Die Warnzeichen waren deutlich. Einmal ist es bereits im Oktober letzten Jahres passiert, einmal im November. „Zweimal bin ich während der Fahrt auf den Standstreifen gekommen“, erzählt Udo Skoppeck, 62, Lkw-Fahrer seit 44 Jahren, Kilometermillionär und in der Branche auch durch seine politischen Aktivitäten bekannt. Und durch seine auf seiner Facebookseite immer wieder bekundete Leidenschaft für den Beruf. Der Spurhalteassistent in seinem Actros 1853 Gigaspace hatte ihn seinerzeit gewarnt. „Zweimal hatte ich eine heftige Schrecksekunde“, so Skoppeck. „Da war mir klar, dass ich so nicht mehr weiterfahren konnte, und ich habe meinen Chef darüber informiert.“
Eine große Offenheit
Mit dieser Erkenntnis und einer großen Offenheit, für die ich Skoppeck sehr dankbar bin, beginnt der Brennpunkt im Heft 11 des FERNFAHRER, der ab dem 10. Oktober im Handel erhältlich ist. Erst nach mehreren allgemeinärztlichen Untersuchungen und vor allem nach drei entscheidenden Aufenthalten in einem Schlaflabor wurde bei ihm eine typische obstruktive Schlafapnoe festgestellt. So wie sie ganz konkret die AOK auf ihrer Homepage ausführlich beschreibt.

"Ich hatte nach der Auswertung in der Nacht bis zu 50 Atemaussetzer", erzählt Udo Skoppeck, 62, Lkw-Fahrer seit 44 Jahren, Kilometermillionär und in der Branche auch durch seine politischen Aktivitäten bekannt. "Am 22. März hieß es schließlich, ich bin derzeit nicht fahrtauglich. Der sogenannte medizinische Fahrerlaubnisentzug war für mich ein Schock!"
„Ich hatte nach der Auswertung in der Nacht bis zu 50 Atemaussetzer“, erzählt Udo in einem ausführlichen Gespräch bei sich daheim in Solingen. „Am 22. März hieß es schließlich, ich bin derzeit nicht fahrtauglich. Der sogenannte medizinische Fahrerlaubnisentzug war für mich ein Schock!“ Die Reportage beschreibt, wie Skoppeck, unterstützt von der Familie, seither sein Leben geändert hat, daheim eine CPAP-Nasenmaske zum Schlafen trägt, wie die Ruhe und ein regelmäßiger Schlaf in sein Leben eingekehrt sind und er dennoch von seiner Seite her alles versucht, um sich durch viel Disziplin auf einen finalen Test im November vorzubereiten, dessen Bestehen es ihm ermöglichen würde, sich wieder hinters geliebte Lenkrad zu setzen.
Viele Fahrer verdrängen das Problem
„Die Geschichte von Udo Skoppeck ist schon sehr typisch“, sagt Dr. Bernd Mützel in einem ausführlichen Gespräch mit mir. Mützel ist seit 2024 Leiter der Abteilung Arbeitsmedizin, Verkehrsmedizin und Arbeitspsychologie bei der BG Verkehr in Hamburg, der zuständigen Berufsgenossenschaft für die Verkehrsbranche. „Die große Angst, den Job zu verlieren, schwingt in dieser Berufsgruppe immer mit. Viele Fahrer machen ihn aus Leidenschaft heraus. Es ist halt mehr als ein normaler Beruf. Die Leute hängen mit Herz und Seele daran. Das macht es doppelt schwer.“

"Die Geschichte von Udo Skoppeck ist schon sehr typisch", sagt Dr. Bernd Mützel. Mützel ist seit 2024 Leiter der Abteilung Arbeitsmedizin, Verkehrsmedizin und Arbeitspsychologie bei der BG Verkehr in Hamburg, der zuständigen Berufsgenossenschaft für die Verkehrsbranche.
Der 54-jährige promovierte Facharzt für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin war unter anderem im Sanitätsdienst der Bundeswehr, hatte zahlreiche Auslandseinsätze als Truppen- und Notarzt, war Leitender Polizei- und Betriebsarzt sowie Leiter der Impfstelle des Polizeiärztlichen Dienstes (PÄD) in Berlin und zuletzt stellvertretender Leiter des Betriebsärztlichen Dienstes für den öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg. Er befasst sich intensiv mit dem Thema. Seine Kernaussage zur Schlafapnoe ist eindeutig: „Die einen sind die Lkw-Fahrer, die es eben nicht merken, bis etwas Schlimmes passiert. Die anderen sind die Fahrer, die es irgendwie erahnen oder glauben, es zu wissen, aber Angst vor den möglichen Folgen und Konsequenzen haben und das Thema verdrängen, um nicht den Job zu verlieren. Das ist die Gruppe, die tatsächlich am meisten gefährdet ist.“
Die Tagesmüdigkeit wird subjektiv wahrgenommen
Das Thema ‚Tagesschläfrigkeit‘ und ‚Tagesmüdigkeit‘ wurde leider zu lange unterschätzt und auch ein wenig stiefmütterlich behandelt, obwohl es für die allgemeine Verkehrssicherheit auf den Straßen von herausragender Bedeutung sei, warnt Mützel. Wobei die Tagesmüdigkeit oft synonym genannt wird. Der Unterschied: Die Fahrer sind aus vielerlei Gründen erschöpft, aber mit der subjektiven Wahrnehmung, dass sie an einem oder dem anderen Tag einmal nicht leistungsfähig sind. Eine permanente Übermüdung der Lkw-Fahrer als Gefahr ist spätestens seit dem Verkehrsgerichtstag in Goslar im Jahr 2004 bekannt, 2021 hatte die internationale Gewerkschaft ETF noch einmal im Rahmen einer Studie eindrücklich davor gewarnt.
Die Arbeitsbedingungen als Ursachen
Die Arbeitsbedingungen vieler Lkw-Fahrer als Ursachen für Müdigkeit sind Teil der Sendung "Hannas Diagnose" mit der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. Hanna Schüssler und dem heute 69-jährigen Lkw-Fahrer Burkhard Taggart, der an dieser ETF-Studie beteiligt war. Ich lege sie hier noch einmal allen ans Herz, die sich Gedanken um ihre eigene Gesundheit oder, als Unternehmer, ihrer Fahrer machen. Und als Spedition innerbetrieblich nach Lösungen suchen. Selber ausbilden, um den Nachwuchs zu sichern, etwa. Die Arbeitsabläufe entzerren. Erleichtert wird das durch eine entsprechende Flottengröße. „Das Problem haben eher die kleinen Unternehmen“, so Mützel. „Wenn dort ein Fahrer ausfällt, dann müssen die anderen es kompensieren. Je kleiner der Personalpool an Fahrern ist, umso höher wird der Druck und die Problematik.“
Die gefährliche Tagesschläfrigkeit
Bei der Tagesmüdigkeit fehle dieser Einschlafzwang, differenziert Mützel allerdings. „Die Tagesschläfrigkeit dagegen, dieser gefährliche Sekundenschlaf, dieses Zwangseinschlafen, ob die Fahrer es wollen oder nicht, das kann man messen, und das ist eine Krankheit. Dahinter steckt fast immer ein obstruktives Schlafapnoesyndrom. Manchmal auch ein versteckter Diabetes.“ Letzten Endes finden die Fahrer keinen erholsamen Schlaf. Es fehlen die tiefen Schlafphasen, die REM-Phasen. „Durch diese Krankheit schlafen sie praktisch zwangsweise ein.“ Passiert ein Unfall durch nachgewiesene Übermüdung trägt der Fahrer die juristische Verantwortung durch die Gefährdung des Straßenverkehrs, die sich aus Paragraf 315c des Strafgesetzbuches ergibt. Dort heißt es unter anderem: „Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Keine konkreten Zahlen
Sehr viele Lkw-Fahrer haben höchstwahrscheinlich ein Sekundenschlaferlebnis bereits gehabt und erlebt, dass sie letzten Endes ein Assistenzsystem in der Spur hält. „Das passiert viel häufiger als wir denken“, so Mützel. Nur selten, wie etwa am 13. September auf der A 14 wird ein Sekundenschlaf vor Ort ermittelt. Die meisten Fahrer, denen es passiert, geben oft andere Gründe an. Immer wieder wird etwa einem Reh ausgewichen, das plötzlich die Straße kreuzt und in der Dämmerung verschwindet. „Vieles weist darauf hin, dass Fahrer übermüdet sind und einen Sekundenschlaf hatten“, so Mützel. „Aber sie geben es nicht zu. Und daher taucht es auch nicht in den Statistiken auf. Es fehlt uns an Ehrlichkeit im Umgang mit dem Problem.“
Besorgniserregende Entwicklung für die Transportbranche
Die Fahrer werden im Durchschnitt älter, die demografische Entwicklung ist seit Jahren bekannt. Schon jetzt ist ein Drittel aller Fahrer in Deutschland über 55 Jahre und älter. „Und damit steigt einfach die natürliche Häufigkeit der Tagesschläfrigkeit und des Schlafapnoesyndroms“, warnt Mützel. „Die Fahrer schlafen immer schlechter, sie haben nachts immer wieder ihre Atemaussetzer. Es gibt Studien, die sagen, bis zu 60 Prozent der Leute kriegen das im höheren Alter.“ Für die Transportbranche ist das eine besorgniserregende Entwicklung. „Und wenn ich dann sehe, wie alt teilweise die Lkw-Fahrer inzwischen schon sind, die sich aber trotzdem hinters Steuer setzen, weil es keinen Nachwuchs gibt, dann haben wir da mit Sicherheit ein Problem, das sogar noch größer werden wird. Aber darüber will keiner wirklich reden.“
Permanent den Berg hochrennen
Dazu kommt: Männer ab 50 haben zunehmend Schwierigkeiten im Wechsel- und Schichtsystem zu arbeiten. Und wenn sie gegen den Biorhythmus arbeiten, dann ist das so, als würden sie permanent den Berg hochrennen. Sie haben keine Möglichkeit, sich zu erholen. Bluthochdruck und Stoffwechselentgleisungen sind nur zwei der möglichen Folgen. „Der Körper gewöhnt sich an diesen Zustand“, so Mützel. „Ihr Gehirn betrügt sich selbst, es will ja die Leistung bringen, der Mensch ist von der Evolution ja so getrimmt auf Leistungsphasen. Und das wäre auch nicht das Problem, wenn er zwischendurch die Möglichkeit hätte, sich zu erholen. Doch genau diese Möglichkeit fehlt jetzt, es ist wie eine permanente Ausschüttung von Stresshormonen. Der Körper schüttet permanent Stresshormone aus, um durchhalten zu können. Er unterdrückt sich dabei selbst permanent.“
Mit "Convoy" ins Berufsleben eingestiegen
Als sich am 30. September die Nachricht in den sozialen Medien verbreitete, dass Kris Kristofferson, der Held aus dem Trucker-Action-Film "Convoy" von 1978, im Alter von 88 Jahren verstorben war, zeigte sich schnell, wie viele heute ältere Lkw-Fahrer durch diesen Film, ähnlich durch die Kultserie „Auf Achse“, überhaupt erst angeregt wurden, Lkw-Fahrer zu werden. Daher rührt meiner Meinung nach auch eine, früher oft von mir selbst erlebte Bereitschaft, ein Ziel, den Transport von A nach B, gegen alle Widrigkeiten zu erreichen. Seit Jahrzehnten geschieht das leider gegen die Vorgaben der Sozialvorschriften. Bei Einsatzzeiten von 13 bis 15 Stunden am Tag, bei Verschleierung der Entladetätigkeiten beim Abladen als Pausen, durch Zeitdruck durch Zeitfenster, bei denen mittlerweile ein Bonus-Malus-System mancher Logistikkonzerne den Frachtführern, deren Fahrer trotz aller Widrigkeiten auf den Straßen, zu spät kommen, Geld abziehen. Dazu kommt die extrem angespannte Situation der von allem in der Nacht heillos überfüllten Parkplätze entlang der Autobahnen.
Die Definition über den Beruf
„Berufstätige Männer definieren sich auch heute noch über ihren Beruf“, so Mützel. „Frauen haben da grundsätzlich ein viel besseres Gleichgewicht, was die berufliche Tätigkeit und das familiäre Leben betreffen. Männer sind noch immer sehr stark auf ihren Beruf fixiert. Insbesondere die Generation, die jetzt noch hinterm Lkw sitzt und dafür sorgt, dass diese überhaupt noch fahren. Männer gehen halt viel weniger zu Vorsorgeuntersuchungen und kümmern sich viel weniger um sich selber. Sie definieren sich viel mehr über ihren Beruf und ihren Erfolg. Dieser Erfolg bringt sie am Ende um.“
Lkw-Fahrer – einer der gefährlichsten Berufe
Nur ein Beispiel: Gerade der Wechsel- und Schichtdienst, der im Zuge weiterer Online-Bestellungen der abholfaulen Konsumenten weiter zunehmen wird, oder dieses ständige azyklische Arbeiten im normalen Fernverkehr, dieser andauernde Kampf gegen den eigenen Biorhythmus unterdrückt letzten Endes die eigenen Bedürfnisse. Man fährt wie auf einer selbstgeschaffenen mentalen Dauerdroge. Hinzukommt, dass sich viele Fahrer auch noch mit „ihrem eigenen Lkw“ gerne identifizieren und sich, gerade bei besonders ausgestatteten Fahrzeugen, mit Möglichkeit dagegen wehren, diesen mit anderen Fahrern im Wechsel zu teilen.
„Jeder Beruf, bei dem Sie gegen ihre eigene Natur ankämpfen, ist gefährlich“, so Mützel. „Es ist aber nicht so, dass der Fahrerberuf zum Schlafapnoesyndrom führt. Der Beruf kann zu einer anhaltenden Tagesschläfrigkeit führen, ein Krankheitsbild, das sich auch in vielen anderen Berufsgruppen darstellt. Daher gibt es diesen Kausalzusammenhang nicht.“
Ist die obstruktive Schlafapnoe eine Berufskrankheit? Dr. Bernd Mützel verneint das. Er verweist auf die Berufskrankheitenliste, die durch die Bundesregierung auf Rat des Ärztlichen Sachverständigenbeirates "Berufskrankheiten" (ÄSVB) festgelegt wird. Was auf dieser Liste steht, wird von den Berufsgenossenschaften anerkannt, alle anderen Erkrankungen nicht. Das Schlafapnoesyndrom steht nicht darauf.
Der mentale Verantwortungsstress
„Bei den Lkw-Fahrern kommt noch der mentale Verantwortungsstress dazu“, meint Mützel. „Dieser Kreislauf ist momentan nicht zu durchdringen. Eigentlich müssten es die jüngeren Fahrer machen, die können es besser kompensieren, aber es machen halt die älteren Fahrer, die bis zur Rente oder darüber hinaus durchhalten.“ Doch für die Entzerrung der Schichtdienste oder eine flexiblere Zeiteinteilung, die auch älterer Fahrer spürbar entlastet, gibt es zwar gute Beispiele, aber in der Gesamtheit nicht genug junge Leute, die diesen Beruf noch ausüben wollen. Also wird ein großer Teil der Transportleistung von gesundheitlich angeschlagenen Fahrern abgewickelt.
Späte Erkenntnis
„Nachdem ich mit 69 Jahren endgültig in Rente gegangen bin“, so berichtet Burkhard Taggart auf meine Nachfrage heute, „habe ich das getan, was ich schon während meines Arbeitslebens hätte tun sollen. Ich habe meinen Arzt aufgesucht und mich endlich ordentlich durchchecken lassen. Ich wurde von einem Facharzt zum nächsten geschickt und musste feststellen, dass während der letzten Jahre vieles schiefgelaufen war.“
Stark erhöhter Blutdruck, sehr häufige Kopfschmerzen und Probleme im Bewegungsapparat zählten dazu. Seine späte Erkenntnis: „Dabei bin ich noch glimpflich weggekommen. Ich habe den Fehler gemacht, wie die meisten Kollegen. Mein Schwerpunkt lag immer auf der Erledigung der Arbeit und nicht auf meiner Gesundheit. Arzttermine wurden immer rausgeschoben und es wurden dann nur Symptome bekämpft, anstatt die wirklichen Ursachen zu suchen. Manchmal frage ich mich, warum ich in einem der am schlechtesten bezahltesten Berufe gearbeitet habe und als Gegenleistung meine Gesundheit fast ruiniert habe. Dabei habe ich noch Glück gehabt. Viele Kollegen hat es voll erwischt.“