Busmarkt: Stunde Null der Busindustrie?

Busmarkt im Überblick
Stunde Null der Busindustrie?

Corona hat die Busbranche hart getroffen. Noch halten die Stadtbus-Aufträge die Bilanz im Lot, aber auch hier wird es ruhiger. Eine Bestandsaufnahme.

Ranges Mercedes-Benz & Setra 2019
Foto: © EvoBus GmbH

Wenn es ein "Unwort des Jahres" der Automobilindustrie in der Pandemie gäbe, dann wäre es sicher das unselige "Fahren auf Sicht". Damit wird die völlige Unberechenbarkeit der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung gerade im Reisebusbereich nur unvollkommen auf den Punkt gebracht. Das weitgehende Wegbrechen dieses Marktes ist zwar (noch) nicht existenzbedrohend, aber ein Minus in Europa von fast zwölf Prozent und in Deutschland von 14 Prozent im Jahr 2020 waren deutliche Vorzeichen von noch deutlich schlimmeren Einbrüchen bei den Auftragseingängen, die weit jenseits der 50 Prozent liegen. Noch ist der Stadtbus der Stabilitätsanker mit seinen langfristigen öffentlichen Beschaffungsvorgängen, nicht zuletzt wegen des finalen Durchbruchs der Elektromobilität. Doch auch hier werde es "langsam etwas ruhiger", wie es Daimler-Buses-Leiter Till Oberwörder in einer digitalen Jahrespressekonferenz sehr vorsichtig ausdrückt.

Vorsicht ist auch angebracht, wenn die Tagespresse wegen Kurzarbeit und Produktionspausen im Setra-Reisebuswerk Neu-Ulm nachfragt. Der erfolgreichste Setra dürfte derzeit der in Neu-Ulm und Hosdere gebaute Überlandwagen LE business sein, mit dem Setra den Mercedes-Benz-Überlandmarkt quasi pulverisiert hat. Verdrehte Welt! Und die Zukunft hält einige Unwägbarkeiten in petto: Nicht nur ist fraglich, wann der Bustourismus und die Fernlinien wieder durchstarten, auch die finale Fassung der "Clean Vehicles Directive" (CVD) könnte noch für Verdruss sorgen, wenn sich Verbände und Bundesrat nicht gegen Bundesregierung und Baden-Württemberg durchsetzen können zugunsten einer sanfteren "nationalen Selbstverpflichtung".

Till Oberwörder Leiter Daimler Buses
Daimler
Till Oberwörder, Head of Daimler Buses: "Wir bleiben zuversichtlich. Wenn die Pandemie hinter uns liegt, kommt der Nachholbedarf. Die Menschen werden wieder reisen wollen."

"Wenn die Pandemie hinter uns liegt, kommt der Nachholbedarf"

Trotz der Einbrüche im Reisesegment um bis zu 60 Prozent spricht Daimler Buses als Marktführer in Europa und der EU davon, sich 2020 "gut geschlagen" zu haben – PR-Sprache für "mit einem blauen Auge davongekommen sein". Und das trotz eines Absatzrückgangs um 40 Prozent auf nur noch 20.200 Einheiten – besonders im zweiten Quartal 2020 sah es mit 3.000 Einheiten sehr düster aus. Zur Unzeit kommen da die aktuellen Pläne, den Konzern in eine Truck- und eine Pkw-Sparte aufzuspalten, was intern für Unruhe sorgt. Der erfolgsverwöhnte Marktführer nimmt denn auch Abstand davon, seine Gewinnmargen separat auszuweisen wie bisher. "Wir bleiben aber zuversichtlich. Wenn die Pandemie hinter uns liegt, kommt der Nachholbedarf. Die Menschen werden wieder reisen wollen, das wird für eine Normalisierung des Reisebusgeschäfts sorgen", sagt Oberwörder und betont, dass man sehr wohl "an den Ausgaben, aber nicht an der Zukunft spare". Zu den weiteren strategischen Projekten gehörten die CO2-neutrale Mobilität und der weltweite Ausbau des Geschäfts. So werde man in den USA das Geschäft konsequent neu aufstellen, bald werde ein neues Modell auf den Markt kommen – nach den Worten von Oberwörder wird man auf "das Markenversprechen von Mercedes-Benz" setzen. Mitte des Jahres soll der Bus erstmals gezeigt werden und so das Ende der US-Setras besiegeln.

Beim polnisch-spanischen Busbauer Solaris läuft es mangels Reisebussparte ungleich geschmeidiger. Mit 1.560 ausgelieferten Bussen habe man 2020 ein Rekordergebnis eingefahren, so CEO Xavier Calleja in einer aufwendig inszenierten Digitalkonferenz. Der Umsatz wiederum stieg um 13,6 Prozent auf 725 Millionen Euro. Damit schob sich das Unternehmen im EU-30-Raum mit einem Marktanteil von 5,2 Prozent (+ 1,5) vor den Konkurrenten VDL, mit dem man sich auch einen Kampf um die Elektrobuskrone liefert. Die Absatzsteigerung betrug somit fast fünf Prozent, was dem Unternehmen im 25. Jahr des Bestehens mehr als gut zu Gesicht steht. Bei den Elektrobussen habe man den Absatz fast verdreifachen können. Auch in Deutschland glänzte das Unternehmen mit 329 verkauften Bussen und einem Marktanteil von 5,8 Prozent (+ 0,6), 40 Prozent hiervon seien bereits Elektrobusse gewesen. Insgesamt konnte man den Anteil der Busse mit alternativem Antrieb (hierzu zählen nun auch die neuen Mild-Hybrid-Diesel, nicht aber die Erdgasbusse) von 29 Prozent im Jahr 2018 auf satte 44 Prozent im Jahr 2020 steigern. Ein stolzer Wert für einen Busbauer! Den polnischen Heimatmarkt für Stadtbusse dominiert Solaris seit 18 Jahren, diesmal mit satten 53 Prozent, was ein Prozent über dem Wert von Mercedes-Benz in Deutschland liegt.

Solaris 2021
Solaris
Solaris-CEO Xavier Calleja freut sich über den steigenden Anteil alternativer Busse.
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