Daum: Wir wollen deutlich machen, dass wir die Bekämpfung des Klimawandels sehr ernst nehmen und uns klar zu den Pariser Klimazielen bekennen. Daimler hat Ende des 19. Jahrhunderts den ersten Lkw erfunden, daher haben wir eine besondere Verantwortung, die Geschichte des Lkw erfolgreich fortzuschreiben, um nicht zu sagen: eine Verpflichtung. Dieses Event begleiten zu dürfen, war für mich daher ein besonderes Privileg. Wir signalisieren: Die Batterie und die wasserstoffbasierte Brennstoffzelle sind die künftigen Antriebstechnologien, beide auf vollelektrischer Basis und für beide gibt es einen Markt. Auch für unsere Kunden ist dieses Signal wichtig. Sie können sich keine suboptimale Lösung leisten und müssen wissen, in welche Antriebstechnologie sie investieren sollen.
Wir bedauern es natürlich, dass wir 2020 auf die weltgrößte Nutzfahrzeugmesse verzichten müssen. Gleichwohl war Berlin in diesem speziellen Fall wahrscheinlich genau die richtige Plattform – weil wir entsprechende Signale gezielt an die Politik und andere Akteure, etwa aus der Energiebranche, senden wollten.
Dass wir für die Energiewende die Entschlossenheit aller relevanten Akteure brauchen. Wir benötigen überzeugende Angebote von Herstellerseite, dafür sind wir zuständig. Aber parallel ist auch eine flächendeckende Tank- und Ladeinfrastruktur in Europa erforderlich. Das ist eine Riesenherausforderung und braucht die Unterstützung durch die Politik. Und drittens muss CO2-neutrales Fahren belohnt werden, auch dafür ist die Unterstützung der Politik unerlässlich. Sie hat wesentliche Stellhebel in der Hand, um die Entwicklung zum CO2-neutralen Fahren zu beeinflussen.
Eines ist klar: Lkw mit Elektro-Antriebsstrang werden signifikant teurer, nicht nur im Erwerb, sondern auch im Betrieb. Daher brauchen wir die Unterstützung der Politik und setzen unsere Hoffnungen auch auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Denn eine rein deutsche Lösung reicht nicht aus. Europaweit muss es in Richtung CO2-basierte Maut gehen. Anreize bedarf es in alle Richtungen – auch beim Aufbau und Betrieb der Tank- und Ladeinfrastruktur. Wer hier beginnt, muss erst einmal mit homöopathischen Verkaufsmengen leben; das kann sich anfangs nicht rechnen, sondern ist erst einmal ein Zuschussgeschäft.
Ich würde flüssigen Wasserstoff nicht als Sonderweg bezeichnen. Der Brennstoffzelle ist es völlig egal, ob sie den Wasserstoff flüssig oder gasförmig aufnimmt. Wir können beides. Flüssiger Wasserstoff ist langfristig aber der bessere Weg, weil er eine höhere Energiedichte und damit Reichweite aufweist. Auch die Rückmeldung, die wir von der Mineralölindustrie bekommen, heißt: Sowohl bei der Herstellung als auch bei der Betankung führt am flüssigen Wasserstoff nichts vorbei. Daher wollen wir hierzu ein klares Zeichen setzen.
Er muss stark heruntergekühlt werden, was anspruchsvoll sein dürfte.Wir kommen mit geringen Tankvolumina aus. Das ist in doppelter Hinsicht positiv für den Kunden: Er profitiert von einer höheren Reichweite, weil flüssiger Wasserstoff eine höhere Energiedichte hat. Und wir haben dank der kleineren Tanks mehr Platz am Chassis für Aufbauten.
Es kann sich nur ein Tankstellennetz durchsetzen und nicht jeder Hersteller ein eigenes bekommen, zumal auch noch mit unterschiedlichen Drücken gearbeitet wird. Hier braucht es einen Konsens und eine Infrastruktur-Weichenstellung. Wir möchten flüssigen und grünen Wasserstoff, keinen grauen. Wenn bei der Herstellung CO2 in die Luft geblasen wird, bekämpfen wir in keinster Weise den Klimawandel. Wasserstoff wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, wofür ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz kommen darf.
Überhaupt nicht. Beim Pkw haben wir uns klar auf die Batterie fokussiert und beim Lkw gilt zukünftig: Je weniger Gewicht unsere Kunden fahren und je kürzer die Strecke, desto sinnvoller ist die Batterie.
Je unplanbarer, schwerer und länger die Strecke, desto eher kommt Wasserstoff infrage. Es gibt also berechtigte Anwendungen für beide Technologien. Hinzu kommt, dass Strom als Treibstoff extrem günstig und Wasserstoff sehr teuer ist. Aktuell sind wir bei acht bis zwölf Euro pro Kilogramm, am Ende muss der Wasserstoff deutlich günstiger werden. Und das muss wohlgemerkt der Preis für grünen Wasserstoff sein. Hier beginnen die Herausforderungen. Daher ist es wichtig, dass wir bei diesen Themen einen starken Partner haben.
Wir sind die Marktführer in Europa und geben gemeinsam ein klares Statement ab, wo die Reise hinführt. Wir wollen uns die Entwicklungskosten bei der Brennstoffzelle teilen und von vielen weiteren Vorteilen profitieren. Wenn ich bei der Brennstoffzelle an komplexe Themen wie Zwischenpuffer, Energiemanagement, Kühlung, Langlebigkeit, Qualität oder Effizienz denke, haben wir viele Herausforderungen. Und zu einem späteren Zeitpunkt müssen wir auch noch über den Verbrauch reden, wo wir auch dauerhaft optimieren müssen.
Falsch. Wir wollen gemeinsam mit der Volvo Group das Herzstück – die Brennstoffzelle – entwickeln und produzieren. Vorne kommt Wasserstoff rein, hinten elektrische Energie raus. Das planen wir gemeinsam voranzutreiben. Das Fahrzeug baut jeder weiter für sich. Wir kaufen ja auch Batterien bei CATL zu. So soll auch die Brennstoffzelle im Joint Venture mit der Volvo Group hergestellt und in Lkw beider Hersteller eingebaut werden – wie auch in stationären Anlagen von Rolls-Royce Power Systems. Bei allen anderen Punkten bleiben wir im sportlichen Wettbewerb mit der Volvo Group.
Die Qual der Wahl hat der Kunde jetzt schon: Zweiachser, Dreiachser, niedriges oder hohes Chassis? Die Vielfalt macht das Geschäft aus, sie verwirrt unsere Kunden nicht. Unsere Kunden sind Profis, das ist das Schöne an unserem Business.
Auch in Deutschland wird es zur Regel, dass wir die Fracht von der Zugmaschine trennen. Der Lkw muss bewegt werden, damit der Betrieb wirtschaftlich ist. Insofern: Ja, es muss auch eine E-Sattelzugmaschine geben.
Es gibt Anwendungsfälle, bei denen der Diesel sehr lange existieren wird. Bei einem Unimog, der zu Forstarbeiten eingesetzt wird, dem Schwer-Lkw Actros SLT oder dem 8x8-Baustellenkipper ist der Diesel wirtschaftlich wie technologisch die erste Wahl. Das alles sind Autos, die nur sehr geringe Jahreslaufleistungen haben. Sie weiterhin mit einem Dieselmotor anzutreiben, ist weder unvernünftig noch klimaschädlich. Wichtig ist doch, dass wir die Diesel-Lkw tauschen, die pro Jahr 120.000 Kilometer und mehr fahren.
Das entscheidet der Kunde. Er muss Geld mit seinem Fahrzeug verdienen, danach richtet sich seine Kaufentscheidung. Wenn zum Beispiel zwei Euro an Dieselsteuer erhoben würden, wäre die Sache schnell klar. Es wird ein Prozess sein, bei dem die wahrscheinliche CO2-Maut eine große Rolle spielt, weil sie die Flottenerneuerung beschleunigt. Heißt aber auch: Solange unsere Kunden mit Diesel Geld verdienen, kaufen sie Diesel.
Zur Person
- Martin Daum ist seit März 2017 Vorstandsmitglied bei Daimler und seit November 2019 ferner Vorstandsvorsitzender der zu diesem Zeitpunkt neu geschaffenen Daimler Truck AG.
- Seit 33 Jahren ist er für Daimler tätig und übte in dieser Zeit unterschiedliche Führungs- und Managementfunktionen aus. Zuletzt war Daum ab 2009 verantwortlich für Daimler Trucks Nordamerika und zuvor ab 2006 Produktionschef von Mercedes-Benz-Lkw.
- Der Manager, Jahrgang 1959, wurde in Karlsruhe geboren. Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann, im Anschluss ein BWL-Studium an der Universität Mannheim mit Abschluss als Diplom-Kaufmann.