Interview Wolfgang Kraus, Ex MAN Designleiter: Junge Designer müssen sich austoben können

Interview Wolfgang Kraus, Ex MAN Designleiter
Junge Designer müssen sich austoben können

Professor Wolfgang Kraus hat in den 80er Jahren das MAN Design professionalisiert und in eine eigene Abteilung verwandelt. Wir blicken gemeinsam mit ihm zurück auf seine Affinität zum Thema Bus, und auf seine aktuelle Lehrtätigkeit an der TU München. Und ein wenig auf die neuen Entwürfe seiner Nachfolger bei der MAN.

Junge Designer müssen sich austoben können
Foto: Thorsten Wagner
Wie ist es, auf ein Leben als Nutzfahrzeugdesigner zurückzublicken? Sehen Sie deutliche Unterschiede in Sachen Truck und Bus?

Kraus: Ich habe mit 29 Jahren schon Fahrzeuge auf der Straße gehabt, das war mir damals gar nicht so bewusst, es hat sich einfach so ergeben. Heute denke ich aber nicht mehr daran, welche Fahrzeuge von mir auf der Straße zu sehen sind, sondern vielmehr daran, was ich hätte besser machen können. Es gibt ja immer zwei Seiten des Designs: das Hochglanzprodukt, das vom Marketing beworben wird, und auf der anderen Seite all die Kompromisse, die man auf dem Weg dahin eingehen muss. Kosten, Technologie und Fertigung spielen alle mit hinein. Das Hauptproblem beim Bus sind dabei die relativ geringen Stückzahlen und ein völlig anderes Investitionsniveau als bei anderen Fahrzeugklassen – die hohen Anforderungen an das Produkt aber bleiben. Der Bus ist im Grunde genommen eine Röhre, die gestalterisch interessanten Elemente sind die plastischen Ausformungen von Front und Heck. Ausgesprochen hohe Anforderungen stellt die Gestaltung des Innenraums. Die Kostenaspekte schweben immer wie ein Damoklesschwert über dem Design, das Unternehmen muss schließlich Gewinn generieren. Der Designanspruch für Busse ist der einer eleganten Großraumlimousine, der Lkw ist dagegen mehr der maskuline Arbeiter. Auch weil der Bus ein in sich geschlossenes Objekt ist, kann der Designer seine Form vollständig bestimmen, nicht so der modular aufgebaute Truck. Der Truck erhält in der Regel seine endgültige Form mit dem vom Kunden bestimmten Aufbau, der vom Werksdesigner nicht bestimmt werden kann. Aber egal welches Produkt, der Kunde erwartet immer ein „gutes Design“. Das transportiert die Marke und deren inhaltliche Aussage. Die semantische Aussage, oder besser, der Charakter des Fahrzeugs muss immer stimmen.

Der Busbauer Neoplan war eine der ersten beruflichen Stationen für Sie. Hat Sie das geprägt?

Kraus: Ich konnte in den zwei Jahren bei Neoplan zu Beginn meiner Karriere so viele Fahrzeuge in so kurzer Zeit entwerfen, die auch gebaut worden sind, wie nie mehr in meinem Leben. Es war eine unheimlich interessante Zeit für mich. Das lag vor allem daran, dass die Entwicklungsabteilung mit elf Leuten sehr klein war. Einmal kam Gottlob Auwärter am Zeichentisch vorbei und sagte zu mir: „Mir zeichne koine Busse, mir bauet se.“ Und so gab es denn auch sehr zielgerichtete und konkrete Aufträge. Zum Glück hatte ich vorher eine Konstruktionsausbildung, das hat mir die Arbeit natürlich sehr erleichtert. Ein Beispiel ist der Unterflurarbeitsplatz des Spaceliner, den ich zusammen mit dem legendären Neoplan-Konstrukteur Manfred Wenger gestaltet habe und für dessen Arbeitsplatz ich das Patent besitze. Oder der Telebus für den Behindertentransport, der durch eine Förderung in Berlin initiiert wurde. Innerhalb eines Tages waren dann drei Skizzen für die Geschäftsführung fertig und nach sechs Wochen stand der erste Prototyp in der Werkstatt.Bei KHD habe ich vorher vier Jahre lang Landmaschinen und Traktoren entworfen. Mein erstes Werk war eine voll klimatisierte und ergonomisch gestaltete Kabine, das war durchaus keine Selbstverständlichkeit damals. Bei Neoplan konnte ich nach einem Gespräch mit Bob Lee, mit dem ich einen guten Draht hatte, sofort anfangen. Und von der Landtechnik her war ich es gewohnt, aus dem „Nichts“ etwas zu machen. Das war ein echter Ansporn, dazu kommt die hervorragende Zusammenarbeit mit den Neoplan-Kollegen. Mit Ernö Bartha kam dann nach meiner Zeit noch mehr Struktur in das Ganze, bis dahin war das Unternehmen doch sehr von der eigenen handwerklichen Tradition bestimmt.

Was macht denn die Besonderheiten im Busdesign im Allgemeinen und bei Neoplan im Besonderen aus?

Kraus: Die Neoplan-Verantwortlichen waren ja Busbauer mit Leib und Seele und viel Herzblut. Im Busbereich gibt es aber einfach aufgrund der kleinen Stückzahlen und hohen Investitionskosten viele Sachzwänge. Da können Sie nicht einfach beliebig gestalten wie sie wollen, gerade im „Schwobeländle“. Dazu kommt, dass das wesentliche Bauteil eines Busses der sogenannte „Body in White“ also der Rohbau, in einer teuren Vorrichtung zusammengeschweißt wird, an der man nicht so gerne viel ändern möchte. Front und Heck lassen sich wesentlich freier gestalten, das ist anders als beim Lkw oder Pkw. Daher waren die ersten Neoplan Jahre auch vom Typ Hamburg geprägt, den Bob Lee und Albrecht Auwärter zusammen in Hamburg an der Wagenbauschule konstruiert hatten.Trotzdem war den Neoplan Leuten von Anfang an bewusst, dass sie sich im Design vom Wettbewerb absetzen und etwas Besonderes bieten müssen, es war gewissermaßen eine Aufbruchzeit in den 70er Jahren in Möhringen. Gerade bei Themen wie der Innenraumgestaltung hatte Neoplan schon sehr früh gute Ideen, wie man den Innenraum nach oben öffnen kann. Neoplan hat einen anderen Design-Anspruch als MAN, das zeigt sich auch daran, dass ein MAN Stadtbus-Cockpit in einem Neoplan-Überlandbus zum Scheitern verurteilt war. „Ein Neoplan ist eben der Zukunft immer einen Schritt voraus“ (Zitat Bob Lee), MAN verkörpert einen Stil klassischer Elemente in moderner Interpretation. Dagegen freue ich mich immer, wenn ich Stilelemente entdecke, die auf meine frühen Arbeiten verweisen.

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