Transport lebender Fische Frische Fische

Transport lebender Fische Foto: Jan Bergrath 9 Bilder

Manfred Gerlach ist Gewässerwart in einem Anglerverein. Er hat ein Faible für besondere Fischzüge. Und regelmäßig hilft ihm auch ein Löffel Sahne bei seinem Job.

Morgendliche Ruhe liegt auf dem satten Grün rund um die Fischteiche des Hotels „Zur alten Mühle“ in Neuenbürg. Dann ertönt der satte Sound eines Scania V8 durch das enge Eyachtal – und die Sonne geht erst richtig auf. Hier ist die erste Adresse für Forellenliebhaber im Schwarzwald.

Von weit her kommen die Gourmets angereist, um gut bürgerlich im noblen Restaurant bei einem edlen Wein zu speisen oder sich leger im Imbiss draußen beim Bier an einem gegrillten Fisch in Silberfolie zu erfreuen. Schon seit 1959 widmet sich die Familie Zordel der Forellenzucht, heute gehören zehn eigene Betriebe im Schwarzwald und im Harz zum kleinen Imperium.

Andreas Zordel, 45, ist in der zweiten Generation die treibende Kraft für die 80 Mitarbeiter inklusive eigener Logistik. Bereits seit 1994 vertraut er keinem Fremdspediteur mehr beim Transport der Setzlinge oder der schlachtreifen Fische. Die Angst, sich durch schlecht gereinigte Behälter eines Lieferanten eine Seuche einzuschleppen, die nicht nur den gesamten Besatz, sondern auch den guten Ruf gefährdet, ist einfach zu groß.

Und so ist der rote Scania R 730 mit den zwölf vollisolierten GFK-Tanks bereits der vierte Lastzug, den er sich leistet, um die Qualität aufrechtzuerhalten. Eine gute Entscheidung, obwohl der komplette Zug die stolze Summe von 326.000 Euro gekostet hat.

Fische füttern und dann wachsen sie von allein

„Wir hatten seit 30 Jahren keine Krankheit in unseren Zuchtbetrieben“, so Zordel. „Auch das hat sich bei unseren Kunden und Gästen herumgesprochen.“ Zordel ist gelernter Kfz-Mechaniker – ein anfänglicher Versuch, der Fischdynastie doch noch zu entkommen. Heute erweist es sich sogar als Vorteil.

Weil der erste Aufbau für einen Volvo FH 16.520 seinen hohen Ansprüchen nicht standhalten konnte, hat er in der Nähe ein altes Gelände der Feuerwehr gekauft. Seit 1996 baut er dort nicht nur seine Züge selber auf – sondern fertigt pro Jahr für einen immer größer werdenden Stamm an Interessenten etwa 20 bis 25 individuelle Aufbauten.

Bis in die Schweiz und nach Dänemark hat es sich schon herumgesprochen. Die Zeit hat er übrig, denn „die Fische bekommen regelmäßig Futter und wachsen ja dann schließlich ganz von allein“. Etwa 24 Monate dauert es vom Setzling bis zur Schlachtreife. Wie viele Forellen Zordel am Ende seinen Gästen serviert, will er nicht verraten. Es sind auf jeden Fall so viele, dass er regelmäßig Nachschub holen muss.

Anfang bis Mitte März geht es los, ein Augenblick, auf den auch Zordel nach der Winterpause mit wachsender Ungeduld wartet. Denn dann kann er wieder mit dem Scania auf große Tour gehen. Jeweils acht Tage pendelt er zwischen dem Harz, seinen festen Lieferanten in Dänemark und dem Schwarzwald – mal eben locker 8.000 Kilometer.

Eine Pause im hauseigenen Imbiss

„Das machen wir natürlich immer nur zu zweit und absolut im Rahmen der erlaubten Lenk- und Ruhezeiten.“ Hier kommt jetzt Manfred Gerlach ins Spiel. Ein Glücksgriff, wie Zordel sagt. Gerlach ist bereits 63 Jahre alt, von 1970 bis 2004 fuhr er Kühlzüge für die Molkereizentrale Südwest in Karlsruhe: 15 Lkw, tolles Betriebsklima, guter Lohn.

Dann wurde die Logistik an Dachser verkauft. Gerlach war zunächst drei Jahre arbeitslos und ging dann mit 60 Jahren in Rente. Jetzt hatte er Zeit genug, sich seinem Hobby zu widmen, dem Angelsport. Dachte er. „Schon seit 1964 bin ich Gewässerwart im Anglerverein Hochstetten bei Karlsruhe“, sagt er stolz, „und seit 30 Jahren beziehen wir unseren Besatz ausschließlich von Zordel.“

Kein Wunder, dass der Fernfahrer irgendwann dem Forellenzüchter ins Netz gehen musste. „Seit 2007 bin ich der zweite Mann auf dem Fischzug.“ Das bedeutet zunächst: Gerlach ist auch für die Hygiene zuständig. Nach jeder Tour, und da gibt es keine Ausnahme, wird der gesamte Lkw nicht einfach nur gewaschen, nein, er wird von außen und innen mit einem speziellen Mittel desinfiziert.

„Das kann bis zu acht Stunden dauern“, sagt Gerlach, auch wegen der Wartezeit, bis das Mittel wirkt. Die verbringt Gerlach dann gerne bei einer Tasse Kaffee und einer Brotzeit im hauseigenen Imbiss – alles außer Forelle, höchstens ein- bis zweimal im Monat.

Respekt vor dem Tier

„Auch wenn sie noch so lecker aussehen und wirklich gut schmecken, wenn du jeden Tag mit Fisch zu tun hast, freust du dich eigentlich mehr auf eine knackige Frikadelle oder ein Würstchen.“ Von der Nutzlast her ist so ein Fischzug schon ein extremes Fahrzeug. 20 Tonnen wiegt allein der Lkw mit dem Aufbau. Ohne Wasser, welches sozusagen das tragende Element für den Transport von lebenden Fischen ist, ganz frisch und mit möglichst viel Sauerstoff.

Dagegen ist die reine Fracht vom Gewicht her ein Witz: zwischen rund 1.800 Kilogramm bei reiner Forellenbrut bis maximal sechs Tonnen bei ausgewachsenen Forellen. Und Zordel hat sich nicht nur wegen der Fahrfreude für den V8-Motor mit seinen 730 PS entschieden.

„Wir müssen mit der lebenden Fracht immer so schnell wie möglich von A nach B kommen“, bestätigt auch Gerlach. „Mit unserem neuen Scania haben wir bei jeder Topografie immer eine gleichbleibend hohe Marschgeschwindigkeit.“

Die Arbeit ist geprägt vom Respekt vor dem Tier – so beschreibt Gerlach seinen Job. Mal eben schnell ein paar Fische laden, das geht gar nicht. Es bedarf einer langfristigen Planung in Absprache mit dem Lieferanten oder dem Fischwart in den eigenen Betrieben. „Grundsätzlich gehen Forellen nüchtern auf die Reise“, sagt Gerlach. „Das Verladen erfolgt möglichst stressfrei.

Die Liebe zum Fisch ist ein ständig begleitendes Gefühl

Ganz langsam werden sie im Teich mit einem großen Netz in die Ecke getrieben und dann per Käscher in einem Transportbehälter zwischenverladen. Von dort fallen sie über eine Rutsche in die Tanks. Trotz der ständigen Sauerstoffbefüllung über vier mitgeführten Tanks sorgt das doch für Aufregung und Bewegung.

Schließlich bildet sich ein Schaum aus Schleim und Sauerstoff an der Wasseroberfläche. Deswegen gibt Gerlach sofort nach der Beladung in jede Kammer etwas Schlagsahne hinzu – und zwar mit 30 Prozent Fettanteil. Das bindet. Ruhig liegt der Lastzug auf der Straße, die einzelnen Tanks verhindern beim Bremsen zwar ein Aufschwallen, aber jede unnötige Bewegung sorgt für Unruhe – und kostet Sauerstoff.

„Du musst dich bei der Fahrt absolut konzentrieren und denkst dabei die ganze Zeit, ob es den Fischen auch wirklich gut geht“, sagt Gerlach. Ein Gefühl begleitet ihn bis ans Ziel – die Liebe zum Fisch. „Es ist dann immer der schönste Moment bei jeder Tour, wenn die Forellen putzmunter aus den Tanks in die Teiche springen und nicht ein einziger Verlust zu beklagen ist.“

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