Vorstellung MAN Lion’s Intercity Kampfansage

MAN Lion‘s Intercity, Premiere Foto: Wagner 8 Bilder

Mit dem MAN Lion’s Intercity, der ersten neuen Fahrzeug-Baureihe seit zehn Jahren, will MAN das Segment der preiswerten Überlandbusse knacken.

MAN baut seit nunmehr 100 Jahren Lkw und Busse. Mit den Bussen aber tun sich die Münchner seit jeher etwas schwer. Schlechte Geschäftszahlen, häufige Umstrukturierungen, wenig Innovationen und eher dröges Design – das ist der Eindruck, der sich vielen Kunden und Marktbeobachtern zuweilen aufdrängt. Die Zahlen machen auch heute wieder Sorgen. Das zweite Jahr in Folge stehen zweistellige Millionenverluste in der Bilanz, über die man für den Busbereich gar nicht gerne redet (siehe Interview mit Vertriebsvorstand Heinz-Jürgen Löw). Schwere Zeiten also für die Busse mit dem Löwen im Logo.

Zeit für einen Befreiungsschlag, dachten sich die Busleute in München. Den Produktionsverbund stellten sie wiederum mit der Schließung der Werken in Plauen und Posen noch schlanker auf und starteten eine – wenn auch kleine – Produktoffensive. Ausgesucht hat man sich dafür eine wichtige Nische von rund 4.000 Einheiten im europäischen Markt, der nur mit Kampfpreisen zu beackern ist: das Budget-Intercity-Segment. Von diesem Kuchenstück des stagnierenden europäischen Marktes will sich MAN mittelfristig bis zu 500 Einheiten abschneiden. Bisher konnten die Münchener hier nur mit dem teuren, auf dem Reisebus-Chassis basierenden Lion’s Regio und dem arg in die Jahre gekommenen Lion’s City LE punkten. In der Gunst der Kunden liegt der Regio zwar hoch, so gewinnt er seit 2005 regelmäßig die Kategorie "Überlandbusse" bei der ETM-Leserwahl "Die besten Nutzfahrzeuge".

Allein Geld verdienen lässt sich mit dem Fahrzeug kaum. Zu aufwendig sind Grundstruktur und Ausstattungspakete, um nachhaltig unter die magische 200.000-Euro-Grenze zu rutschen. Auch der D20-Motor schien den Produktstrategen etwas zu groß dimensioniert. Ein Wechsel auf den D08 kam aber hier kaum in Frage.

Module des Chassistyps RR8 verbaut

Was tun also? Da sich der MAN-interne Trend zum Body-Chassis-Konzept schon wieder erledigt zu haben scheint und der Regio sicher in den nächsten Jahren komplett in die Hand genommen werden muss, blieb nur die Option, einen neuen Wagen auf der "Lion’s-Chassis"-Generation selbst zu entwickeln. Unter dem Fußboden in Höhe von 860 Millimetern sind daher Module des Chassistyps RR8 verbaut.

Besonderheit bei dieser Modulbauweise: erstmals seit Jahrzehnten verzichtet MAN in Verbindung mit der neuen, 13 Tonnen tragenden Hypoidachse HY 1350 auf die breite Federspur mit den bananenförmigen, um die Zwillingsreifen herumgebogenen Federträger. Die Konstruktion wird so weniger komplex und auch billiger, da sie direkt vom Lkw abgeleitet werden kann.

Man mag das als Rückfall in die Zeiten vor der technischen Emanzipation des Busses vom Lkw geißeln, allein wie sehr das Fahrverhalten bei voller Ausladung beeinflusst wird, bleibt einem folgenden Test überlassen. Verwunderlich ist es schon, dass MAN auf der einen Seite Innovationspreise für innovative, um 70 Prozent leichtere Carbonfaser verstärkte Federträger verkündet, auch ZF solche in Aluminium für den Stadtbus entwickelt, und nun einfach auf sie verzichtet wird. Bei einer ersten Ausfahrt rund ums Werk Ankara mit leerem Fahrzeug ließ sich jedenfalls kein ungebührliches Fahrverhalten feststellen.

Brav zeigt sich das neue Löwenbaby auch von außen. Die 2001 mit dem Lion’s Star eingeleitete Formensprache für den MAN-Bus wurde eher behutsam als rigoros weiterentwickelt. Den überfälligen, großen Sprung will man sich wohl für die neue Stadt- beziehungsweise Reisebusgeneration vorbehalten.

Trotzdem ist der Wagen durchaus gefällig und ist um die Augen herum dem Regio wie aus dem Gesicht geschnitten. Auffälligstes Merkmal der neuen Bugmaske ist neben neuen Lichtkanten das neue, vom Lkw abgeleitete, schwarze MAN-Schild mit Logo, das so ähnlich schon 2001 beim Lion’s Star zu sehen war.

Hier trafen sich idealerweise Anforderungen aus Marketing und Technik, sitzt doch der Radarsensor für die diversen Sicherheitssysteme hinter der Maske, und daher darf hier kein Metallic-Lack aufgetragen werden.

Alle Hochbodenbusse sollen die neue Maske bekommen

Nach und nach will MAN alle Hochbodenbusse auf die neue Maske umstellen. Ein 100-Jahre-Sondermodell des Lion’s Coach war bereits auf den Busdays in Ankara zu sehen. Ohne die neue Maske würde dem Intercity das nötige Quäntchen an Spannung und physischer Präsenz fehlen. Weitere Highlights sucht man aber vergebens – sieht man von der schnurgeraden "Schwinge" aus Aluminium an der B-Säule einmal ab, die eine gewisse Wertigkeit vermittelt. Markentypisch ist die Frontscheibe optisch weit nach unten und in die Stirn nach oben gezogen.

Wohlbekannt ist auch der hier verbaute 6,7-Liter Motor D0836 mit Common Rail-Einspritzung, der in Euro-6-Ausführung ans Werk geht. Zum Einsatz kommt ausschließlich die stärkere Leistungsstufe mit 290 PS und 1.100 Newtonmeter an maximalem Drehmoment. Das alleine macht schon die natürlichen Grenzen des Einsatzgebietes deutlich. Die Alpentour mit voller Besetzung dürfte sich mit diesen Leistungsdaten verbieten. Der Wettbewerb ist hier deutlich kerniger unterwegs: Daimler bietet bis zu 1.400 Nm, Iveco mit dem Cursor 9 sogar 1.650 Nm. Das sind Welten!

ZF Ecolife oder Voith Diwa

Getriebeseitig ist in Serie das ZF-Sechsgang-Getriebe verbaut, optional auch das ZF Ecolife oder Voith Diwa.6. Zwei Fahrzeug-Längen werden verfügbar sein, der Zwölf-Meter-Wagen hat Platz für 55 Fahrgäste und bietet 5,2 Kubikmeter Kofferraum, der 13 Meter lange Lion’s Intercity C sogar 59 Sitze und 6,4 Kubikmeter. Einen Dreiachser plant MAN vorerst – wie beim eher glücklosen Neoplan Jetliner – vorerst nicht.

Im Innenraum zeigt sich der MAN solide und funktional, mit einer Funktionsleiste aus Aluminium in der Dachvoute macht sich gar ein Hauch Noblesse breit.

MAN liefert auf Wunsch geschlossene oder gelochte Ablagekästen. Ebenso sind Konvektorenheizung, Doppelverglasung, Klimaanlage, Begleitersitz, Kühlschrank vorne sowie ein Multifunktions-Lenkrad im Angebot.

Die Varianz ist also um etliches höher als zum Beispiel beim aktuell getesteten Setra S 415 UL business. Freilich wird der Einstiegspreis von 150.000 Euro in Europa, beziehungsweise 165.000 Euro in Deutschland dann schnell zur Makulatur. Das Cockpit leiteten die Designer wiederum von der aus dem Lkw bekannten Armatureneinheit ("Pille") ab. In Verbindung mit dem hochwertigen Multifunktionslenkrad und der ergonomisch gestalteten Umgebung kann man sich damit anfreunden.

Die Verarbeitung des zweifarbigen Cockpits ist durchaus gut, nur im unteren Bereich wird billiges ABS-Plastik verwendet. Ungebührliches Klappern konnten wir bei der ersten Ausfahrt nicht vernehmen.

Sicherster Überlandbus

MAN rühmt sich, den sichersten Überlandbus auf die Straße gestellt zu haben. Da könnte tatsächlich etwas dran sein. Immerhin ist er der erste MAN-Bus, der als Neukonstruktion die neue Umsturzrichtlinie erfüllt, was ihn aber tendenziell schwerer macht. Die Münchner haben aber entsprechende Sparmaßnahmen ergriffen, alleine bei der Klimaanlage seien 65 Kilo ein gespart worden, heißt es bei MAN.

Die Gewichtsbilanz bleibt abzuwarten, freilich spielt die jetzt in der EU-Kommission beschlossene Erhöhung der Gesamtgewichte auf 19 Tonnen MAN hier in die Hände, gerade bei der C-Variante. Zudem wird der Wagen Anfang 2016 – wenn nach Klasse 2 oder 3 zugelassen – mit dem Notbremssystem EBA 2 ausgeliefert, das auch auf stehende Hindernisse reagiert. ESP ist Serie, außerdem ist erstmals ein Notbremsblinken verfügbar. LGS und ACC werden ebenfalls ab 2016 zu haben sein.

Insgesamt ist der neue Lion’s Intercity sicher kein glamouröser Hingucker, aber zum echten Kampfpreis kann er mit solider Technik und hoher Flexibilität im Überlandsegment aufwarten. Die Rechnung könnte für den darbenden MAN-Busbereich aufgehen.

Modernes Produktionszentrum für zwei Marken

Die Türkei hat sich seit langem zu einem der ersten Busbauländer Europas gemausert, wenn auch die Zugehörigkeit zum Wirtschaftsraum noch offen ist. Neben Daimler fertigt auch MAN seit 1966 in Istanbul Lkw, ab 1985 dann in Ankara. Seit 1986 werden auch Busse gebaut, seit 2006 ausschließlich. Mit der Verlagerung der Produktion der Neoplan-Modelle aus dem Werk Plauen, das zum "Bus Modification Center" mit rund 140 Mitarbeitern verkleinert wird, kommen nun alle Überland- und Reisebusse der Marken MAN und Neoplan aus Ankara, inklusive des Doppeldeckers Skyliner. Anlässlich der Busdays 2015 wurde denn auch die erweiterte Produktion im Beisein des türkischen Industrieministers Fikri Isik, MAN-Produktionsvorstand Carsten Intra und Vertriebsvorstand Heinz-Jürgen Löw sowie Werkleiter Münür Yavuz feierlich eröffnet. Schon 2010 wurde im Rahmen der staatlichen Investitionsprogramme zum 100-jährigen Jubiläum der Republikgründung im Jahre 1924 ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Ankara eingeweiht, 2011 wurde die lange erwartete, hochmoderne KTL-Anlage in Betrieb genommen, deren Bau rund zehn Millionen Euro gekostet hat. Im 320.000 Quadratmeter großen Werk in unmittelbarer Flughafennähe sind 1.600 Mitarbeiter beschäftigt und fertigen pro Jahr etwa 1.600 Busse. Die tägliche Kapazität liegt bei rund acht Bussen. Über eine einzige Produktionslinie laufen 24 unterschiedliche Typen in vier Grundkategorien. 2014 nahm MAN dort zudem eine moderne Audithalle in Betrieb, in der Qualitätsprüfungen nach VW-Vorgaben an jeweils einem Bus pro Woche durchgeführt werden, um die Arbeit der sechs sogenannten "Quality-Gates" in der Produktion selbst zu ergänzen. Die größten Aufträge des Werkes waren die 1.300 CNG-Hochboden-Stadtbusse für Ankara sowie der erste Cityliner-Auftrag für das Werk, für den zeitnah 200 Fahrzeuge an einen Kunden ins aserbaidschanische Baku gehen. Eine ideale Gelegenheit für die Mannschaft, sich einzuarbeiten.

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