Interview mit Andreas Mink von Daimler Buses: Elektrisches System und Klimatisierung des eCitaro

Interview mit Andreas Mink von Daimler Buses
Elektrisches System und Klimatisierung des eCitaro

Gerade beim Elektrobus spielen Heizung und Klimatisierung eine entscheidende Rolle für die Reichweite. Deshalb haben die Daimler-Ingenieure hier besonders viel Grips hinein gesteckt. Wir haben den Leiter der Elektronikentwicklung dazu befragt.

Mercedes-Benz eCitaro
Foto: Daimler

Die Anzahl der auf dem Bus montierten Batteriemodule hat ja Auswirkungen auf die Gewichtsverteilung und die Schnellladefähigkeit. Wie wirkt sich die Batteriechemie darauf aus?

Mink: Beim vollelektrischen Citaro positionieren wir die Module auf dem Dach im mittleren bis hinteren Bereich, jeweils an die Fahrzeugkonfiguration angepasst. Die Anzahl der verbauten Module im Fahrzeug beeinflusst direkt die Gesamtkapazität der Batterie und damit die Schnellladefähigkeit, die sich an dieser Gesamtkapazität festmacht. Lassen Sie mich ein Beispiel geben, wenn der Kunde eine Batterie mit 200kWh Kapazität verbaut haben möchte, so ist diese im vollelektrischen Citaro mit einer maximalen Ladeleistung von bis zu 200kW ladbar. Diese maximale Ladeleistung hängt von den eingesetzten Batteriematerialien ab und ist eine von mehreren wichtigen Charakteristika einer Batterie, die vom Batterieaufbau beeinflusst werden. Wir haben uns viele verschiedene Batterietypen angesehen im Vorhinein, und haben uns jetzt für NMC entschieden. Damit bekommen wir aus unserer Sicht eine gute Balance hin, d.h. Eignung sowohl für Depot-Ladeanwendungen als auch für Pantografen-Schnellladesysteme. Das ist beileibe kein Kompromiss, sondern ein Flexibilitätsinstrument, mit dem durch die Modulariät des Batteriesystems nochmals besser auf die Kundenanforderungen eingegangen werden kann.

Von welchen Zelltypen sprechen wir eigentlich genau? Wie funktioniert die Kühlung?

Mink: Wir haben uns für prismatische Zellen, d.h. in einem festen Gehäuse entschieden, was einige Vorteile bei der Kühlung hat. 12 dieser Zellen sind in einem Modul zusammengefasst und 15 dieser Module sind dann in einem Batterieblock untergebracht. Hier ist ebenfalls ein Energiemanagementsystem verbaut, um das optimale Balancing innerhalb des Blocks zu gewährleisten. Diese Bausteine sind dann in zwei Clustern verbaut, im Heck im ehemaligen Motorturm sind es immer vier Blocks, im hinteren Bereich des Daches sind es zwei bis sechs Blocks, ja nach Kundenwunsch. Das reicht dann für mindestens ca. 150 kWh und bei voller Bestückung für die genannten 243 kWh. Jeder Batterieblock hat seinen eigenen tief integrierten Wasserkreislauf und kann separat gesteuert werden. Dass die Kühlung sehr effektiv ist haben wir beim letzten Sommertest deutlich gesehen, und auch gegen Auskühlung im Winter ist das massive Edelstahlgehäuse gut geschützt. Die einzelnen Blocks sind alle mit dem großen Batteriekreislauf und den gesamten Energie- und Heizmanagement verbunden. Wir wollten hier keine schnellen und kleinteiligen Lösungen sondern ein integriertes System, das innovativ ist und einen größeren Handlungsspielraum ermöglicht.

Was hat es mir der flexiblen Entladetiefe auf sich?

Mink: Hierzu gibt es bestimmte physikalische Grundregeln, nach denen Batterien geladen und entladen werden dürfen. Mit der ersten Nutzung einer Batterie baut sich die Gesamtnutzkapazität der Batterie sukzessive ab. Damit dies für den Kunden aber nicht negativ spürbar ist, limitieren wir von ersten Tag an das nutzbare Fenster der Batterie, damit sich dieses über die Lebenszeit des Fahrzeuges für den Kunden nicht merklich verändert. Innerhalb der definierten Lebensdauer können wir also ein konstantes Energievolumen zur Verfügung stellen. Das Nutzungsfenster bestimmt natürlich die Reichweite ganz konkret, und es hat zudem Effekte auf die Gesamtlebensdauer der Batterie. In einem besonderen Bedarfsfall, wenn viel Energie benötigt wird, kann situativ dieses Fenster für eine begrenzte Zeit weiter geöffnet werden um eine Situation zu beherrschen. Im Rahmen des Emobility-Consultings wird dann konkret ausgestaltet, wer im Unternehmen dieses Fenster wie oft öffnen kann. Dieser Vorgang wird dann überwacht, weil es Auswirkungen auf die Lebensdauer hat. Wie nutzen dies also vor allem dafür eine „Limp Home“-Funktion oder Ähnliches in außergewöhnlichen Betriebssituationen zu ermöglichen. Diese Überwachung erfolgt innerhalb des Datenmanagements, das über OMNIPlus On abgewickelt werden wird. Ob die Telematik in jedem eCitaro Serie sein wird, kann ich Stand heute noch nicht bestätigen.

Spielen Ladeverluste heute noch eine wirkliche Rolle?

Mink: Sowohl im Energiepfad für das Laden als auch für den Antrieb zeigen die einzelnen Komponenten sehr hohe Wirkungsgrade. Ladeverluste sind in Form von Wärmeentwicklung bspw. bei den Wechselrichtern zu beobachten, spielen aber in der Gesamtbetrachtung eine eher untergeordnete Rolle. Je nach technologischer Weiterentwicklung gilt es auch hier dieses Thema im Auge zu behalten im Hinblick auf weitere Optimierungen.

Warum bieten Sie nicht die ZF Achse mit dem Alu-Federträger an, die sehr viel leichter wäre?

Mink: Wir wollten jetzt im ersten Schritt auf bewährte und auch wirtschaftliche Komponenten setzen, und das ist bei dieser optimierten Achse der Fall. Das schließt nicht aus, dass wir uns solche Weiterentwicklungen selbstverständlich immer anschauen, um hier noch leichter werden zu können.

Verkaufen Sie auch Ladesysteme oder muss sich der Kunde selbst darum kümmern?

Mink: Die Fahrzeugumfänge wie Ladedose und fahrzeugfester Pantograf werden immer mit dem Fahrzeug ausgeliefert, weil sie vollständig in das elektrische System integriert sind und auch entsprechend abgesichert sind. Beide Ladesysteme umfassen auch die jeweilige Kommunikationsschnittstelle. Im Rahmen unseres E-Mobility Consulting stehen wir mit vielen Lieferanten für Ladegeräte in Verbindung aber letztlich entscheidet der Kunde, was er braucht und haben will. Wir haben viele Systeme getestet und können so auch Empfehlungen geben. Das ist besonders wichtig bei ortsfesten Pantografen, die erst den Befehl zum Absenken bekommen müssen, d.h. eine drahtlose Kommunikationsschnittstelle erfordern. Die nötigen standardisierten Protokolle wie die ISO 15118 gibt es leider hierfür noch nicht, das wird erst 2019/20 der Fall sein.

Inwieweit ist denn die interne Fahrzeugkommunikation schon auf die Elektromobilität vorbereitet, Stichwort FMS 4.0?

Mink: Seit vielen Jahren unterstützen wir als EvoBus die Weiterentwicklung des FMS-Standards aktiv, das gilt auch für die nächsten Weiterentwicklungsstufen. Die Elektrik-Elektronik-Architektur des bewährten Citaro wurde für den vollelektrischen Citaro um die notwendigen Signale zur Ansteuerung und Überwachung des elektrischen Triebstrangs einschließlich seiner Teilsysteme erweitert. Das betrifft insbesondere die Domäne Antrieb und deren Integration. Die anfallenden Datenmengen können von der Architektur weiterhin sicher bewältigt werden, wir benötigen hier also keine neue Hochleistungs-Datenübertragung.

Auch der Fahrerarbeitsplatz bleibt weitgehend unverändert mit einigen kleinen Anpassungen wie das Powermeter, das eine sparsame Fahrweise unterstützt. Dies ist auch im Sinne der Kontinuität und Orientierungsfähigkeit für den Fahrer in der Baureihe klar gewünscht.

Die neue HLK-Steuerung ist ja sehr viel komplexer geworden. Wie genau habe ich mir die vorzustellen technisch?

Mink: Das große Thema ist hierbei, dass wir nicht mehr den positiven Nebeneffekt haben, dass der Verbrennungsmotor selbst Abwärme produziert, die man für die Heizung nutzen kann. Die entfällt mit dem batterielektrischen Citaro. Allerdings können wir die Abwärme aus der Batteriekühlung nutzen und in den thermischen Wasserkreislauf einspeisen. Auch die Wärmeenergie aus dem Bremswiderstand wird im HLK-System genutzt. Und die neue Wärmepumpe ist deutlich vernetzter, vor allem weil das System heizen und kühlen kann und bspw. bei hohen Außentemperaturen für die Batterieklimatisierung sorgt. Dadurch kann die Gesamtbilanz viel besser ausbalanciert werden als bisher mit einzelnen, getrennten Kühlsystemen – und die Verluste minimiert werden

Wie genau wird das System gesteuert, um auf die Anforderungen durch die Nutzlast und ergo die Passiermenge einzugehen?

Mink: Die neue CO2-Wärmepumpe bringt schon einmal vor vorneherein eine sehr hohe Effizienz mit sich. Die Leistung der Anlage hängt überdies vom Belegungsgrad des Fahrzeugs ab, das heißt, das System bezieht die Wärmeleistung der einzelnen Passagiere mit ein sowie deren witterungsgerechte Bekleidung. Konkret heißt das: in den Grenzbereichen des Temperaturbandes fokussieren wir uns darauf ein Temperatur-Delta zur Außentemperatur einzuregeln und reduzieren damit den Energieverbauch.

Für die Fahrgastkapazität haben sie sich die Achslasten nochmal vorgenommen, was ist hier passiert?

Mink: Wir haben die Achslast der Vorderachse jetzt auf 8 Tonnen angehoben mit der neuen Version der ZF Einzelradaufhängung. Die Hinterachse kann theoretisch bis zu 13 Tonnen Last vertragen, zulässig ist lediglich die Belastung mit bis zu 11,5t an der angetriebenen Hinterachse. Damit ist es gelungen, die optimale Kapazität und Achslastverteilung bei 19,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht zu erreichen. Die neue Vorderachse wird auch in den Dieselvarianten eingesetzt werden, dann ist eine Achslast von bis zu 7,5t ausreichend.