Rhenus hat bei alternativen Antrieben ein großes Eigeninteresse, und zwar nicht erst, seit die Klimaziele festgelegt wurden. Die Intention dahinter ist, beim technischen Fortschritt ganz vorn mit dabei zu sein.

Schon 2005 sind Rhenus und Remondis mit Biodiesel gefahren – so lange, bis dieser für die Mineralölsteuer geopfert wurde und wirtschaftlich nicht mehr interessant war. 2011 war Rhenus der erste Logistikdienstleister, der einen Atego Hybrid übernommen hat, das erste von 50 Autos dieses Typs. Drei Jahre lief der Verteiler-Lkw von Daimler bei uns. 2017 folgte der Fuso eCanter. Wir stehen in ständigem Austausch mit den Schwesterunternehmen, um uns gegenseitig zu ergänzen und zu unterstützen. So werden wir Ende 2020 10 elektrisch angetriebene Lkw und 30 Gasfahrzeuge bei Rhenus und Remondis in der Flotte haben. Das Spektrum reicht dabei von der Batterieelektrik über ein Hybridfahrzeug bis zur Brennstoffzelle.
Nein, wir suchen bewusst die Vorreiterrolle. Für den Fall, dass sich eine Technologie etabliert, haben wir dann schon die Fehler hinter uns und die nötigen Erfahrungen gesammelt.
Beispiel Biodiesel: Wir sind mit Rapsmethylester und Tierfettmethylester (kurz FME) gefahren. Bei FME mussten wir eine Zweitankstrategie fahren, was gewöhnungsbedürftig und kompliziert zugleich war. Der Start erfolgte mit Diesel, danach musste der Fahrer manuell auf FME um- und am Ende wieder zurückschalten. Bei den ersten Prototypen mussten die Fahrer dazu aussteigen und einen Hebel umlegen. Bei der nächsten Fahrzeuggeneration war dann ein Schalter im Auto eingebaut. Hier waren wir als Pionier unterwegs. Das waren für uns wichtige Erfahrungen. Durch sie fühlen wir uns in vielen Punkten besser auf die Antriebswende vorbereitet. Denn jetzt kommt Zeitdruck auf, und wir bekommen durch Corona keinen Aufschub, wenn es um die Klimaziele geht.
Nein, keiner sticht besonders hervor – im Positiven wie im Negativen. Alle haben in der Anfangszeit ihre Probleme. Alle batterieelektrischen Fahrzeuge haben ihre Stehtage, damit muss man leben. Wir dürfen schließlich nicht vergessen: Wir sind noch im Prototypenstatus. Das gilt auch für den eActros, den man noch nicht kaufen kann. Und auch bei den CNG-Lkw, die in Köln Biogas tanken, haben wir gemeinsam mit dem Hersteller noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen, um die aktuell höheren Verbräuche zu beheben. Doch so viele Besonderheiten es bei den alternativen Antriebsarten auch noch zu beachten gilt, bin ich fest davon überzeugt: Jede von ihnen hat ihre Berechtigung.
Nur bedingt. Beliebt ist folgende Formel, die aber zu kurz greift: Nahverkehr gleich batterieelektrisch, Fernverkehr gleich Wasserstoff, CNG gleich mittellanger Fernverkehr und LNG gleich europäischer Landverkehr. Diese Formel ist allein schon deshalb schwierig, weil LNG ein fossiler Brennstoff und damit endlich ist. Wohl aber ist es eine etablierte Antriebstechnik, und ich kann damit überbrücken.
Ich könnte mir einen Elektro-Hybriden im Fuhrpark vorstellen. Nun gibt es bei DAF ein entsprechendes Angebot, und Scania hat soeben die nächste Fahrzeuggeneration vorgestellt, mit der man bis zu 60 Kilometer weit emissionsfrei in die Stadt kommt. Der Hybridbetrieb könnte ein Antrieb sein, mit dem man mittelfristig arbeiten kann – ob mit oder ohne Oberleitung. Am Feldversuch mit Oberleitungs-Lkw auf der A 5 in Hessen beteiligen wir uns gemeinsam mit Contargo ja auch.
In manchen Segmenten ist der Eigenanteil schon ausgeprägt. Im Containertrucking haben wir einen hohen Selbsteintritt, bei Remondis ohnehin. Der zweite Grund, warum wir diese Lkw selbst betreiben: Wir können es unseren Subunternehmern nicht zumuten, aufs möglicherweise falsche Pferd zu setzen, sondern müssen selbst die Tests und damit das Risiko und die Verantwortung übernehmen. Wir stecken bei vielen Dingen noch in den Kinderschuhen, haben hohe Investitionen und Ausfalltage.
Die Recherche ist aufwendig, aber machbar. Ich empfehle den Austausch mit Kollegen; in meinem Fall erfolgt dieser zum Beispiel mit Matthias Strehl, Geschäftsführer bei Meyer Logistik, der ebenfalls zahlreiche alternative Antriebe im Einsatz hat. Wir hatten beide schon die Atego-Hybride in der Flotte. Beide haben wir E-Force-Lkw im Einsatz. Meyer Logistik hat sie als Verteiler, wir haben nun die ersten 40-Tonner. So tauschen wir uns regelmäßig aus.
Bei diesem Thema gibt es keinen Wettbewerb, sondern ein gemeinsames Interesse. Unternehmer müssen ihre Kollegen animieren: Macht mit, adressiert eure Wünsche und Anforderungen, fordert die Hersteller und die Politik. Auf jeder Ebene ist es wichtig, die Stimme zu erheben, auch im Lokalen. Ich kann nur raten: Nervt euren Bürgermeister, euren IHK-Verkehrsausschuss, die Verbände, die lokalen Verkäufer der OEM. Nur so bekommt man Gehör. Denn nicht jeder Mittelständler dringt, wenn er Einzelkämpfer ist, direkt zum Landes-, geschweige denn zum Bundesverkehrsministerium durch.
Wir müssen aufhören, zu diskutieren, warum die Dinge in der Schweiz klappen, wo die ersten Wasserstoff-Lkw von Hyundai nun in den Kundeneinsatz übergehen. Wir müssen aufhören, zu diskutieren, warum die Elektromobilität im ÖPNV klappt, wo man mit dem Bürgermeister ja quasi nur einen Kunden und kaum eine nennenswerte Reichweite hat. Viel konstruktiver wäre es, zu überlegen, welche Rahmenbedingungen es braucht, damit alternative Antriebe auch außerhalb der Schweiz und des ÖPNV funktionieren.
Das bedeutet eine völlig unterschiedliche Förderhöhe, die ein deutliches Ungleichgewicht schafft. Kommunale Betriebe bekommen dank des Programms „Saubere Luft“ bis zu 90 Prozent der Anschaffungskosten ersetzt. Das ist eine Benachteiligung der Privatwirtschaft, die aus dem Programm EEN für einen Elektro-Lkw maximal auf einen Zuschuss von 40.000 Euro hoffen darf.
Dadurch haben wir nicht Henne und Ei, sondern Hennen und Eier. Die erste Variante wäre schneller. Wir wären dann zwar Getriebene, weil Politik und Hersteller uns eine Technologie vorgeben würden und wir uns danach richten müssten. Es würde die Antriebswende aber erheblich beschleunigen, weil wir dann Klarheit hätten. Aktuell verhält es sich leider so, dass der Vorstand eines OEM nicht an die Technologie des anderen OEM glaubt. Also sind wir die Treiber und müssen unterschiedliche Technologien bei unterschiedlichen OEM einfordern, was anstrengend ist.
Wirtschaftlich ist der Betrieb nicht – noch nicht. Trotzdem müssen wir diesen ersten Schritt gehen und die Fahrzeuge testen. Ein Business-Case kommt erst im zweiten Schritt mit dem Interesse unserer Kunden.
Schon jetzt erkennen wir, dass die Kunden unsere Investitionen in die alternativen Antriebe durchaus verfolgen. Sie registrieren, dass die Vielfalt an alternativen Antrieben bei Rhenus ein Alleinstellungsmerkmal ist. Vermehrt fragen Kunden uns, ob wir Teil einer grünen Logistikkette werden können. Wir sprechen dadurch mit Verladern auf einer ganz anderen Ebene und können ihnen helfen, ihre Klimaziele zu erreichen. Wir sind in der Lage, zu analysieren und zu beraten, welcher Antrieb sich für welche Strecke eignet und welche Tank- und Ladeinfrastruktur dafür erforderlich ist. Dieses Know-how haben wir uns sukzessive aufgebaut. Daher haben wir die Entscheidung für die alternativen Antriebe auch nicht eine Sekunde bereut.
… vor allem nicht, wenn man zusätzlich wissen möchte, welches die jeweils ideale Ladeinfrastruktur dazu ist. Daher kommt hier zusätzlich eine IT-Lösung ins Spiel, die uns dabei helfen soll. Daran arbeiten wir zurzeit. Ziel ist ein Tool für eine intelligente Ladesäule, das an unser Dispositionsprogramm gekoppelt ist. Unsere Elektro-DAF haben zum Beispiel eine Reichweite von 110 Kilometern. Das reicht locker für die Tour von Duisburg nach Essen mit einem 40-Fuß-Container. Die nächste Tour nach Mühlheim sollte eigentlich auch noch drin sein – oder muss ich doch eine Reserve für einen Stau einrechnen? Die IT kann uns dabei helfen, die ideale Ladezeit für eine Zwischenladung zu ermitteln, um die nächsten Fahrten zu absolvieren.
Richtig. Und es gibt in der Folge auch keinen Grund, riesige Batteriepacks mitführen zu müssen, die schwer sind und die Nutzlast reduzieren. Ich sehe also auch nicht, warum wir alles daransetzen sollten, einen Elektro-Lkw fit zu machen für Reichweiten von 400 Kilometern oder mehr. Der DAF ist mit seiner Reichweite gut einsetzbar, der E-Force mit seinen 200 Kilometern erst recht. Der Containerverkehr mit kurzen und häufigen Shuttle-Strecken ist das ideale Einsatzgebiet für batterieelektrische Sattelzugmaschinen. Die OEM bestätigen uns, dass sie diese Möglichkeiten unterschätzt haben.
Eine komplette Nullnummer schaffen wir noch nicht, aber eine Supply-Chain, die deutlich CO2-reduziert abläuft. Wir haben bereits hybride Reach-Stacker im Einsatz und arbeiten an einem Projekt, das Binnenschiffe mit alternativen Antrieben ausrüsten möchte. Aber in wichtigen Teilsegmenten, konkret in den Vor- und Nachläufen, können wir dank der Elektro-Lkw bereits komplette Transporte CO2-neutral abwickeln.
Ich glaube nicht, dass es einen Tag X geben wird, sondern dass es ein schleichender Prozess werden wird. Die Potenziale beim Diesel sind nicht ausgereizt, es ist noch eine Prozentzahl drin, die aber niemals zum Erreichen der Klimaziele ausreichen wird. Meine Einschätzung ist, dass kein OEM mehr ernsthaft Ressourcen und Kapital in die Entwicklung einer nächsten Dieselmotorengeneration stecken wird. Der Dieselmotor ist ein Auslaufmodell, die Klimaziele sind da, die Uhr tickt.Stehen Sie auch hinter dem Green Deal von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen?Deal heißt für mich: Übereinkunft mit allen. Mit uns hat Frau von der Leyen nicht gesprochen, wahrscheinlich auch nicht mit meinen Kollegen. Aber ernsthaft: Natürlich bekennt sich Rhenus zu den Klimazielen. Wir haben nichts gegen ambitionierte Ziele, aber die Rahmenbedingungen müssen genauso schnell stehen wie die Klimaziele – oder besser noch schneller.
Ich mache das nur mal am grünen Wasserstoff fest: Es wird ein Gerangel um grünen Wasserstoff geben. Nicht nur im Verkehr ergibt sich ein Bedarf, sondern zum Beispiel auch in der Industrie, weil auch die Stahlindustrie CO2-neutral produzieren möchte. Mir fehlt ein wenig die Fantasie, mir vorzustellen, wo dieser grüne Wasserstoff herkommen soll.
Neben dem Tankstellennetz für Lkw brauchen wir auch einen marktfähigen Preis für grünen Wasserstoff. Es gibt noch keine Erfahrungen für einen 40-Tonner mit Wasserstoff, wohl aber erste Verbräuche der Verteiler-Lkw von Hyundai in der Schweiz, die in Richtung zehn Kilogramm je 100 Kilometer gehen. Zum Vergleich: Ein Kilogramm kostet 9,50 Euro. Beim Diesel kommt man mit 30 Euro auf 100 Kilometern hin. Soll heißen: Wir brauchen in allen Bereichen eine Förderung – bei der Wasserstofferzeugung, bei der Tankstelleninfrastruktur, bei den Fahrzeugen und bei der Gestaltung der Lkw-Maut.
Es ist schwer, hierzu eine Prognose abzugeben. Wir haben selbst schon einen Wasserstoff-Lkw mit Brennstoffzelle in den Niederlanden in Betrieb. Ein Umrüster hat ihn für unseren Einsatz in der Entsorgungslogistik aufgebaut, Förderprogramme haben geholfen, das auch finanziell darstellen zu können. Nun geht es darum, größere Stückzahlen zu produzieren – sei es durch neue Akteure oder die etablierten OEM. Doch das alles kann nicht ganz kurzfristig erfolgen, alle brauchen hier einen etwas längeren Atem.
Wir freuen uns über alle Akteure, die sich hier auf den Weg machen. Natürlich sind wir dankbar über die Ankündigung von Daimler, den GenH2 auf die Straße bringen zu wollen. Wir freuen uns aber auch über Hyundai und die Pläne in der Schweiz, ebenso wie über einen Nikola, der die europäischen OEM antreibt. Ob der Nikola Tre mit Wasserstoffantrieb tatsächlich schon 2022 oder 2023 kommt, ist fraglich. Zuerst wird die Baureihe ja batterieelektrisch kommen. Aber die Entwicklung in Richtung Elektromotor ist dann nicht für die Katz, sondern stellt die Vorarbeit für die Weiterentwicklung zum Brennstoffzellen-Lkw dar. Dem Motor ist es ja vollkommen egal, wo die Energie herkommt – ob aus dem Akku oder der Brennstoffzelle.
Zur Person
- Sascha Hähnke (51) ist seit 2019 Geschäftsführer von Rhenus Transport, unter deren Dach Rhenus die Massengutaktivitäten auf Wasser, Schiene und Straße bündelt.
- Innerhalb der dreiköpfigen Geschäftsleitung ist er für den Bereich Lkw verantwortlich.Seit 2004 ist Hähnke in unterschiedlichen Führungsfunktionen für die Firmengruppe tätig.
- Der gebürtige Bielefelder ist gelernter Speditionskaufmann, verheiratet und hat Kinder.