Wir machen Einsatzanalysen für unsere Kunden und sehen: Das Thema TCO funktioniert, wenn wir in Richtung BEV umschalten. Wir sehen etwa 2025 als Startpunkt, wo das Ganze hochlaufen wird. Dann sind wir in der Lage, ein gesamtheitliches Konzept aus fernverkehrstauglichen Fahrzeugen inklusive Megawatt-Charging anzubieten. Der Standard ist weitgehend definiert, und bis zur Mitte der Dekade werden die Ladesäulenhersteller fertige Produkte haben und in größeren Stückzahlen liefern können.
Im Mai haben wir verkündet, dass wir in den kommenden Jahren am Standort Nürnberg rund 100 Millionen Euro investieren, um ein Werk für Hochvolt-Batterien für E-Lkw und ‑Busse aufzubauen. Die Zellen beziehen wir derzeit von CATL. Gleichzeitig bauen wir in München ein innovatives Produktionssystem auf. MAN wird am gleichen Band alle Lkw-Varianten fertigen – BEV ebenso wie konventionelle. Wir können die Mengen sehr flexibel steuern, je nachdem, wie der Bedarf hochfährt.
Wir beobachten, dass die Nachfrage weiter wächst. Der Trend zur Elektrifizierung ist nicht zu stoppen. Wir haben dafür auch zwei gesetzliche Treiber: Die EU wird die CO2-Belastung durch Transport und Logistik in das Emissionshandelssystem aufnehmen. Dann wird Produzenten eine CO2-Abgabe auferlegt, sofern sie ihre Produkte, inklusive notwendiger Transporte, nicht CO2-neutral gefertigt haben.

Und man kann davon ausgehen, dass jedes Produkt mindestens zweimal auf dem Lkw war – einmal als Rohstoff, einmal als Fertigprodukt. Ein weiterer großer Hebel des Gesetzgebers: Auch wir sind gezwungen, unseren CO2-Ausstoß erheblich zu reduzieren – um 15 Prozent bis 2025, gegenüber 2019, und um 30 Prozent bis 2030. Das ist nur noch machbar mit BEV.
Der Strompreis in Deutschland ist aktuell sehr hoch. Woanders, zum Beispiel in Schweden, Norwegen oder Spanien ist das anders, dort gelten andere gesetzliche Rahmenbedingungen. Wir sollten daher auch nach Europa schauen und unsere Preismechanismen dringend anpassen. Aktuell ist der Preis für die kWh Strom abhängig vom sehr hohen Preis für fossiles Gas. Das wird von der Politik ja nun zurecht hinterfragt und soll geändert werden. Diese Preisbildung wird der Produktion des Stroms auch nicht gerecht: Denn die Hälfte des Stroms in Deutschland wird bereits regenerativ produziert, das ist sehr positiv.
Nein, unsere Kunden interessieren sich sehr stark für die E-Mobilität. Wir gehen mit ihnen in die Analyse, um auszuloten, wo der Fuhrpark schon umgestellt werden kann, abhängig von den verschiedenen Transportaufgaben. Das ist anspruchsvoll, weil jeder Kunde unterschiedliche Anforderungen und Touren hat. Die Umstellung erfolgt Schritt für Schritt in Richtung Zero Emission, immer einhergehend mit sehr intensiver Beratung. Wir können für unsere Kunden die Routen sehr genau kalkulieren und auch schon den Bedarf an Megawatt-Ladestationen prüfen. Parallel investieren wir selbst: Über die Traton-Gruppe werden wir mit Daimler Truck und Volvo Trucks in den nächsten Jahren ein Netz aus Hochleistungs-Ladepunkten, bestehend aus 1.700 Stationen, in Europa aufbauen.
Im Laufe des nächsten Jahres möchten wir erste Teststationen bei uns in München, in Ankara als auch bei unserer Schwesterfirma Scania in Södertälje im Test haben. Ab 2024 werden wir diese leistungsfähigen Ladestationen dann auch im öffentlichen Straßennetz erleben.
Sie sind beim Thema Elektromobilität der „Missing Link“ – also das letzte fehlende Glied in der Kette. Die Traton-Gruppe investiert hier eine Menge, doch auch die Politik muss hier ihre Hausaufgaben machen. Denn um Graben baggern zu können und Kabel zu legen, wird der richtige gesetzliche Rahmen für die Versorger benötigt. Die Elektromobilität bietet riesige Potenziale beim Erreichen der Klimaziele: Mit knapp einem Drittel der in Deutschland produzierten Windkraft können wir den gesamten Transport in Europa elektrifizieren. Dafür benötigen wir etwa 33 Terrawattstunden – und die geeignete Infrastruktur, um den Ökostrom im Lkw zu nutzen.
2024 sollen die ersten Fahrzeuge an unsere Kunden ausgeliefert werden. Ebenso werden wir Fahrzeuge in unserer eigenen Logistik einsetzen. Auch MAN will hierbei schnellstmöglich Grün werden.
Wir wollen alle Einsatzkategorien abdecken. Deshalb: Ja, auch unsere Verteiler-BEV mit 18 oder 19 Tonnen und darüber werden einen Relaunch erfahren.
Hier bitte ich noch um etwas Geduld, das werden wir zu gegebener Zeit kommunizieren.
Die Fahrzeuge haben sich in ihren Transportaufgaben bewährt. Wir haben in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich und Spanien sowie Dänemark und Norwegen insgesamt rund 60 Elektro-Verteiler im Einsatz. Sie haben seit ihrem Start 1,5 Millionen Kilometer absolviert.
Zur Person
- Alexander Vlaskamp, Jahrgang 1971, ist seit November 2021 Vorstandsvorsitzender von MAN Truck & Bus. Zusätzlich wurde er in den Vorstand von Traton berufen.
- Er schloss 1995 mit einem Bachelor in Fahrzeugtechnik ab, bevor er 1997 seine Karriere bei Scania startete. Seine erste Station führte ihn als Manager Pre-Sales in die deutsche Landesgesellschaft. Seitdem hatte er mehrere Führungsfunktionen inne, unter anderem als Geschäftsführer der deutschen und österreichischen Landesgesellschaft.