So oder ähnlich hört es sich wohl an, wenn die zweite Stufe einer Rakete gezündet wird: "Wir wollen bis 2030 für jedes unserer Segmente in unseren wichtigsten Märkten lokal CO2-neutrale Antriebe anbieten und trauen uns deshalb auch eine klare Verpflichtung zu: Ab spätestens 2030 werden wir im Stadtbus-Segment in Europa nur noch CO2-neutrale Neufahrzeuge anbieten und nicht mehr in Euro 7 investieren. Wir konzentrieren unsere Entwicklungskraft voll und ganz auf den emissionsfreien und komplett elektrisch angetriebenen eCitaro." Rumms, die Rede von Daimler Buses-Leiter Till Oberwörder hat Schlagkraft.
Wir erinnern uns: 2018 war Daimler später als manch ausländischer Wettbewerber in Sachen Elektromobilität für die Stadt durchgestartet und hat den ersten vollelektrischen Mercedes eCitaro als Solobus gelauncht. Schon damals hatte man – untypisch – Zulieferer und Zeitpläne bis 2022 benannt und transparent gemacht. Da man im Konzern keine eigenen Batterien zur Verfügung hatte, setzte man auf den jungen hessischen Akkubauer Akasol und die Lithium-Ionen-Technologie auf Nickel-Mangan-Kobaltoxid-Basis, die zwar hochgezüchtet, aber auch leistungsfähig ist. Der Plan im Einzelnen: 2019 zuerst NMC-1, 2021 dann NMC-2, 2022 eine innovative Festkörperbatterie von Bolloré und als Clou zur gleichen Zeit der Batteriebus mit Brennstoffzelle als Reichweitenverlängerer, wohl vom etablierten Partner Ballard aus Kanada.
Die Zeiten haben sich geändert – und um eine Rakete in eine veritable Erdumlaufbahn zu hieven, muss der Ballast der ersten Stufe abgeworfen werden. Der große Ballast der Daimler-Entwickler heißt: Euro 7 für den Verbrenner. Den ersten Schritt machte das Unternehmen schon, als man die Entwicklung des erst 2015 konzipierten Erdgasbusses NGT auf die Euro-6e-Norm abgesagt hat – was nicht alle Kunden begeistert haben dürfte. Jetzt also der Paukenschlag! Man wolle "spätestens ab 2030" nicht mehr in die Entwicklung in Euro 7 für Stadtbusse investieren. Was das genau bedeutet, wenn Euro 7 zum Beispiel schon 2027 verpflichtend würde, wurde nicht gesagt – ist aber leicht zu erraten.
Pragmatisches Vorgehen ist gefragt

Vorsorglich gaben Till Oberwörder und sein Chef Martin Daum der zum großen Launch-Event versammelten Politik samt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit auf den Weg, man müsse auch die Mautsätze den neuen Gegebenheiten zeitnah anpassen – für den Lkw natürlich. Und Wissing, der euphorisch auf die neuerlich ausgelobte Förderung für Elektrobusse von rund 1,2 Milliarden Euro hinwies ("Unser Ziel: bis 2030 soll jeder zweite Stadtbus elektrisch fahren"), klingt schon sehr überzeugt von dem Schachzug: "Wir sollten dafür sorgen, dass wir von politischer Seite nicht mehr Investitionen einfordern, die sich nicht mehr rechnen. Deswegen müssen wir pragmatisch vorgehen. Wir verfolgen dabei einen technologieoffenen Ansatz und wollen, dass nicht eine einzelne Technologie am Ende vorgeschrieben wird, sondern eine Vielzahl von technischen Lösungen zum Einsatz kommen. Und zwar immer diejenige dort, wo sie die höchste Effizienz bringt." Ob und wann Euro 7 dann tatsächlich kommen wird, bleibt bei Wissing offen: "Es macht keinen Sinn, wenn man die Regulierung der Verbrennungsmotoren mit fossilen Brennstoffen auslaufen lässt, jetzt noch hohe Investitionen für die Restlaufzeit einfordert. Wenn wir das Kapital in vergangene Energien lenken, dann tun wir uns keinen Gefallen. Wir müssen am Ende dafür sorgen, dass Deutschland der Automotiv-Standort Nummer eins bleibt."
Aber zurück zum Raketenstart von Daimler Buses: "Auf dem Weg zur weltweiten Elektrifizierung der Personenbeförderung plant Daimler Buses ab 2025 den ersten vollelektrischen Überlandbus auf den Markt zu bringen und ab Ende dieses Jahrzehnts Reisebusse mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb." Bei diesem Überlandbus dürfte es sich um den neuen Setra LE business der 500er Baureihe handeln, der für 2023 (vielleicht zum letzten Mal zuerst als Diesel) in den Startlöchern steht. Beim Reisebus wird es etwas komplizierter: "Dabei setzt Daimler Buses analog der Doppelstrategie des Mutterkonzerns Daimler Truck sowohl auf batterieelektrische als auch auf wasserstoffbasierte Technologien – denn nur so können maßgeschneiderte Zero-Emission-Lösungen für die vielfältigen Bedürfnisse der Kunden angeboten werden." Auf Nachfrage wollte sich Till Oberwörder hier zum jetzigen Zeitpunkt weder auf eine Antriebsart festlegen, noch die Frage nach einem möglichen Hybrid-Reisebus als Brückentechnologie beantworten. Dass man aber an einem H2-Reisebus arbeitet, ist in der Branche allgemein bekannt. Fraglich ist nur, ob all diese Planungen auch auf Märkten außerhalb Europas und Lateinamerikas so schnell funktionieren werden oder man dann doch wieder eine teure Doppelstrategie verfolgen muss.
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