Jochen Dimter, Leiter Mercedes-Benz Vans Vertrieb Deutschland im Interview: Angebot erweitern und flexibilisieren

Jochen Dimter, Leiter Mercedes-Benz Vans Vertrieb Deutschland im Interview
Angebot erweitern und flexibilisieren

Im Interview spricht Jochen Dimter über den Wandel der Marke, die strategische Zukunftsinitiative adVANce und das Autohaus der Zukunft.

Angebot erweitern und flexibilisieren
Foto: Daimler
Welche neuen Vertriebswege geht Daimler in der Van-Sparte an?

Wir sind mittlerweile kein reiner Fahrzeughersteller mehr, sondern sehen uns vielmehr als Anbieter von Mobilitätslösungen. Wir bieten dem Kunden also mehr, als nur das bloße Fahrzeug. Zum Beispiel bei der kurzfristigen Abdeckung von Auftragsspitzen durch Fahrzeugmiete. Mit Charterway bedienen wir den Anspruch im Mietgeschäft für Nutzfahrzeuge schon seit einiger Zeit. Künftig wird es aber nicht mehr reichen, zum Beispiel einen Kastenwagen einfach nur in Standard-Spezifikation vorzuhalten. Darum verfolgen wir mit unserem neuen Angebot Mercedes-Benz Van Rental einen neuen Ansatz: Um den individuellen Kundenanforderungen gerecht zu werden, müssen wir unser Angebot erweitern und flexibilisieren. Wir reden hier also von gezielten Branchenlösungen, die wir am besten mit einem spezialisierten Mietangebot für Transporter umsetzen können. Neben der Vielfalt an maßgeschneiderten Lösungen können wir bei Mercedes-Benz Van Rental auch deutlich flexibler agieren, was die Mietdauer betrifft. Von der tageweisen bis zur Langzeitmiete kann der Kunde damit also entweder gezielt Spitzen abfangen oder seine Flotte langfristig aufstocken.

Mit der strategischen Zukunftsinitiative adVANce emanzipiert sich Daimler also vom bloßen Fahrzeugproduzenten zum Anbieter von Mobilitätslösungen. Welche Bausteine der neuen Strategie sind bereits verfügbar? 

adVANce setzt sich aus fünf Bausteinen zusammen: Rental, eDrive, Digital, Sharing und Solutions@vans.

Im Bereich rental@vans sind wir ja bereits seit einer Weile aktiv. Im Fokus der Elektro-Strategie steht in diesem Jahr die Einführung des eVito und 2019 der Start des eSprinter . Letztlich wird es aber alle unsere gewerblichen Transporterbaureihen – also auch den Citan - mit Elektroantrieb geben. Der Baustein Sharing@Vans beinhaltet neue Konzepte beim öffentlichen Personentransport, die ebenfalls in den Startlöchern stehen und ab 2018 anlaufen - zum Beispiel die Kooperation von ViaVan mit der Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) im Bereich on-demand Ridesharing in Ergänzung zum Öffentlichen Nahverkehr. Die Sparte solutions@vans umfasst Hardware-Lösungen, die den Kunden das Leben leichter machen sollen. Dazu zählen beispielsweise individuelle Lösungen für Paket-Dienstleister sowie Unternehmen aus der e-grocery-Branche.

digital@vans ist mit Mercedes Pro ebenfalls schon jetzt verfügbar. Dank eines kleinen Adapters, den sich jeder Nutzer kostenfrei im Autohaus holen kann, können wir seit September 2016 sogar ältere Fahrzeuge mit den kostenlosen Basisdiensten versorgen. Der neue Sprinter wird ein solches Modul fest verbaut und serienmäßig an Bord haben. Er wird als erstes Serienfahrzeug im Van-Bereich die Digitalisierung in seiner DNA tragen. In der App oder auf dem Bildschirm des Flottenchefs sind die Daten der einzelnen Dienste abrufbar.

Welche Dienste sind das?

Zum Start bieten wir fünf kostenfreie Dienste an: Fahrzeugstatus, Fahrzeuglogistik, Flottenkommunikation, Wartungs- und Unfallmanagement sowie ein digitales Fahrtenbuch.

Wie reagieren die Kunden auf die neuen Dienste? Welche Funktionen werden aktuell am meisten genutzt?

Die Resonanz ist durchweg positiv. Am meisten nutzen die Kunden bislang die Wartungsdiagnose und das elektronische Fahrtenbuch. 

Wie verknüpfen Sie dabei den Fahrer noch stärker mit der Zentrale? 

Durch die Vernetzung lässt sich der Fuhrpark flexibler nutzen. Zum Beispiel können Routen bei Bedarf ohne großen Aufwand an aktuelle Situationen angepasst werden, zum Beispiel falls ein Fahrzeug ausfallen sollte oder es Verzögerungen gibt. Die Zentrale behält den Überblick über die verschiedenen Fahrzeuge und Fahrer. Auch die Verwaltung des Fuhrparks vereinfacht sich durch das automatische Wartungsmanagement. Das elektronische Fahrtenbuch hilft in den Fuhrparks, den Überblick zu behalten. Das Smartphone dient dabei als eine Art Fahrerkarte. Mehrere Mitarbeiter können sich damit ohne Mühe eindeutig als der aktuelle Fahrer identifizieren. Zumindest dieses Stückchen Papierkram entfällt also.

Gibt es im Zuge der Elektrifizierung der Transporterbaureihen neue Vertriebsansätze oder Einsatzbereiche, ähnlich wie beispielsweise die Sammeltaxis, die VW auf e-Crafter-Basis in Hamburg etablieren will?

Ab Frühjahr 2018 wollen wir zusammen mit den Berliner Verkehrsbetrieben das On-Demand-Ridesharing nach Berlin bringen. Unser Joint-Venture ViaVan mit dem Ridesharing-Anbieter Via wird dort zunächst 50 Fahrzeuge einsetzen. Geplant sind längerfristig bis zu 300 Autos, selbstverständlich gehören dann auch unsere elektrisch angetriebenen Vans dazu, die nach ihrer Markteinführung auch in diesen Service integriert werden. Zum Start setzt sich die Flotte aus Fahrzeugen der Baureihen Vito und V-Klasse sowie elektrisch angetriebenen B-Klassen zusammen. Fahrgäste können sich unkompliziert per App kurzfristig ein Fahrzeug zu einem ausgewählten Zustiegspunkt rufen. Ein Großteil der BVG-Haltestellen sowie viele weitere virtuelle Haltepunkte, zum Beispiel an Kreuzungen, werden in das virtuelle Haltestellennetz des neuen On-Demand Shuttle-Service integriert. Der Clou ist der zugrundeliegende Algorithmus, der automatisch erkennt ob der Reisewunsch des Kunden auf oder in der unmittelbaren Nähe der Strecke eines fahrenden Shuttles liegt und diesen dann so abändert, dass der Kunde mit aufgenommen wird. Die Kosten für das Angebot werden zwischen den normalen Nahverkehrs-Preisen und dem Taxipreis liegen. 

Wie bei konventionellen Transportern, umfassen unsere Aufgaben auch beim Elektro-Kunden mehr, als nur das Auto auf den Hof zu stellen. Darum bieten wir neben den Fahrzeugen zum Beispiel ein spezielles Beratungsangebot an. Per App kann der Kunde ermitteln, ob sich bei seinem Fahrprofil ein Elektroauto als Alternative anbietet. Außerdem unterstützen wir bei Fragen nach der Ladeinfrastruktur und prüfen beispielsweise ob der Energieversorger überhaupt den nötigen Strom zur Verfügung stellen kann. Wir lassen unsere Kunden mit diesem Thema nicht alleine, sondern begleiten ihn beratend und unterstützend im Elektromobilitäts-Ökosystem. 

Grundsätzlich sind natürlich unheimlich viele Einsatzbereiche denkbar. Aber am Ende muss der Kunde entscheiden, was er braucht. Daimler kann liefern. 

Welche Rolle spielt im Transporter künftig das "Internet of Things"?

Bislang konzentrierte sich die Konnektivität vor allem auf die fahrende Einheit– Antrieb, Fahrer, Navigation und so weiter. Der Laderaum hinter der B-Säule war jedoch einfach nur ein unvernetzter "Kasten". In Zukunft binden wir auch diesen Bereich mit ein. Er wird also auch aus digitaler Sicht ein vollwertiger Teil des Transporters. So lässt sich die Art und Weise wie Pakete oder sonstige Ladung eingeladen und entnommen werden, mit spannenden Lösungen weiterentwickeln. Seit vielen Jahrzehnten macht der Fahrer einfach seine Tür auf, sucht die Ladung und geht damit zum Empfänger. Neue digitale Konzepte werden ihn dabei bald tatkräftig unterstützten, reichen ihm beispielsweise schon die passende Lieferung zur Tür. Dank seiner Anbindung an das Internet of Things „weiß“ der Laderaum zukünftig, dass das Fahrzeug gerade vor der Tür von Frau Müller steht und welches Päckchen sie bestellt hat. 

Bei so viel Zukunftsmusik in den Fahrzeugen muss doch auch der Handel Schritt halten. Welchem Ansatz folgen die Nutzfahrzeug-Stützpunkte von Daimler in Zukunft? Kaufe ich mein Nutzfahrzeug irgendwann im Internet?

Unsere Idee vom Autohaus der Zukunft widmet sich vor allem dem für den Kunden möglichst komfortablen Zusammenspiel mit seinem Nutzfahrzeugzentrum. Das schließt eine reibungslose Digital Customer Journey mit ein. So kann er beispielsweise seinenServicetermin nicht mehr nur per Telefon ausmachen, sondern sich online ganz einfach einen passenden Termin aussuchen und ihn direkt buchen. Auch der Showroom soll digitaler werden, weg vom Papier und letztlich weg vom Prospekt.

Mit unseren Van ProCentern haben wir in den letzten Jahren nahezu flächendeckend ein leistungsfähiges und auf Transporter spezialisiertes Netz an Standorten aufgebaut. Im nächsten Schritt wollen wir einige ausgewählte Nutzfahrzeugzentren zu Van Performance Centern weiterentwickeln. Dort findet der Kunde alles unter einem (großen) Dach: Verkauf von gewerblichen und privat genutzten Transportern bzw. Vans, die adVANce-Produktpalette und den Bereich After Sales. Die Center sollen vor allem in großen Ballungsgebieten entstehen. Erste Stützpunkte wollen wir bereits 2018 aufbauen.

Wie wirkt sich die Digitalstrategie auf den Fokus der Autohäuser aus?

Der Fokus verschiebt sich allein schon deshalb, weil wir neben den Fahrzeugen immer mehr neue Produktelemente verkaufen und zahlreiche ergänzende Dienstleistungen anbieten. Natürlich wollen wir dem Kunden unsere neuen Konnektivitäts-Dienste näher bringen. Daraus erwachsen auch bei ihm neue Ansprüche. Wir schüren da eine gewisse Erwartungshaltung. Auch der Handel geht mehr und mehr mit digitalen Medien um. Dazu haben wir einige Neuerungen im Serviceablauf entwickelt und noch ein paar Ideen in der Hinterhand.

Was sind diese Neuerungen?

Das fängt an bei unserer Vanseller-App. Damit unterstützen wir die Verkäufer bei ihren Kundengesprächen direkt am Fahrzeug oder im Außendienst. In der App können sie den gewünschten Transporter vor den Augen des Kunden konfigurieren und ihm auf Wunsch auch gleich das passende Finanzierungskonzept an die Hand geben. Die App macht es beiden Seiten einfacher, sich zum Beispiel verschiedene Ausstattungen vorzustellen. 

Tablets kommen aber auch bei der digitalen Fahrzeugannahme zum Einsatz. Das Tablet ist beim Rundgang um das Fahrzeug während der Bestandsaufnahme mit dabei.

Zusatzwünsche oder weitere Zusatzarbeiten wie beispielsweise ein beschädigter Reifen nimmt der Serviceberater direkt in die digitale Auftragsmappe mit auf. Gleichzeitig kann er mit der eingebauten Kamera beispielsweise Kratzer festhalten. Die Fotos wandern in die Akte und lassen sich nachträglich wieder abrufen. Die Aufnahme geht so also deutlich flotter vonstatten, da der Mitarbeiter die festgehaltenen Punkte nicht erst übertragen muss. Einzig die Unterschrift des Kunden muss zum jetzigen Zeitpunkt noch auf Papier erfolgen. Das wird sich aber hoffentlich in Zukunft ändern.

Gibt es weitere Bausteine, mit denen das Autohaus der Zukunft einmal aufwarten wird?

Im Moment arbeiten wir in einem Pilotprojekt am sogenannten Visible Workshop – quasi die gläserne Werkstatt. Damit wollen wir noch mehr Transparenz für die Kunden bieten, gleichzeitig aber den Werkstattaufenthalt möglichst effizient gestalten. Der Ablauf ist relativ simpel: im Prinzip handelt es sich um eine videounterstützte Bestandsaufnahme des Fahrzeugzustands. Erkennt der Techniker in der Werkstatt weiteren Reparaturbedarf, sei es eine Schraube im Reifen oder eine tropfende Ölwanne, hält er dies im Video fest und lässt es dem Kunden zukommen. So sieht der Kunde also direkt, was warum zu tun ist und kann sich ein eigenes Urteil bilden. Die Info inklusive eines Links zum Video erhält der Kunde per Email und muss dann entscheiden, ob die Werkstatt die Zusatzarbeit erledigen soll oder nicht. Das ganze kostet für den Kunden nichts. Denn letztlich verringert das Video den Aufwand für die Werkstatt und steigert die Effizienz. Schon heute weisen die Techniker den Kunden auf solche Dinge hin. Allerdings läuft aktuell die Kommunikation noch deutlich ineffizienter: Der Techniker erklärt dem Serviceberater den Fehler. Dieser muss dem Kunden im schlimmsten Falle lange hinterhertelefonieren und ihm dann wiederum erklären, warum der Werkstattaufenthalt länger dauern oder teurer werden könnte als bei der Erstaufnahme geplant. Das Video hilft da ungemein. 

Ab Frühjahr 2018 rollen wir diesen Baustein Stück für Stück aus. Vorher gibt es natürlich noch einigen Schulungsbedarf. Die zugehörige App ist kein Problem. Die ist sehr einfach programmiert. Aber nicht jeder redet gerne vor der Kamera. Und auch der richtige Aufbau des Service-Videos muss geprobt werden.

Zur Person

Seit Januar 2015 verantwortet Jochen Dimter (55) beim Mercedes-Benz Vertrieb Deutschland die Van-Sparte. Dimter ist seit 1987, direkt nach seinem Betriebswirtschaftsstudium, im Daimler-Konzern tätig. Neben einigen Stationen im Vertrieb Deutschland, u.a. auch als Leiter der Mercedes-Benz Niederlassung Aachen, kann er auch auf 11 international geprägte Arbeitsjahre bei Daimler Financial Services zurückschauen. Im Interview spricht er über den Wandel der Marke, die strategische Zukunftsinitiative adVANce und das Autohaus der Zukunft.