Technik im Wandel Zahn um Zahn

Getriebe, Zahnradgetriebe Foto: © Andreas Wolf 4 Bilder

Vom schwer zu schaltenden Zahnradgetriebe bis zur voll automatisierten Schaltung – die Getriebetechnik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten erstaunlich weiterentwickelt.

Je nach Einsatz führt ein Bus- oder Lkw-Fahrer bis zu 2.000 Schaltvorgänge am Tag durch. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg fragte sich lastauto omnibus daher, weshalb die Weiterentwicklung der Getriebetechnik so schleppend voranging. Unstrittig blieb, dass die konventionellen, unsynchronisierten, schwer zu schaltenden Zahnradgetriebe, die sich den auftretenden Belastungen mit ihrer geringen Gangzahl nur bedingt anpassten, zu verbessern waren. Klar war aber auch, dass eine Automatisierung nur dann sinnvoll ist, wenn die Schaltung absolut narren- und betriebssicher arbeitet, und zwar in allen denkbaren Fällen.

Schalterleichterung in den 1950ern

Ein Hemmschuh für Schalterleichterungen jeglicher Art war die damit verbundene Verteuerung, der die Hersteller schon immer geflissentlich aus dem Weg gingen. Die andere Seite der Medaille war ein deutlicher Zugewinn an Sicherheit, der die Entwicklung wiederum befeuerte. ZF begann mit der Konstruktion kraftschlüssiger Kupplungsglieder, die die Übersetzung von Zahnradsätzen ermöglichten. Sie waren unabhängig von der gegenseitigen Stellung von mitnehmendem zum mitgenommenem Teil und damit sofort ansprechbar. Eine einfache "Ein-/Aus"-Steuerung genügte.

"Leichtschaltung" hieß Anfang der 50er-Jahre die Devise. Der Fahrer sollte von der gleichzeitigen Bedienung von Gaspedal, Kupplung und Schaltstock entlastet werden. In Deutschland  griff das ursprünglich von ZF für den Pkw-Bereich entwickelte Getriebe mit elektromagnetisch betätigter Lamellen-Schaltkupplung schnell auf den Nutzfahrzeugbereich über. Ziel von ZF war in den Nachkriegsjahren eine einfachere mechanische Betätigung. Ergebnis dieser Bemühungen war das Media-Getriebe, auf das Daimler, Henschel, Krauss-Maffei, Krupp, MAN und Magirus schnell zurückgriffen.

Elektro- und Media-Getriebe

Zur IAA 1951 präsentierte ZF neben konventionellen Zahnradgetrieben ein Elektrogetriebe sowie das Media-Getriebe und Hydro-Media-Getriebe. Vorteil des Media-Getriebes war eine bessere Ausnutzung des Motorbremsmoments im Schubbetrieb. Hydromatic Ulm präsentierte ein stufenlos regelbares Ölgetriebe. Das Hydraulik-Getriebe bestand aus einer vom Motor angetriebenen Ölpumpe und mehreren Ölmotoren.  Jedes Rad ließ sich damit einzeln mit einem Ölmotor antreiben. Somit war die Druckölmenge auch bei konstanter Drehzahl des Motors zu ändern, was wiederum eine nahezu stufenlose Regelung fast schlupffrei über den gesamten Drehzahlbereich ermöglichte. Ein weiteres Highlight war das neue Diwa-Bus-Getriebe von Voith mit einem hydraulisch-mechanischen Drehmomentwandler für Lkw und Busse. Der eingeschlagene Weg war, Wandler und mechanischen Antrieb so zu kombinieren, dass bereits bei unteren Geschwindigkeiten der mechanische Antrieb weitgehend zur Kraftübertragung herangezogen werden konnte.

Hydrodynamischer Drehmomentwandler von Fichtel und Sachs

Zwölf Jahre später stellte ZF das neue Hydro-Media-Getriebe 3 HP-12 vor. Es war mit einem hydrodynamischen Drehmomentwandler von Fichtel & Sachs ausgestattet. Auf Wartungsfreundlichkeit und leichte Schaltbarkeit konzentrierte sich Mercedes zu dieser Zeit. Das galt auch für die neuen Baufahrzeuge, beispielsweise den 1632 AK. Je nach Motorleistung war er mit Synchrongetrieben von ZF der Typen S6-80 oder S6-90 ausgerüstet. Die hydraulisch betätigten Kupplungen mit Totpunktfeder stellten sich automatisch nach.

Etwas fremd war der Gedanke, einen Transporter mit einem Automatikgetriebe auszurüsten. VW ließ sich dadurch nicht irritieren und bot Anfang der 70er-Jahre eine aus dem Pkw 1600 und dem Audi 100 übernommene Automatik im Transporter an. Anstelle des manuellen Schalthebels trat ein Wählhebel mit den Stellungen P (Parken), D (Drive), R (Rückwärts) und den Bereichen 1 und 2. Im Laufe der 80er-Jahre kam immer mehr Elektronik ins Spiel. Beispiel dafür war die  automatische Kupplung von Fichtel & Sachs: 14 Jahre nach der Premiere des Saxomaten stellte das Unternehmen 1971 die Produktion der automatischen Kupplung ein. Ständige Defekte und anfallende Justierarbeiten hatten Fahrzeughersteller und -halter verärgert. Zwei Jahrzehnte später stellte die Mannesmann-Tochter dann das elektronische Kupplungssystem (EKS) vor, das auch für schwere Lkw geeignet war. Gegen mechanische Anfälligkeiten  und Fehlbedienung war das System dank Mikroelektronik gewappnet.

Elektronisches Kupplungssystem mit simplem Aufbau

Der Aufbau war vergleichsweise simpel. Ein Elektromotor betätigte mit Federspeicher-Unterstützung eine konventionelle Trockenkupplung, ein Kupplungspedal war überflüssig. Wann die Kupplung getrennt wurde, entschied ein Steuergerät, das die Sensorwerte von Motor- und Getriebedrehzahlen, Geschwindigkeit,  des eingelegten Gangs und der Gaspedalstellung verarbeitete.

Sobald das Steuergerät registrierte, dass der Fahrer einen Gang eingelegt hatte, wurde die Kupplung geschlossen. Bei Fehlschaltungen, sollte der Fahrer beispielsweise bei 
80 km/h den ersten Gang einlegen wollen, blieb die Kupplung offen. Es ertönte ein Warnton und dem Fahrer blieben drei Sekunden, um auf den Fehler zu reagieren. Danach kuppelte das System ein, auch wenn der Motor dadurch zerstört wurde. Hintergrund dieses Agierens von EKS war das "Herborn-Syndrom". Der Fahrer eines verunglückten Lkw sagte damals, die EKS habe nicht in einen niedrigeren Gang geschaltet und der Tankzug sei aus diesem Grund nicht mehr zu stoppen gewesen.

Automatisierung mit großen Schritten

In den beiden Jahrzehnten danach ging die Automatisierung immer schneller voran. Volvo stellte die Geartronic vor, Scania kam mit Opticruise, ZF mit der AS-Tronic, Mercedes präsentierte Telligent- und Powershift-Getriebe. Hybridantriebe geben der Getriebeentwicklung eine neue Richtung. Ebenfalls neu sind Wandlerschaltkupplungs-Module und Doppelkupplungsgetriebe. ZF geht davon aus, dass in wenigen Jahren Doppelkupplungsgetriebe auch im schweren Lkw anzutreffen sein werden. Vorteile der Doppelkupplungsfunktion sieht der Hersteller besonders in den oft genutzten oberen Gängen, um bei sehr langen Achsübersetzungen zugkraftunterbrechungsfreie Gangwechsel zu ermöglichen.

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