Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Im Grunde fällt der Vorgang, den der Kölner Rechtsanawalt Philippe Rabenschlag derzeit auf dem Tisch liegen hat, daher unter die Rubrik „Dumm gelaufen“. Ende März hatte ein Frachtführer aus Süddeutschland den Auftrag, eine Ladung zu einem Kunden in Mailand zu bringen. Aus gesundheitlichen Gründen konnte dessen Fahrer die Fahrt kurzfristig aber nicht antreten, und so sprang in dieser personellen Notlage ein befreundeter Unternehmer ein. Auch das gibt es noch im knallharten Wettbewerb. Doch dieser schickte seine Fahrerin mit dem Trailer und einem Scania R aus dem Baujahr 2016 nach Italien.
Ein Fahrzeug aus der kleinen Flotte mit vier älteren Lkw, der eigentlich nur dafür gedacht war, im nationalen Transport eingesetzt zu werden. Es endete mit einem Desaster, wie Rabenschlag auf seiner Facebookseite „Recht und Mobilität“ auch als Warnung für andere Unternehmer veröffentlichte. Der Inhaber und Gründer der Kanzlei verfügt über eine umfassende Expertise in der Transportbranche, im Straf-, Ordnungswidrigkeiten- sowie im Verwaltungsrecht und blickt auf eine langjährige Berufserfahrung als Jurist im Bundesministerium für Digitales und Verkehr und im Bundesamt für Logistik und Mobilität zurück.
Kontrolle ausgerechnet auf einer Aushilfstour
Denn just auf dieser Aushilfstour geriet die Fahrerin in eine Kontrolle der italienischen Polizei. Diese fackelte nicht lange, baute das Gerät aus, und forderte die Fahrerin auf, binnen 24 Stunden das Land zu verlassen – ohne Tacho. Was bei der nächsten Kontrolle das nächste Problem bedeutet hätte. Denn ganz ohne Tacho darf man eigentlich gar nicht fahren. Zudem verhängte die italienische Polizei eine Sicherheitsleistung von 850 Euro. Rabenschlag hatte den Unternehmer aufgefordert, sich spätestens in Österreich einen neuen Tacho einbauen zu lassen. Denn es ist bislang kein Einzelfall. Laut einem Medienbericht war bereits am 19. März ein deutsches Unternehmen ebenfalls mit einem alten Tacho bei einer Kontrolle in Polen durch die zuständige GITD aufgefallen. Der Verstoß wurde mit einer Geldstrafe von umgerechnet rund 2.400 Euro für das Unternehmen (der Fahrer selbst wird nicht belangt) und für den Verkehrsleiter des Unternehmens mit einer Geldstrafe von rund 480 Euro geahndet.
Übergangsfrist für den Tachographen abgelaufen
Seit dem 21. August 2023 mussten alle erstmalig neu zugelassenen Lkw über 3,5 Tonnen mit dem digitalen Tacho der zweiten Version ausgestattet sein. Das Ende der Nachrüstpflicht am 31. Dezember 2024 für alle älteren analogen sowie die digitalen Fahrtenschreiber der 1. Generation im grenzüberschreitenden Transport sollte also eigentlich in der Transportbranche seit August 2020 bekannt gewesen sein. Doch im Sommer 2023 kristallisierte sich heraus, dass dieser Termin auch auf Grund von Lieferproblemen bei Stoneridge nicht zu halten sein würde. Damals ebenfalls bekanntgeworden durch einen Vorfall in Italien. Von spontanen Touren ohne den neuen Tacho ist also abzuraten.
Kontrolle ausländischer Lkw in Deutschland
Doch wie sieht es in Deutschland mit den Kontrollen der ausländischen Fahrzeuge aus? „Gedacht ist die Aufzeichnungspflicht des Grenzübertritts im Rahmen des EU-Mobilitätspaketes ja, um sicherzustellen, dass das seit dem 2. Februar 2022 europaweit geltende Prinzip „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn“ auch eingehalten wird“, sagt der Stuttgarter Berater für Güter befördernde Unternehmer, Götz Bopp, der bereits frühzeitig auf Eurotransport auf das Thema der Fristen beim digitalen Tacho hingewiesen hatte.
Denn, wie ich es zuletzt in meinem Beitrag „Sozialdumping in Neuss?“ wieder angemahnt hatte, ist gerade in den Binnenhäfen entlang des Rheins und bundesweit an den Terminals des Kombinierten Verkehrs eine schwer bezifferbare Anzahl von in Osteuropa zugelassenen Lkw fest stationiert, die auf den ersten Blick unter das kritische Alter fallen könnten.
BALM erläutert die rechtliche Grundlage
Auf Nachfrage bestätigt das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) diesen rechtlichen Vorgang grundsätzlich und für das BALM typisch. „Stellt der Verkehrskontrolldienst des BALM bei einer Verkehrskontrolle eines in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem anderen EWR-Vertragsstaat zugelassenen Fahrzeugs fest, dass kein Fahrtenschreiber Generation II Version 2 (GEN II V2) nach Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 verbaut ist und das Fahrzeug keiner Ausnahme nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 oder § 18 Fahrpersonalverordnung unterliegt, wird ein Bußgeldverfahren gegen den Unternehmer oder die Unternehmerin eingeleitet und eine Sicherheitsleistung vereinnahmt. Die anzuordnende Sicherheitsleistung bei einem Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 setzt sich grundsätzlich aus der zu erwartenden Geldbuße und den Verfahrenskosten zusammen. Hierzu zählen Gebühren und Auslagen. Bei Fahrlässigkeit ist ein Bußgeld in Höhe von 750-15.000 € und bei Vorsatz in Höhe von 1.500-30.000 € vorgesehen. Aufgrund der von den Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission vereinbarten Übergangsfrist bis zum 28.02.2025 beanstandet das BALM seit dem 01.03.2025 Verstöße gegen die vorbeschriebene Umrüstungspflicht. Daher werden zum jetzigen Zeitpunkt noch keine diesbezüglichen Kontrollzahlen veröffentlicht.“
Ein brandheißes Thema
Der Stichtag für diese älteren Tachos ist der 14. Juni 2019. Dass gerade in Osteuropa zugelassene Fahrzeuge mit dem Baujahr 2019 im Transitland Deutschland unterwegs sind, bestätigen auf meine Nachfragen immer wieder die Pressestellen der Autobahnpolizei. So wie zuletzt in Thüringen, wenn einmal mehr ein MAN TGX oder TGS unterwegs aufgrund eines technischen Defekts in Brand geraten ist, in diesem Fall aus Polen. Es sind praktisch die letzten ihrer Art. Die brauchen allerdings keinen neuen Tacho mehr. Aber das ist ein anderes Thema für einen weiteren Blogartikel.
Nachtrag: Antwort des BALM
"Die Um- bzw. Nachrüstpflicht betrifft alle Fahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden.
Der Verkehrskontrolldienst des BALM (VKD) überprüft auch bei in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen die Um- bzw. Nachrüstpflicht. Grundsätzlich ist während der Kontrolle in Deutschland der Tatbestand „in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt“ bei in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen nicht erfüllt. Im Gegensatz dazu ist der Tatbestand bei nicht in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen bei den Verkehrskontrollen des BALM grundsätzlich immer erfüllt.
Der VKD überprüft bei einem in Deutschland zugelassenen Fahrzeug, soweit ein analoger bzw. digitaler Fahrtenschreiber eingebaut ist, ob das Fahrzeug seit dem 01.03.2025 im Ausland eingesetzt war. War dies der Fall, leitet der VKD förmlich ein Bußgeldverfahren durch Erstellung eines Kontrollberichts ein und übermittelt diesen an die zuständige Landesbehörde."