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Strategie Pragmatismus ist gefragt

Russland, Lkw, Winter Foto: Militzer & Münch 8 Bilder

Die russische Wirtschaft kämpft mit Sanktionen und der Rubel-Entwertung. Der Logistiker Militzer & Münch passt sich der Lage an und hofft auf eine baldige politische Lösung.

Zum Jahreswechsel war es mit den Konjunkturerwartungen der Branche nicht weit her: Laut dem Logistikindikator der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel aus dem letzten Quartal 2014 waren daran vor allem die pessimistischen Erwartungen für 2015 schuld, "vor allem in Reaktion auf die weiterhin schwelenden geopolitischen Risiken". Politische Krisen belasten die Geschäftsaussichten, insbesondere der Ukraine-Russland-Konflikt.

Seit 20 Jahren im Russland-Geschäft tätig

Einer der zahlreichen ausländischen Firmen, die auf dem russischen Markt vertreten sind, ist das Logistikunternehmen M&M Militzer & Münch aus dem Schweizerischen
St. Gallen. Seit fast 20 Jahren ist M&M im Russlandgeschäft tätig und bietet dort Landverkehr, Schienentransporte, Luft- und Seefracht sowie eine eigene Projektlogistik und zusätzliche Mehrwertleistungen wie Lagerlogistik, Distribution und Verzollungen an.
Noch seien die Auswirkungen im Russlandgeschäft überschaubar,  sagt Sven-Boris Brunner, der seit März 2014 Geschäftsführer bei Militzer & Münch in Deutschland ist und nach eigenen Angaben  über viele Jahre Management­erfahrung  mit Schwerpunkt Russland verfügt: "Wir sind Logistikdienstleister und operieren weltweit – mit dem Thema Sanktionen gegen Russland gehen wir also sehr pragmatisch um."

Sanktionen treffen Firmen, die nach Russland liefern

Die Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die der Rat der Europäischen Union seit Juli 2014 in mehreren Stufen beschlossen hat, betreffen demnach vielmehr die Firmen, die nach Russland liefern. Diese müssen zusätz­liche Sanktionsprüfungen und Dokumentationen erbringen und im Vorfeld somit mehr Arbeit investieren. "Wir bemerken die Sanktionen nicht spürbar und haben noch keine nennenswerten Projekte verloren", sagt Brunner.

In Russland fehlt der leistungsstarke Mittelstand

Der Logistikexperte hat die Entwicklung der russischen Wirtschaft genau verfolgt:  "Russland betreibt seit Jahren eine starke Modernisierungsinitiative, um die russische Wirtschaft und die gesamte Infrastruktur des Landes zu modernisieren. Allerdings gibt es in Russland nach wie vor keinen leistungsstarken Mittelstand, der nachhaltig zur Modernisierung des Landes beitragen kann." Entsprechend groß sei der Import von hochwertigen industriellen Erzeugnissen. "In den letzten Jahren erleben wir zudem eine starke Lokalisierung westlicher internationaler Unternehmen sowie mittelständischer Zuliefererunternehmen vor Ort."

Transparente und klare operative Prozesse gefordert

In Folge seien auch west­liche Logistikstandards in Russland gefragt – ganz gemäß dem SOS-Prinzip: "Gefordert sind saubere, ordentliche und sichere Lagerstätten für Güter und verlässliche Systemverkehre. Zudem fordern westliche Unternehmen transparente und klare operative Prozesse bei der Importabwicklung."

Neue Partner werden in China und Vietnam gefunden

Das wird sich auch als Folge der wirtschaftlichen Probleme Russlands nicht grundlegend ändern. Wobei Brunner eher eine zukünftige Stagnation der russischen Wirtschaft aufgrund aufgeschobener Investitionsprojekte befürchtet und erste Zeichen ­einer zunehmenden Verlagerung der Handelsströme sieht. Neue strategische Partner werden im Osten – etwa in China und Vietnam – gefunden. "Diese Asienstrategie gab es bereits vorher, sie wird jedoch durch die aktuelle politische Lage beschleunigt. Die aktuelle Situation hat also eher langfristige Wirkung."

Kein Szenario, dass das Unternehmen groß beunruhigt: Momentan werden zusätzliche Beratungsleistungen implementiert, etwa zu allen Fragen im Bereich Zoll, Zertifizierung und Inbetriebnahme.

M&M bietet auch Containerzüge an

Aktuell bietet M&M auch Containerzüge an, die Waren aus China via Russland direkt nach Deutschland transportieren – Laufzeit nach Duisburg oder Hamburg 18 Tage.
"Wir versuchen auch, der Asien-Strategie Russlands gerecht zu werden und bauen unser Netzwerk in Asien aus. Hier wird es sicherlich zu weiteren Investitionen und strategischen Partnerschaften kommen", sagt Brunner. "Zudem haben wir einen Ausbau unserer Hub-Aktivitäten für den internationalen Straßengüterverkehr in Mazhouli vorgenommen, einer Region der inneren Mongolei. Mittlerweile können wir Sammelladungen konsolidieren und per Lkw nach Russland transportieren."

Politik muss Lösungen des Konflikts finden

Der Russlandexperte setzt darauf, dass sich die Politik in naher Zukunft wieder an den Verhandlungstisch begibt, um eine Lösung des Konflikts und der wirtschaft­lichen Probleme zu finden. "Klar ist, dass die Sanktionen keiner Seite nützen und einer politischen Lösung im Wege stehen. Zudem ist die Interessenlage im Ukrainekonflikt wesentlich komplexer, als oftmals in den Medien dargestellt. Mit der jetzigen Strategie von gegenseitigen Schuldzuweisungen und der Androhung von weiteren Sanktionen jedenfalls kommen wir nicht weiter." Diesem Tenor stimmen die meisten in Russland aktiven Firmen bei, wie eine Umfrage der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer (AHK) im Dezember 2014 ergab. Dabei gaben knapp 60 Prozent der befragten Firmen an, von den derzeitig geltenden Sanktionen beider Seiten betroffen zu sein – zwei Drittel glauben jedoch nicht an deren politische Wirksamkeit.

Business Advisory Board einrichten

Deshalb befürwortet Sven-Boris Brunner auch einen Vorschlag der AHK, einen Business Advisory Board einzurichten, um eine Exit-Strategie aus der Sanktionsspirale zu erarbeiten. "Ich denke, das ist ein vernünftiger erster Ansatz."

Sanktionen

Seit Juli 2014 hat der Rat der Europäischen Union mehrere Stufen von Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen: etwa ein Waffenembargo, ein Verbot der Lieferung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (dual use), Warenbeschränkungen und Dienstleistungsverbote für die Ölindustrie, für ausgewählte Unternehmen ein eingeschränkter Zugang zum Kapitalmarkt.

Das Unternehmen

Die M&M Militzer & Münch Gruppe wurde 1880 gegründet und hat ihren Sitz in St. Gallen (Schweiz). Das Unternehmen beschäftigt an 100 Standorten in mehr als 30 Ländern rund 2.800 Mitarbeiter und versteht sich nach eigenen Angaben als Spezialist für Eurasien und Nordafrika. In Russland hat M&M seit dem Jahr 1994 eine eigene Landesgesellschaft  mit 400 Mitarbeitern an elf Standorten.

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