Selbstständigkeit Knallhart kalkulieren ist wichtig

Selbstständigkeit, Peter Brenig, FF10/2011, Seite 26 Foto: Jan Bergrath

Nur mit eiserner Disziplin und Kostenbewußtsein lässt sich der Traum von der Selbstständigkeit verwirklichen. Auch Rücklagen können nicht schaden, wie das Beispiel von Peter Brenig zeigt.

Haribo macht Peter Brenig froh. So lautet das vorläufige Fazit über die schon 16 Jahre dauernde Geschäftsbeziehung zwischen dem 48-jährigen Transportunternehmer und dem weltbekannten Süßwarenkonzern. Mit seinem DAF XF 105.460 pendelt Brenig dreimal am Tag zwischen den Werksstandorten Bonn und Solingen. Er hat einen eigenen Koffertrailer von Krone, den zweiten von Schmitz stellt sein Hauptkunde.

„Mit dem Be- und Entladen habe ich nichts zu tun“, sagt Brenig. „Was mir mehr Sorgen macht, sind die ständigen Staus auf dem Kölner Autobahnring.“ Dann braucht er statt siebeneinhalb schon mal zehn Stunden Lenkzeit. „Aber bislang hatte ich noch nie einen Verstoß.“ Er kann seine Touren nämlich flexibel einrichten. Wenn er sieht, dass er ausnahmsweise eine Tour nicht mehr schafft, sagt er rechtzeitig ab. Dann fährt ein Spediteur. Natürlich geht dann der Umsatz zurück, aber das kann er verschmerzen. Über die Jahre hat er dank seiner knallharten Kalkulation genug finanzielle Reserven aufgebaut. „Ich komme gut klar“, sagt er. „600 Euro muss man am Tag schon haben, bei 400 bis 500 Kilometern.“ Und dann nennt er gleich einen der größten Fehler, den Neueinsteiger in die Selbstständigkeit oft machen: „Sie verwechseln Umsatz mit Gewinn. Das geht nicht lange gut.“

Urlaubsvertretung nicht vergessen

Der Pflichtbeitrag für die Berufsgenossenschaft, die Kranken- und Rentenversicherung sowie die Vertretung für den eigenen Urlaub sind nur drei Beispiele, die potenzielle Unternehmer in ihren Kalkulationen oft vergessen. Die ersten 20 Jahre hat Brenig keinen Urlaub gemacht, aus Sorge, jemand könnte ihm das Geschäft wegnehmen.

Brenig ist gelernter Kfz-Mechaniker. Die Suche nach einem neuen Kunden für das Transportunternehmen seines Vaters war sein Einstieg in die Branche. Vor zweieinhalb Jahren kaufte er den neuen DAF. Doch plötzlich waren 2.300 Euro für einen aufgescheuerten Schlauch der Klimaanlage fällig. DAF lehnte- aber die Reparatur auf Garantie ab. „Wer hier keine Rücklagen gebildet hat, rennt schnell den Kosten hinterher.“ Deshalb entschied er sich auch gegen eine Super Space Cab für seinen DAF. „Schöner wäre es sicher gewesen“, sagt er, aber das müsse man sich erst ein Mal erwirtschaften. Und so spart er sich monatlich rund 200 Euro für die Waschanlage ein. Stattdessen wäscht er seinen Truck auf dem Gelände der Haribo-Werkstatt lieber von Hand.

27 Prozent der Transportunternehmen haben nur einen Lkw

Brenig ist nicht der Einzige, der knallhart kalkulieren muss. Laut der jüngsten Statistik des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) haben von den 50.351 Transportunternehmen im gewerblichen Güterverkehr 27 Prozent nur einen Lkw. Und das schon seit Jahren. Diese Konstanz ist auf den zweiten Blick verwunderlich. Denn die Geschäftsführer von mittelständischen Speditionen wissen eine traurige Wahrheit zu berichten: Viele Fahrer, die sich bei ihnen bewerben, sind in Privatinsolvenz. Eine gescheiterte Selbstständigkeit ist der häufigste Grund dafür. Auch Brenig hat schon viele selbstfahrende Unternehmer kommen und gehen sehen. Es ist eine der wenigen Konstanten in diesem brutalen Geschäft, die dafür sorgt, dass sich an den Zuständen nichts ändert: „Wenn einer pleite ist, steht der nächste schon wieder vor der Tür.“

Die Unternehmerin und Vorsitzende des Bundesverbandes der Transportunternehmen Dagmar Wäscher nennt einige Gründe, warum so viele Existenzgründungen scheitern: Der Kostenüberblick sei zu gering, entweder wegen fehlender Kontrolle oder aus Mangel an kaufmännischen Kenntnissen. Oft sei das Eigenkapital zu niedrig, sodass Engpässe nicht überbrückt werden können. Zudem weise die Finanzplanung eklatante Fehler auf und der Kreditrahmen sei zu eng gesteckt. Es würden Verträge unterschrieben, ohne dass die Inhalte eingehend überprüft worden seien. Die angehenden Unternehmer unterschrieben überhastet sogenannte Koppelverträge - also einen Frachtvertrag mit einem Leasingvertrag für einen Lkw - und begäben sich damit in die Abhängigkeit von Logistikkonzernen. „Das Rechnungs- und Mahnwesen ist ebenfalls oft ungenügend“, warnt Wäscher. „Hierdurch erhalten die Auftraggeber und die Kunden die Möglichkeit, Zahlungen zu verschleppen.“

Umsatz ist nicht gleich Verdienst!

Keine Frage, es gibt viele erfolgreiche Existenzen. Doch der Traum vom eigenen Lkw lässt bei vielen Fahrern den Sinn für die Wirklichkeit schwinden. Ein akzeptabler Bruttolohn im Fernverkehr liegt aktuell zwischen 2.200 und 2.500 Euro. Um diesen für sich als Unternehmer kontinuierlich zu erreichen, sollte mit einem Sattelzug ein Umsatz von 8.000 Euro erzielt werden. Und zwar kontinuierlich! Realistisch sind derzeit oft aber nur 5.000 bis 6.000 Euro. Lange Wartezeiten, Staus, Absagen von eingeplanten Touren gehören mit in die Kalkulation. Wer seine Fracht nur auf Kilometerbasis berechnet, kommt schnell ins Trudeln. Krankheit blenden viele gleich aus, bis es irgendwann nicht mehr geht. „Am Ende bleiben plötzlich mit Müh und Not 1.500 Euro übrig. Dafür lohnt es sich nicht, das Risiko überhaupt einzugehen.“

Das größte Risiko sind aber die Frachten selbst. Die aktuelle Konjunkturanalyse des Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) liefert eindeutige Fakten: Durch die wirtschaftliche Belebung haben sich zwar die Umsätze gut entwickelt, jedoch nicht die Betriebsergebnisse. Logistikkonzerne kaufen insolvente Betriebe auf, um an die Kunden zu kommen. Dann bauen sie oftmals den Fuhrpark ab und vergeben die Touren an Subunternehmer. Bis diese merken, dass am Ende der Logistikkette nicht mehr genug vom Gewinnkuchen übrig bleibt, ist es meist zu spät.

Das bisherige „Erfolgsrezept“ Selbstausbeutung wird spätestens dann nicht mehr praktikabel, sobald Paragraf 21 a des Arbeitszeitgesetzes geändert wird. Dann dürfen auch Selbstständige nicht länger als 48  Stunden pro Woche arbeiten. Brenigs Frau unterstützt den Kleinunternehmer und schreibt die Rechnungen. „Ohne die Mithilfe meiner Frau wäre ich längst nicht so erfolgreich.“ Schließlich ist er bislang der einzige selbstfahrende Unternehmer für Haribo. „Natürlich kann ich mir als kleiner Unternehmer Dinge leisten, die ich mir als angestellter Fahrer sicher nicht leisten könnte. Aber meinen beiden Söhnen würde ich heute dringend davon abraten.“

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