spurtet der elegante FMX zum Beladeplatz, wo Radladerfahrer Simon mit gefüllter Schaufel bereitsteht. Eineinhalb Ladungen in die Meiller-Trigenius-Kippmulde später steht der Dreiachser bei Büroleiterin Elvira auf der Waage. Sie wettert erst gegen Elektro-Fahrzeugen, attestiert dem FMX aber dann stolze 28 Tonnen Gesamtgewicht. Zwei Tonnen Extrazuladung erlaubt der Gesetzgeber, um das Mehrgewicht der Elektrotechnik zumindest teilweise zu kompensieren. Denn leer bringt der Elektro-FMX mit seinen fünf Batteriepaketen und einem wohlgenährten Fahrer stolze 15.380 Kilo auf die Waage – fast so viel wie ein dieselgetriebener Vierachser aus gleichem Hause.

Bleiben mithin knappe 13 Tonnen Zuladung für den Soloeinsatz, mit dem wir zuerst auf Tour gehen. Gesegnet mit dem maximalen Drehmoment von 2.400 Newtonmeter bereits beim Anfahren, hat der Solist naturgemäß leichtes Spiel, um zügig im Straßenverkehr mitzuhalten. Flüsterleise surrt er durch die Landschaft, bis bei etwa 60 km/h vor allem die Abrollgeräusche der Baustellenbereifung die akustische Regie übernehmen. Windgeräusche sind bei leicht erhöhtem Landstraßentempo kaum zu hören, das geht auch auf das Konto der Kamera-Spiegel, mit denen der FMX technisch auf der Höhe der Zeit daherkommt. Der Rückblick in die beiden Displays an den A-Säulen ist tadellos, Anzeigeschärfe und Abstandserkennung dank der individuell zu setzenden Hilfslinien funktionieren prima. Umso mehr ist es bedauerlich, dass man auch bei Volvo nicht auf den konventionellen Front- und Rampenspiegel zugunsten einer Kamera verzichten mag.

Das soll uns am Steuer des FMX nicht weiter ärgern, die rundum souveräne Motorleistung erzieht seinen Fahrer schnell zu einem geschmeidig-sanften Ausspielen der Leistung, ohne in den Spitzenverbrauchsbereich zu geraten. Dank einstellbarer One-Pedal-Steuerung übernimmt der E-Antrieb auch die Verzögerung, wobei eingebremste Bewegungsenergie per Rekuperation zurück in die Energiespeicher fließt und damit die Reichweite erhöht.

So eignet man sich auf der Straße innerhalb von einer knappen Stunde Fahrt einen ganz anderen Fahrstil als im Diesel an, ohne nur einen km/h langsamer unterwegs zu sein. Nachdem der aus drei Motoren zusammengesetzte E-Antrieb mit maximal 390 kW Bremsleistung zur Verfügung steht, spielen die sechs Vollscheibenbremsen bei normaler Fahrt nur noch eine Reservistenrolle, die für die letzten Meter an der Ampel genutzt wird.

Offroadqualitäten des Volvo FMX

Beim Abladeplatz angekommen ist es Zeit, die Offroadqualitäten ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Dank des frei im Antriebsstrang verbauten E-Motorentrios sind zwei konventionell angetriebene Achsen möglich, die bei Bedarf per Differenzialsperre zu maximaler Traktion motiviert werden. Solo hält den beladenen 6x4 keine normale Baugrubensteigung auf. Mit kurzem ASR-Rucken an den Rädern überspielt die Regelelektronik souverän jeden Durchdrehversuch der Antriebsräder. Kurz – auch offroad kann der E-Antrieb ohne die geringsten Abstriche in puncto Leistung oder Geländetauglichkeit punkten. Beim Abkippen über die Trigenius-Brücke übernimmt die mechanische Nebenabtriebspumpe am Getriebeausgang die Hubarbeit für die Kippbrücke.

Apropos Getriebe: im FMX Electric kommt das bekannte zwölfstufige I-Shift-Getriebe zum Einsatz, bei dem unter normalen Einsatz die Gänge von 7 bis 12 geschaltet werden, um die Höchstdrehzahl des E-Motors in den verschleißfreundlichen Regionen zu halten.

Zurück auf der Straße – diesmal als vollwertiger 40-Tonnen-Zug mit einem Schwarzmüller-Zentralachser im Schlepp – kann man zwischen drei Fahrprogrammen wählen. Range ist der Sparbetrieb mit Reichweitenverlängerung und auf 80 km/h limitiert. Im Standardprogramm ist man am besten aufgehoben, das nur bei Kickdown oder manuellem Umschalten in das leistungsbetonte Power-Programm wechselt. Mit fünf Batteriepaketen an Bord kommt man bis zu einem Ladestopp rund 250 km weit. Ansonsten kann man beim Kollegen Kranführer in der Mittagspause um eine Stromspende am Baustrom bitten. In der Regel sollte die Stromkapazität aber gut für einen Tageseinsatz ausreichen.

Jetzt auf der Schnellstraße zeigt sich der Bauzug in seinem Komfort-Element: Die Bau-Vollluftfederung des FMX ist sanft und gleichzeitig straff genug, um den Zug flott durch die Kurven zu ziehen. Das durch die jeweils 500 Kilo schweren Batterien verursachte tiefliegende Mehrgewicht auf der Vorderachse kann man auch als satte Straßenlage bezeichnen. Die passgenau auf das Fahrzeug abgestimmte Lenkung hat den Lkw zusammen mit der, wegen der höheren Achslasten, serienmäßigen Vollluftfederung souverän im Griff. Die von zart bis hart individuell einstellbare Volvo-Lenkung trägt ihren Teil zum insgesamt makellosen Fahrverhalten bei. Und im Fahrerhaus gibt es auch mit Elektroantrieb keine Abstriche an den im FMX bereits mehrfach erfahrenen Qualitäten: Solides schwedisches Innenraumdesign, nicht zu viel Elektronik-Gimmicks und durchdachte Details wie die Ablagen für Baustellenkleidung, die wertige Lederausstattung oder die obligate Druckluftpistole im Kabineninnenraum. Überdies lässt sich auch der E-FMX mit einem Feuerwerk hochwertiger Assistenzsystemen ausstatten.

So steigt man auch nach einem vollen Baustellentag entspannt aus dem Elektro-FMX aus. Er kann genauso wie seine Diesel-Brüder in der Grube punkten. Bei der Leistung gibt es ebenso wenig Abstriche wie beim Fahrverhalten – ganz im Gegenteil: hier ist der FMX Electric vielen Kollegen sogar ein Stück weit voraus. Das trifft aber leider auch auf den Preis zu, der weit jenseits jedes Diesel-Discounts rangiert. Hier hilft nur das fromme Hoffen auf wiederkehrende Subventionierung oder ein langfristiges Sinken der Elektro-Preise, damit man künftig flott elektrisch in die Grube fahren kann.