Viseon C12 HD Das ist ja die Höhe

Mit dem Viseon C12 HD hat die junge Marke einen Hochdecker voller Ideen auf die Räder gestellt. Wer keinen Bus von der Stange sucht, liegt damit richtig.

Schenken wir uns angesichts herbstlicher Nebelschwaden billige Scherze, ob im Dunst die Zukunft von Viseon zu suchen sei. Hier steht ein stämmiger Hochdecker einer jungen Marke, die ausgetretene Pfade etablierter Hersteller verlässt.

Die Einzelscheinwerfer stammen aus dem Großserienregal

Mit scharfem Blick schaut der Reisebus nach vorn, die Lippen neckisch zum Kussmund gespitzt, die Augen prüfend zusammengekniffen. Die schwarze Bugblende verliert durch Beschriftung ihre Wucht. Die Einzelscheinwerfer stammen aus dem Großserienregal. Sie bekommen trotzdem dank ihrer Einfassung zusammen mit dem Tagfahrlicht individuellen Charakter. Indes sind sie zum Lampentausch nur umständlich zugänglich. Besser gleich Xenon oder LED wählen.

Das Gesicht des Viseon stammt wie der ganze Bus aus dem Baukasten. Mit C10, C11 und C13 hat Viseon zunächst die klassische Zwölf-Meter-Marke eingekreist, um mit dem C12 HD einen üppigen Hochdecker draufzusetzen. Nicht das letzte Modell der Baureihe - aber ein wichtiges.

Wer die Seite betrachtet, erkennt den Trick: Zum kürzeren C11 gibt es in der Mitte ein zusätzliches Segment, zu sehen an Kofferklappen und Fenstern. Die Klappen und Scheiben sind links wie rechts identisch. Auch hinter dem Plus von 22 Zentimeter Höhe des HD steckt eine Idee. Viseon hat nicht den Gepäckraum erhöht, sondern den Fahrgastraum. Podeste und Fensterbrüstung sind identisch geblieben, aber Fenster, Dach und Mittelgang angehoben.

Der Typenbezeichnung sticht heraus

Das schmückende V in der Fensterlinie ist hier aufgrund der Höhe weniger prägnant. Aber das Dreieck mit der Typenbezeichnung sticht heraus. Ein Gedicht ist der vielleicht schönste Rücken der Reisebuswelt mit geschwungenen Leuchten, gebogenem Heckfenster und der Viseon-Schwinge als Abschluss der Motorklappe. Alles eingerahmt von kräftigen Ecksäulen.

Sie laufen als Anhebung ins Dach hinein, enthalten Leitungen, verbergen Aufbauten – ein gelungener Schachzug. Bei Sonnenstrahlen ließ der dunkle Lack des Testwagens oben leichte Wellen sichtbar werden – ein kleiner Schönheitsfehler am generell gut verarbeiteten Bus. Zu seinen Raffinessen gehören Leichtbauböden: Sie basieren auf einer Wabenstruktur aus wiederverwertetem Kunststoff. Das spart 120 Kilo pro Bus, für gewichtsempfindliche Zweiachser ein Wort.

Wer rundum die Klappen öffnet, entdeckt den riesigen und bestens zugänglichen Gepäckraum. Stauen bereitet geradezu Vergnügen. Aufgrund der enormen Fläche empfiehlt sich ein Teppich, um rutschende Koffer zu vermeiden. Ein Kasten an der Stirnwand enthält die Elektrik. Nur von innen zugänglich sind vier Fächer über den Achsen, typische Vorratsräume. Wer Hubklappen wählt, sollte die dann leicht eingeschränkte Öffnung durch die Dämpfer beachten. Vorne links gucken aufgeräumt Batterieschlitten, Stromanschluss und Waschwasserbehälter heraus. Ein Segment weiter nehmen links wie rechts Stauräume das Fahrergepäck auf, verstecken sich die Verbandskästen. Und dann wäre hinten links noch das Werkzeugfach. So wird man Fahrers Freund.

Eine Glaskuppel im Heck

Wegen des knappen Überhangs ist der Einstieg vorn nicht üppig. Hinten wiederum ziehen Riesen den Kopf ein. Als Haltegriffe dienen Stahlrohre, handfreundlich mit Kunststoff ummantelt. Drinnen wirkt der Viseon großzügig, dank ebenem Fußboden, großer Stehhöhe und einer hellen Decke mit Glasluken. Nur die vielen Halterungen der Gepäckablagen stören das ebenmäßige Bild. Augenmerk verdient die Glaskuppel im Heck, fast ein Wintergarten. Bei Aufteilung mit Hecktoilette und großer Küche tut sie besonders gute Dienste, der Service kann schalten und walten. Die Einbauten hat Viseon in feine Nadelstreifen eingekleidet, die Küche brilliert mit einer Haltestange mit integrierter Beleuchtung. Doch so angenehm hinten der bequeme Zugang zum stillen Örtchen ist – 1,8 Meter Stehhöhe im Viseon sind ein Foul. Ursache: Die Marke verwendet eine Standardkabine, die auch an einem Mitteleinstieg verwendet wird.

Knapp bemessen sind ebenfalls die Gepäckablagen. Doch sonst fühlt man sich wohl: Die Belüftung ohne Düsen arbeitet zugfrei, die Sicht ist gut, stromsparende LED-Leuchten erhellen den Fahrgastraum. Der Blick nach vorn ruht wohlgefällig auf der geschmackvollen Frontkuppel.

Ein elegantes Rundbogen-Cockpit

Ein Stockwerk tiefer hat der Fahrerplatz seine Besonderheiten. Die Armaturen sind eingebettet in ein elegantes Rundbogen-Cockpit. Anfangs in Schokobraun gehüllt, wählt die Mehrzahl der Käufer Anthrazit. Die Schalter in der Mittelkonsole wirken zunächst ungeordnet, beim näheren Hinsehen erschließt sich die Verteilung. Über die ungewohnte Actia-Audioanlage lässt sich diskutieren, nicht über die sinnfällige Bedienung von Heizung und Lüftung. Linker Hand ergießen sich Blindschalter, daneben stoßen an der A-Säule diverse Materialien zusammen – Kleinigkeiten, ebenso wie die Abdeckungen der Schraubenköpfe an den Verkleidungen. Ablagen gibt es genug, nur möge man bei Gelegenheit das große Fach unter der Fensterbrüstung überarbeiten: Zugang und die scharfkantige Blende stören.

Wichtiger: Zwar ist der Zugang zum Arbeitsplatz des Steuermanns nicht üppig, doch rund um den Sitz ist viel Platz. Der linke Fuß ruht bequem auf einer Ablage, der rechte aber muss das Gaspedal ertasten. Das Lenkrad mit dickem Lederkranz liegt gut in der Hand. Weniger überzeugen die Spiegel: Die Zusatzgläser geben gute Sicht nach schräg hinten, doch die vorderen Ecken und der Bereich vor dem Bus liegen außerhalb des Blickfelds. Viseon bietet eine Alternative, allerdings sind dann die Spiegelarme nicht klappbar. Weshalb geht nicht beides?

Im Heck arbeitet der MAN D26 mit 440 PS

Bei Antrieb und Fahrwerk setzt Viseon auf bewährte aber verfeinerte Komponenten. Im Heck arbeitet der MAN D26 mit 440 PS, ein durchzugsstarker und geschmeidiger Bulle, der Niedrigdrehzahlen verträgt. Von Hause aus laufruhig, grummelt der Diesel unter Last bei etwa 1.200 bis 1.300 Touren vernehmlich. Gekoppelt ist der MAN mit einer AS-Tronic, für Viseon fein abgestimmt. Es gibt schneller schaltende Getriebe, doch der Komfort verblüfft. Auch nutzt die Technik gern die stämmige Natur des Motors. Dass der Testwagen im Verbrauch mäßig abschnitt, ist ihm nicht anzukreiden: Besohlt mit Winterreifen und den ganzen Tag schwere feuchtkühle Luft einatmend, hatte er’s nicht leicht.

Was die Technik vermag, zeigte sie auf der deftigen Teststrecke: Hier stempelte der Viseon eine tolle Zeit in den Asphalt. Umgekehrt kommt er auch gut zum Stehen, der Retarder arbeitet watteweich und gleichzeitig bissfest. Die Fußbremse hat Pedalgefühl, der Bremsomat handelt ruckfrei. Bei Gefälle auf der Autobahn hält der Dauerbremslimiter den Bus zuverlässig im legalen Bereich ohne Eintrag auf der Fahrerkarte.

Der Viseon rollt auf ZF-Achsen

Ruppige Überlandetappen jucken das Fahrwerk wenig. Der Viseon rollt auf ZF-Achsen und ist auf Komfort getrimmt. Selbst über grobe Unebenheiten schwebt er gelassen, Fahrerplatz und Fahrgastraum sind entkoppelt von rüdesten Fahrbahnen. Den sanften Charakter erzielt Viseon unter anderem durch Verzicht auf Stabis. Folge ist eine deutliche Seitenneigung des Hochdeckers in schnellen Kurven. Wird der Fahrer übermütig, zupft das ESP kurz, um bei vehementem Fahrstil einzugreifen, bevor Schaden droht.

Ein weiteres Lob verdient sich die Lenkung. Sie arbeitet zielgenau und findet das richtige Maß zwischen Leichtgängigkeit und Straffheit. Der wahlweise Spurassistent warnt zuverlässig vor dem Abkommen von der Fahrbahn, ein Abstandsregler folgt im Laufe 2013.

Trotzdem weiß der Viseon C12 HD, wo’s langgeht, von wegen Stochern im Nebel: Er geht in lausigen Zeiten an den Start, zeigt aber hervorragende Anlagen. Er ist so anders, dass er neugierig macht. Und in seiner Technik so vertraut, dass sich das Risiko in engen Grenzen hält.

Meinung

Er ist flott wie ein Südeuropäer, aber solider gebaut. Er stammt von einer jungen Marke, ist aber geprägt von viel Busverstand. Damit entpuppt sich der Viseon C12 HD als interessante Alternative zu den großen Anbietern. Wer den etwas anderen Hochdecker sucht, sollte näher hinschauen. Gut, dass Viseon auch den Fahrer nicht vergisst: Attraktives Cockpit, gekonnt abgestimmtes Getriebe und Retarder, feinfühlige Lenkung, hoher Fahrkomfort, geschickte Stauräume – das hat was. Den Viseon mag man einfach und über die kleinen Schwächen sieht man großzügig hinweg.

Download Viseon C12 HD Technische Daten (PDF, 0,26 MByte) Kostenlos
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