Die volle Leistung liegt sofort an. Doch man hört sie nicht. Es ist ein leises Rauschen, wenn Christian Scholl den Motor des DAF CF Electric mit seinen 210 kW Leistung startet und den 37 Tonnen schweren Sattelzug aus dem Duisburg Intermodal Terminal (DIT) bewegt. Scholl fährt für die Rhenus-Tochter Contargo im Hinterlandverkehr. Schon seit Mai 2019 sind hier im Logport zwei identische DAF CF vollelektrisch im Containertransport unterwegs. "Ich kenne es nicht anders", sagt Scholl, der Mitte Juni 2020 als Umschüler zwar auf einem Diesel-Lkw gelernt hat, seither aber unter Strom fährt. Wenige Hundert Meter später steht er vor einem Kreisverkehr im Lkw-Nachmittagsstau. "Diese lauten Dinger machen mich mittlerweile wahnsinnig", lacht Scholl.
Spätestens bis 2035, das hat der amtierende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Mitte März noch einmal betont, sollen reine Verbrennermotoren auslaufen. Die Nutzfahrzeugindustrie arbeitet daher mit Hochdruck an alternativen Elektroantrieben. DAF und MAN haben längere Erfahrungen im Praxiseinsatz von mittelschweren und schweren E-Lkw, die Daimler Truck AG testet seit 2018 elf eActros bei 19 Kunden und will sie in der zweiten Jahreshälfte 2021 in Serie auf den Markt bringen. Wie ist daher die Akzeptanz der E-Lkw bei den Fahrern von Contargo, Inapa, Ritter Sport und Wenner Kartonagen selbst? Christian Scholl etwa ist nach wie vor Feuer und Flamme. "Ich bin sehr stolz darauf, an diesem Zukunftsprojekt zum Klimaschutz teilnehmen zu dürfen", betont er. "Und überall dort, wo ich mit dem Lkw hinkomme, stoße ich auf ein großes Interesse bei den technikbegeisterten Kollegen. Vor allem, wenn ich mich vorher regelrecht angeschlichen habe.

"Es ist allerdings noch ein langer Weg für den E-Lkw. Der Dachverband der europäischen Fahrzeughersteller (ACEA) hatte zu Beginn dieses Jahres eine Studie zu mittelschweren und schweren Nutzfahrzeugen in Europa veröffentlicht. Von den 6,2 Millionen Lkw in Europa sind demnach nur 0,04 Prozent emissionsfrei unterwegs. Vor allem in der weiter anhaltenden Coronapandemie mit extrem scharf kalkulierten Frachtpreisen bis zur letzten Meile kämpfen gerade kleine und mittelständische deutsche Frachtführer, die nur einen reinen Fuhrpark haben, ums Überleben. Da geht der Blick eher zum Monatsende als zum ökologisch sauberen Horizont. So sind es vorwiegend große Logistiker oder Produzenten im Werkverkehr, die es sich überhaupt leisten können, in derartige Fahrzeuge zu investieren, deren reine Anschaffungskosten derzeit zwei Drittel teurer sind als ein dieselgetriebener Lkw. Sascha Hähnke, innovativ denkender Geschäftsführer der Rhenus Transport GmbH, hofft also darauf, dass bald ein Antrag des Bundesverkehrsministeriums von der EU-Kommission in Brüssel genehmigt wird. "Dann könnten schon einmal bis zu 80 Prozent dieser Mehrkosten gefördert werden", sagt Hähnke.
Eine Frage der Reichweite
Sechs bis acht Jahre soll der DAF von Christian Scholl insgesamt laufen. DAF hat derweil bereits die neue Generation mit rund 700 Kilogramm leichteren Batterien entwickelt. "Über Nacht werden die aktuellen Batterien an einer von zwei eigenen Ladesäulen aufgeladen", erzählt er. "Das dauert rund sechs Stunden." Motor, Kupplung und Getriebe gibt es im E-Lkw nicht mehr. "Im Prinzip funktioniert der elektrische Antrieb wie ein Akkuschrauber. Ich fahre in meiner Tagschicht entweder gleich mehrere Touren zwischen den Terminals im Logport oder lange Touren bis Krefeld oder Oberhausen. Bis der Akku leer ist." Die mittlerweile im Dauereinsatz gesicherte Reichweite für den Sattelzug liegt bei rund 110 Kilometern. "Das bedeutet allerdings ein defensives Fahren." Wenn Christian es wollte, könnte er auf der zweispurigen Ausfahrt aus dem Terminal an einer Ampel jeden 770er-Scania locker stehen lassen. "Das ist wiederum nicht gut für die Reichweite", schränkt er ein. "Für einen E-Lkw braucht man schon einen sehr ruhigen Gasfuß." Das meint auch Udo Anderer, seit 29 Jahren ein begeisterter Lkw-Fahrer. Genauso lange ist er bei Inapa in Ettlingen beschäftigt. Dort fährt er normalerweise einen dieselgetriebenen MAN in der Nahverkehrsdistribution von Palettenware. "Ich beliefere in Tagestouren vor allem Druckereien, Copyshops oder Schulen im Großraum Karlsruhe", so Anderer. "Ich beginne gegen sechs Uhr am Morgen mit dem vorgeladenen Lkw und habe pro Tour zehn bis zwölf Abladestellen." Das Papiergroßhandelsunternehmen mit 180 Lkw an allen 18 deutschen Standorten testet bereits seit letztem Jahr einen vollelektrischen eActros mit 25 Tonnen Gesamtgewicht, einem 7,30 Meter langen Wechselkoffer plus einer Hebebühne. Auch Anderer gefällt der nahezu geräuschlose Antrieb. "Allerdings muss ich gerade im innerstädtischen Verkehr besonders aufmerksam sein. Denn die Passanten nehmen mich kaum wahr, so leise ist der Lkw. Daher bin ich froh, dass ich auch einen Sideguard Assist an Bord habe. Das ist eine echte Chance für die Logistik. Unsere Kunden jedenfalls sind durch die Bank begeistert, wenn ich mit dem E-Lkw vorfahre."
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