Nationaler Radverkehrskongress 2025: Eine verpasste Gelegenheit

Nationaler Radverkehrskongress 2025
Eine verpasste Gelegenheit

Zum 9. Nationalen Radverkehrskongress am 3. Juni lädt der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder nach Berlin. Ziel ist es, die strategische Ausrichtung der Radverkehrspolitik gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern aus Bund und Ländern voranzutreiben und die zukünftige Entwicklung des Radverkehrs auf nationaler Ebene ressortübergreifend zu gestalten. Vertreter aus Transport und Logistik sind leider nicht dabei.

Eine verpasste Gelegenheit
Foto: Helmut Huhn

Das Foto des Lkw-Fahrers Helmut Huhn, das dieser anlässlich einer Unfallaufnahme der Polizei am 31. März dieses Jahres bei der Ausfahrt vom Scania-Gelände in Hannover Brink-Hagen aufgenommen hat, passt auf den ersten Blick eigentlich so gar nicht zum „Weltfahrradtag“ am 3. Juni. Es wird dominiert von zwei Lkw. Ein Scania hatte das Gelände gerade verlassen. Der 48-jährige Fahrer eines Actros Sattelzuges wollte laut Angaben der Pressestelle der Polizei Hannover gegen 16:50 Uhr nach rechts abbiegen. Zeitgleich befuhr ein 29-jähriger Radfahrer den Radweg der Straße Industrieweg und wollte die Wiesenauer Straße in Höhe der Radfahrerfurt geradeaus überqueren.

Der Lkw-Fahrer missachtete aus bislang unbekannter Ursache den Vorrang des in gleiche Richtung auf dem Radweg fahrenden Radfahrers. Es kam zu einer Kollision, bei welcher der Radfahrer zu Boden stürzte und dabei leicht verletzt wurde. Der Sattelzug stand nach den ersten Ermittlungen der Polizei in Endstellung. Der Radfahrer soll nach dem Unfall auf Höhe des Fahrerhauses gelegen haben. Die Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen fand nach Spurenlage wohl auf der Radfurt statt, als der Radfahrer diese überquerte. Der Sattelzug bog in der Kollisionsphase noch weiter nach rechts ab und kam dann höchst wahrscheinlich erst einen Augenblick später in den Endstand, wobei er das Fahrrad noch mitschleifte.

Es gibt im Prinzip keinen "Toten Winkel"

Eigentlich sollte das Foto im Brennpunkt des noch aktuellen FERNFAHRER 06/2025 unter dem Titel „Die Gefahr der neun Augenblicke“ den dort gezeigten Filmbeitrag des freien Dozenten Benedikt Spreine kontrastieren, der belegt, dass es auch beim dynamischen Abbiegen selbst bei richtig eingestellten Spiegeln praktisch rund um den Lkw keinen „Toten Winkel“ gibt. Wir hatten uns dann für ein Foto von der Unfallstelle aus der Hamburger HafenCity entschieden. Gerade in dem dort verlinkten Blogbeitrag „Eine Frage der richtigen Reaktion“ ging es schon Ende Januar 2023 um die Frage, ob der verbaute Abbiegeassistent wirklich richtig funktioniert hat und welche Rolle bei der Urteilsfindung die nach der langwierigen Ermittlung final festgestellte Geschwindigkeit des Lkw spielen würde. Und es ging um die damalige Haltung eines Vertreters des ADFC.

Das Urteil geht aus diesem Beitrag der Bild-Zeitung hervor. Gegen das Urteil des Amtsgerichts hatte die Staatsanwaltschaft selbst Berufung eingelegt. Auch der ADFC hatte es kritisiert. Die Verhandlung fand am 25. April 2025 vor dem Oberlandesgericht statt. Diese war auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, die Schuldfrage stand nicht mehr im Raum. Es ging also nur um die Höhe der Strafe, nicht mehr um die Sache. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde verworfen, es blieb also beim erstinstanzlichen Urteil. Als Bewährungsauflage hat der Angeklagte eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro zu bezahlen.

Eine langsame Transformation

Und so passt das Foto doch zum „Weltfahrradtag“ und vor allem zum 9. Nationalen Radverkehrskongress am 3. Juni. Denn da lädt der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder nach Berlin. Ziel ist es, die strategische Ausrichtung der Radverkehrspolitik gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern aus Bund und Ländern voranzutreiben und die zukünftige Entwicklung des Radverkehrs auf nationaler Ebene ressortübergreifend zu gestalten. Ein Blick in das Programm und vor allem die Liste der Teilnehmer zeigt aber auch: Außer dem Präsidenten des Bundesamtes für Logistik und Mobilität (BALM), Christian Hoffmann, der sich qua Amt sowohl um Lkw-, als auch um Radfahrer kümmert, ist kein Vertreter aus Transport und Logistik dabei. Was auch damit zu hat, dass die meisten auf der zweitgleich stattfindenden Messe „transport logistic“ in München vertreten sind.

Daher heißt es von einem Vertreter des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) auf Nachfrage: „Ein absolut berechtigter Punkt. Wir nehmen an, die verschiedenen Säulen im Bundesverkehrsministerium kommunizieren noch nicht optimal miteinander, so dass die Organisatoren des Radverkehrs den Güterverkehr und das zwingend notwendige bessere Miteinander nicht auf dem Schirm hatten. Wir werden versuchen, bei unseren anstehenden Terminen das Thema auf die Agenda zu setzen.“

Die nächste Gelegenheit nutzen

Und so hoffe ich, dass diese zunächst verpasste Gelegenheit bei der politisch gewollten und auch dringend nötigen Transformation der gesamten Mobilität in den Innenstädten die Lkw-Fahrer selbst nicht unter die Räder kommen, solange bestimmte Punkte der Straßenverkehrsordnung nicht angepasst werden. Wonach es derzeit nicht aussieht. Daher wiederhole ich hier noch einmal nach dem jüngsten Urteil aus Köln zu einem Rechtsabbiegeunfall die Aufforderung des Richters, dass der Fahrer sich in diesem Fall auf das Gelände einer Tankstelle hätte herantasten sollen.

Es entspricht dem, was der Verkehrsrechtsexperte Prof. Dieter Müller in meinem Brennpunkt final schreibt: „Für die Lkw-Fahrer bedeutet es weiterhin, auch hinsichtlich mittlerweile dank E-Bikes stark unterschiedlicher Geschwindigkeiten, mit denen sich die Radfahrer annähern, dass sie den Vorrang der Radfahrer bereits dann zu beachten haben, wenn sie mit ihnen rechnen müssen. Also innerorts praktisch immer. Sie können die Unfallgefahr also nur durch rechtzeitige Vorsicht verringern.“