ZF Lenksysteme Elektrolenkung mit aktivem Lenkeingriff

Elektrolenkung mit aktivem Lenkeingriff, Mercedes, Erprobungsfahrzeug Foto: Thomas rosenberger, ZFLS 5 Bilder

ZF Lenksysteme hat eine Elektrolenkung für leichte Nutzfahrzeuge zur Serienreife getrieben. Das System dient nicht nur der Fahrsicherheit. Es soll vor allem ordentlich Sprit sparen.

Leichtfüßig spurtet der Mercedes Sprinter über die Landstraße. Kein anderes Auto in Sicht – also schnell noch ein Blick in die Lieferpapiere. Das ist zwar nicht gerade vorbildlich, wird aber angesichts der freien Bahn schon keinen stören. Da! Ein Ruck am Lenkrad, das Volant schlägt nach links aus. Der Transporter schwenkt zurück in die Fahrbahnmitte. Sofort ist der Fahrer wieder bei der Sache.

Unaufmerksamkeit birgt Gefahr

Nur ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit hat ausgereicht und der Sprinter hat sich gefährlich nahe der Leitplanke genähert. Ein Szenario, das so sicherlich unzählige Male am Tag überall passiert. In diesem Fall war die Situation gestellt und jederzeit im Griff. Die Redaktion hat das elektronische Lenksystem EPS von ZF-Lenksysteme (ZFLS), einem Gemeinschaftsunternehmen von Bosch und ZF Friedrichshafen, getestet.

In Oberklasse-Limousinen ist es schon zu haben, seit 2008 arbeiten Alexander Gaedke, Leiter Zentrale Forschung und Entwicklung bei ZFLS, und sein Team an der Integration in leichte Nutzfahrzeuge. Als Prototyp dient ein Mercedes Sprinter. Die Vorentwicklung lief aber laut Gaedke ­ohne einen Fahrzeughersteller als Partner. Dabei stand die Fahrsicherheit gar nicht an erster Stelle.

Dem Team von ZFLS ging es vielmehr darum, den Spritverbrauch und die Emissionen zu senken. Die Elektrolenkung spare im Mittel 0,6 Liter Diesel pro 100 Kilometer und umgerechnet 16 Gramm CO2 pro Kilometer – macht 150 Liter bei einer Laufleistung von 25.000 Kilometern und derzeit rund 225 Euro pro Jahr weniger Ausgaben für Kraftstoff. "Ein Verbrauchsvorteil, den die Fahrzeughersteller angesichts der Strafen für zu hohen Flottenverbrauch nicht außer Acht lassen können", argumentiert Gaedke. In weniger als zwei Jahren soll sich EPS rechnen.

Leistungsaufnahme nach Bedarf spart Sprit

Die Spritersparnis ergibt sich aus der bedarfsgerechten Leistungsaufnahme. Eine konventionelle Lenkung dagegen benötigt laut Gaedke ständig eine mittlere Leistungsaufnahme von 800 Watt, da die Hydraulikpumpe ständig mitläuft. Der elektrische Stellmotor nimmt dagegen nur so viel Leistung auf wie gerade nötig.

Bei EPSapa von ZFLS, also der Elektrolenkung mit achsparalleler Anordnung des E-Motors, überträgt ein Riemengetriebe die Leistung des Stellmotors auf das Kugelgetriebe der Lenkung. Um die Spindel auf der Zahnstange dreht sich die fix positionierte Kugelmutter. So verschiebt sich die Zahnstange in der Mutter und erzeugt einen Lenkeinschlag entsprechend dem Fahrerwunsch. Den wiederum erkennt ein Sensor über das Drehmoment am Lenkrad. EPSapa ist eines von fünf EPS-Systemen, das sich aber aufgrund des leistungsstarken Stellmotors vor allen anderen Auslegungen empfohlen habe. "Es ist das klassische Konzept aus dem Pkw-Bereich. Wir benötigen so viele Gleichteile wie möglich, etwa den Motor, um die Kosten gering zu halten", erklärt Gaedke.

Obergrenze für den elektrischen Stellmotor ist derzeit eine Lenkkraft von 18 Kilonewton. Das entspricht dem Bedarf an der Vorderachse eines schweren Transporters um die fünf Tonnen Gesamtgewicht beziehungsweise zwei Tonnen Vorderachslast. Das Mehrgewicht von ­EPSapa fällt gegenüber einer Hydrolenkung kaum ins Gewicht. Es soll bei ein bis zwei Kilo liegen.

Lenksystem sorgt für Ausgleich

Spürbar fallen dagegen die Vorteile aus. Ständig unterstützt der Lenkmomentassistent den Fahrer. Bei einem Untersteuern des Fahrzeugs überlagert die Elektrosteuerung den zu starken Lenkwunsch des Fahrers. EPS zieht das Lenkmoment nach und nach hoch, sodass der Fahrer den Einschlag unwillkürlich reduziert und nicht wild am Volant leiert. Kommt dagegen das Heck, lenkt EPS gezielt und blitzschnell gegen – laut Gaedke noch schneller als das Stabilitätsprogramm ESP reagieren kann. Der Fahrer kann jeden aktiven Eingriff des EPS jedoch jederzeit übersteuern. So schreibt es auch das Gesetz vor.

Mutter Bosch stellt nicht nur das Stabilitätsprogramm, es liefert auch ein Kamerasystem zu, wie sie für einen Spurhalteassistenten notwendig ist, damit dieser den Fahrbahnverlauf erkennt. EPS weist den Fahrer auf eine Gefahr hin, indem es erst sanft und beim schnellen Überfahren einer Fahrbahnbegrenzung ohne gesetzten Blinker vehement, aber nie störend, mit bis zu drei Newtonmeter Überlagerungsmoment am Drehstab gegenlenkt. Hält der Fahrer das Fahrzeug für mehr als zwei Sekunden und damit bewusst nahe der Begrenzung, gibt die Elektrolenkung ihren Widerstand auf. Und sie lässt sich immer noch ausreichend zackig übersteuern, sollte ein Hindernis auf der Fahrbahn liegen.

Nichts für Städte und Baustellen

EPS lässt sich auch als Spurführungsassistent einsetzen. Dann greift es so in die Lenkung ein, dass das Fahrzeug sich mit einer gewissen Toleranz immer in der Mitte der Spur aufhält. Unter Tempo 60 sind die beiden Assistenten nicht aktiv, genauso wenig wie in einer Baustelle. "In der Stadt ergeben sie wenig Sinn, in einer Baustelle ist die Spurerkennung zu unzuverlässig", erklärt Gaedke. Zuverlässig kommen mit EPS dafür Päckchen an der Haustür an, selbst wenn der Fahrer mal auf den Lieferschein schielt. Wenn sich die Verbrauchsvorteile herumsprechen und 2013 EU-weit unter anderem Spurwächter für Nutzfahrzeuge zur Pflicht werden, könnte das die Einführung von EPS zusätzlich beflügeln.

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