Im Jahr 2020 hat das BAG über 25.000 Bußgeldbescheide gegen gebietsfremde Fahrer und Unternehmer erlassen. Eine Prüfung im Einzelfall würde nicht nur das Amtsgericht Köln heillos überlasten, gerade die Fahrer der oft zitierten litauischen Frachtführer könnten dabei ihre tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse geltend machen.
Würde man die vielen Kommentare vor allem in den sozialen Medien über den sogenannten „Staatenabschlagskatalog“ des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG), der in den letzten Wochen für erheblichen medialen Wirbel gesorgt hat, in einem Cartoon zusammenfassen, sähe das Bild wohl so aus: Ein BAG-Kontrollfahrzeug auf einem Rastplatz, ein Kontrolleur gibt Wechselgeld heraus. Auf dem Dach lockt ein Aufsteller. 50 Prozent auf alles. Außer Tiertransporte. Eine Zeit lang stand selbst nach Berichten der Fachpresse der Untergang des logistischen Abendlandes im Raum, weil sich gerade die großen marktaggressiven litauischen Frachtführer erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen würden, da besonders ihre Fahrer nominell 50 Prozent Nachlass auf ihre Bußgelder gewährt bekommen. Zwar hat das BAG früh auf seiner Website Stellung bezogen, warum es bei 21 von 185 Staaten ab einem Sockelbetrag von 250 Euro ebenjene 50 Prozent oder auch nur 25 Prozent Nachlass gewährt. Aber im Laufe der öffentlich geführten „Rabattschlacht“ ist manches durcheinandergeraten.
Der Unternehmer zahlt die dreifache Summe
Zunächst: Es sind weder die Verstöße der Fahrer (aller Nationen) gegen den Mindestabstand noch gegen das Überholverbot betroffen. Die liegen deutlich unter der Bemessungsgrenze von 250 Euro. Hier besteht lediglich die Problematik, dass gerade die osteuropäischen Fahrer, die nicht an Ort und Stelle sofort danach eine Sicherheitsleistung auf das zu erwartende Bußgeld entrichten, auf Grund einer EU-Richtlinie über die Halter der Lkw nach wie vor zunächst nicht zu fassen sind – wobei sie sich dann aber der Gefahr aussetzen, bei der nächsten Kontrolle erwischt zu werden. Und im Gegensatz zu einer ebenfalls weit verbreiteten Meinung können auch die gebietsfremden Fahrer Punkte in Flensburg bekommen – und sich damit nach Erreichen der maximalen Punktzahl einen Entzug der Fahrerlaubnis in Deutschland einhandeln.
Entscheidend ist in diesem Kontext aber der Punkt, dass die gebietsfremden Unternehmer selbst gar nicht von diesen Rabatten für ihre Fahrer profitieren. Im Gegenteil: Im deutschen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) zahlen sie nach dem aktuellen Bußgeldkatalog zum deutschen Fahrpersonalrecht gerade bei den Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten, um die es bei den Kontrollen des BAG überwiegend geht, in der Grundregel den dreifachen Satz des Fahrers, der den Verstoß begangen hat. Denn sie sind laut der VO (EG) 561/2006 und der VO (EU) 615/2014 im Rahmen der Organisationspflicht dafür verantwortlich, dass sich ihre Fahrer eben an die Gesetze halten. Dass sie demnach wirtschaftliche Vorteile hätten, weil ihre zugegeben schlecht bezahlten Fahrer teilweise Rabatte auf Bußgelder bekommen, ist rational nicht nachzuvollziehen.
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