Fahrer vor Gericht: Bußgeldbescheid voller Fehler

Fahrer vor Gericht
Bußgeldbescheid voller Fehler

Uwes Bußgeldbescheid strotzt vor Ungenauigkeiten. Also einigen sich Richter und Rechtsanwalt auf einen Kompromiss. Aber das war’s noch lange nicht.

Autobahnkanzlei FF 4/2021
Foto: Thomas Müller

Allein schon der Tatvorwurf im Bußgeldbescheid von Uwe* ist bemerkenswert. In mehr als zwei Fällen soll Uwe nach Fahrtantritt mit seinem Lkw die zulässige Höchstgeschwindigkeit bis zu 15 km/h überschritten haben. "Bis zu" meint auf den ersten Blick wohl die maximale Überschreitung. 95 km/h hat er aber ausweislich der Ausdrucke nie erreicht. Die zeigen ein paar Werte um die 91/92 km/h. Toleranz ist hier natürlich noch gar nicht abgezogen. Drei-, viermal sind es 87/88 km/h. Mehr nicht. Zieht man die übliche Toleranz von 6 km/h ab, ergeben sich maximale Geschwindigkeitsüberschreitungen von 7 km/h. Die kleineren belaufen sich auf 1 bis 2 km/h – Kleinzeug also. Was meinen die dann aber mit "bis zu 15 km/h"?

Bußgeldbescheid erfordert Bezeichnung der Tat

Am Nachmittag bekomme ich einen angeblichen Handyverstoß von Dirk* in die Hände. Statt eines konkreten Tatvorwurfs steht da im Bußgeldbescheid nur der Gesetzestext. Mir schießt Nr. 11.1.3 BKatV durch den Kopf. Genauso ist das bei Uwe, wird mir schlagartig klar! Bei Uwe ist nur der Verordnungstext angegeben. Da heißt es: "Überschreitung in km/h bis 15 in mehr als 2 Fällen nach Fahrtantritt." Das geht so nicht! Nach Paragraf 66 I Nr. 3 OWiG erfordert der Bußgeldbescheid zwingend die Bezeichnung der Tat. Das heißt, der Lebensvorgang – das tatsächlich Geschehene – muss Teil des Bescheids sein und kein abstrakter Verordnungstext. Nichts davon ist dem hier zu entnehmen und besonders ärgerlich ist, dass die hier winzigen Überschreitungen nicht konkret benannt werden, sondern im abstrakten Gesetzestext verpackt, um nicht zu sagen versteckt werden. Verschleierungstaktik, um vertrauensselige Bürger erst gar nicht merken zu lassen, um was es hier geht – um kaum vorwerfbare Bagatellfehler?! Uwes Bußgeldbescheid dürfte unwirksam sein.

Üblicherweise sind in den Blitzern Verkehrsfehlergrenzen, also Grenzen, ab denen ein Foto gemacht und die Sache weiterverfolgt wird, einprogrammiert. Häufig bei 9 km/h drüber. Alles darunter wird oft als Bagatellkram nicht geahndet. Bei Lkw-Fahrern gilt da etwas anderes. Deren Geschwindigkeiten werden ausgelesen, und auch die kleinste Überschreitung wird geahndet und rutscht nicht durchs Raster. Ein schlechter Scherz, dass Lkw-Fahrer für Überschreitungen von bereits 1 km/h in zwei Fällen nach Fahrtantritt in Flensburg Federn lassen müssen, während Raser erst ab 21 km/h einen Eintrag in Flensburg kriegen. Das ist eine Ungleichbehandlung, die meiner Ansicht nach auch nicht gerechtfertigt ist. Das passt nicht mehr in die heutige Zeit, in der Lastwagen vor integrierten Sicherheitsmechanismen nur so strotzen. In Uwes Fall bleibt also im ersten Zugriff dreierlei festzuhalten:

1. Nach Abzug der 6 km/h Toleranz, der üblicherweise bei ausgelesenem Digitacho vorzunehmen ist, bleibt nur noch Bagatellkram übrig.

2. Der Tatvorwurf – das, was tatsächlich geschehen ist – wird im Bußgeldbescheid nicht dargelegt. Er enthält nur die Wiedergabe des Gesetzestexts.

3. Hinzu kommt: Der zitierte Tatort ist ein Witz. Es ist der Ort, an dem der Laster gestoppt wurde. Da ist er stehen geblieben und war da folglich keinesfalls zu schnell. Oder geht Geschwindigkeitsüberschreitung auch im Stillstand? Gewiss nicht!

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