Scania R730 LA 8x4/4 HNB Wo hohe Kräfte sinnvoll walten

Scania R730 LA 8x4/4 HNB, Wallek Foto: Jacek Bilski 10 Bilder

lastauto omnibus ging mit einem Scania R730 und gut 100 Tonnen Gesamtgewicht auf Tour. So ergeben die 730 PS und 3.500 Newtonmeter Drehmoment richtig Sinn.

Es macht zwar Spaß, ist aber nur selten sinnvoll, einen Scania R730 vor einen Standard-auflieger zu spannen und mit 40 Tonnen die Berge einzuebnen. Spaß und Sinn bringt aber die Kombination mit einem Schwerlastauflieger. Genau das setzte lastauto omnibus in die Tat um und ließ den R730 gut 100 Tonnen ziehen. Erst seit zwei, drei Monaten läuft dieser R730 beim Schwertransportspezialisten Wallek in Garching bei München. Es ist der erste Scania in der bayerischen Flotte, die schwerpunktmäßig MAN, aber auch einige Mercedes einsetzt.

Muldenkipper von Caterpillar muss transportiert werden

Die aktuelle Aufgabe: Transport eines Muldenkippers  Marke Caterpillar, Typ 777B. Als der Autor kurz vor Mittag in Garching eintrifft, hat Scania-Fahrer Milan "Mischi" Mitrovic fast alle Vorbereitungen getroffen. Der 56-Jährige fährt seit 1980 Schwertransporte, arbeitet seit 23 Jahren bei Wallek und entpuppt sich schnell als sympathischer Könner und Kenner der Materie. Jetzt noch kurz einspuren (die vielen Achsen auf Geradeausfahrt einrichten), ein Imbiss im nahen Einkaufszentrum und los geht’s in Richtung Ladestelle. Die ersten Kilometer hinaus aus dem etwas engen Gewerbegebiet möchte Mischa selbst fahren. Dann macht er es sich auf dem Beifahrersitz bequem und lässt seinen Kopiloten ran. Dessen Fahrweise scheint ihn zu überzeugen, denn schon nach wenigen Minuten guckt er nicht mehr auf Fahrbahn und Fahrer, sondern in seine Frachtpapiere und diverse Genehmigungen.

Mit Tempo 83 rollt der R730 etwas gelangweilt, aber ganz leise über die Autobahn in Richtung Südosten. "Bei mehr Tempo", so Mischi, "gibt es Ärger mit dem Chef ", der seine Fahrzeuge per Fuhrparksoftware akribisch überwacht. Zugegeben: 83 km/h (plus 3 km/h bergab) sind ein kommodes Tempo. Trotz 730 PS muss man nicht überholen, der Zeitverlust ist marginal und der Verbrauch niedrig. Den Rest erledigt die Scania-Technik: Vier luftgefederte Achsen lassen die Zugmaschine über Unebenheiten fast hinwegschweben, kaum hörbar singt der V8 sein Lied, das auch den Irschenberg hinauf piano bleibt. Gut 40 Tonnen wiegt der leere Zug, der Irschenberg verliert seine temporeduzierende Wirkung. Mit 83 rein in die Steigung, mit 83 wieder raus.

Heck schwenkt bei Kurvenfahrten ordentlich aus

Erst als die Fuhre die Autobahn etwas nördlich von Kiefersfelden verlässt, taucht Mischi aus seinem Papierkram wieder auf und meldet sich mit kleinen Korrekturen: "Pass auf das Heck auf" oder "Weiter vor und dann ganz einschlagen". Tatsächlich läuft der lange Auflieger zwar wunderschön hinterher, das Heck schwenkt bei Kurvenfahrt aber ordentlich aus und die Länge des elfachsigen Zuges misst doch einige Meter mehr, als der Autor gewohnt ist. Kurvenfahren und Abbiegemanöver müssen also erst einmal geübt werden – immerhin lenken neun der elf Achsen. Die vorderen zwei des Aufliegers lenken mit der Zugmaschine, die hinteren fünf gegenläufig. Daher der Heckschwenk.

Das Unternehmen Wallek Spezialtransporte arbeitet innerhalb der Big-Move-Gruppe eng mit zehn weiteren Schwertransport-Spezialisten zusammen. Das Equipment all dieser Partner (220 Zugmaschinen, über 400 Auflieger) ist in weiten Bereichen standardisiert. Zu diesem Standard gehören auch kompakte und gewichtsoptimierte Vierachs-Sattelzugmaschinen mit kurzem Radstand. Kurze Bauweise und niedriges Gewicht sind nötig, um die Gesamtlänge bei Leerfahrt unter 23 Metern und das Gesamtgewicht unter 41,8 Tonnen zu halten. Dann nämlich geht es ohne Begleitfahrzeug. Der Scania R730 in 8x4-Ausführung passt hervorragend in dieses Raster. Trotz Topline-Fahrerhaus, trotz 16,4 Liter großem V8 und trotz robuster Außenplanetenachsen steht er mit nur knapp zwölf Tonnen auf der Waage. Hinzu kommen die 29 Tonnen des ausziehbaren Nicolas-Tiefladers.

H steht für "heavy"

Gebaut hat Scania den Vierachser auf Basis einer 6x4-Fernverkehrszugmaschine mit zusätzlicher Vorlaufachse. Die komplette Bezeichnung lautet: R730LA8x4/4 HNB, wobei das H für Heavy (schwere Einsätze), N für normale Rahmenhöhe und das B für Vollluftfederung steht. 160 Tonnen darf der Scania ziehen. Von einigen speziellen, nachträglichen Umbauten (Tanks und Druckluftkessel hinter dem Fahrerhaus) abgesehen entspricht der 8x4 der Serie. Das Getriebe arbeitet mit der Opticruise-Automatik. Mischi hat allerdings auf die alte Version mit Kupplungspedal bestanden, weil sein linker Fuß in 30 Jahren Schwertransport sehr gut gelernt hat, was eine Kupplung verträgt und was nicht.  

Etwa zwei Stunden nach dem Start ist das Ziel erreicht – ein Steinbruch in Flintsbach, nahe der österreichischen Grenze. Eine schmale Brücke abseits der Landstraße erweist sich als vorerst letzte Engstelle, ein trockener, geschotterter Anstieg führt die letzten 200 Meter zur Ladestelle im Steinbruch. Dort wartet ein wahres Ungetüm: 5,3 Meter breit, 5,3 Meter hoch, quadratisch, sicher praktisch, aber sehr schwer und unhandlich. Obendrauf ein Auspuffrohr im Durchmesser eines Suppentellers, durch das der 34,5 Liter große und rund 900 PS starke Cat-Achtzylinder seine sonoren Töne schickt. Der wuchtige Scania-Vierachser steht wie ein Zwerg daneben und soll den Riesen jetzt schultern.

Richtige Gewichtsverteilung für den Cat-Kipper festlegen

Für Mischi ist die Sache klar. Schon längst vor der Anfahrt hat er sich überlegt, wie er den Cat auf sein Tiefbett stellt – mit der Front nach hinten. Er fährt den Schwanenhals ab, legt Keile vor den großen Rest des Aufliegers und weist den langsam anrollenden Riesen zentimetergenau ein. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. Richtige Position (Gewichtsverteilung) für den Cat-Kipper festlegen, für die nötige Bodenfreiheit sorgen, Unterbau anpassen, Ladung sichern, alles noch mal kontrollieren, nachmessen, aufräumen.

Beim Laden entpuppt sich vor allem Maurice Bardick als versierter Helfer. Der 16-jährige Sohn des Wallek-Disponenten Steffen ist – wie so manches Mal – auch heute dabei, kennt die Handgriffe, weiß die vielen Ventile für Luft und Hydraulik souverän zu bedienen, kennt das nötige Fachchinesisch der Branche und könnte wohl auch den R730 fahren, wenn er denn dürfte. Klarer Fall: Nach der Schule steht erst mal eine Berufskraftfahrer-Ausbildung in einem Schwertransportunternehmen der Big-Move-Gruppe an. Ganz anders der Kopilot für den heutigen Tag. Der packt zwar gerne und kräftig mit an, kann mangels Erfahrung aber nur die Kommandos in die Tat umsetzten, die Mischi oder Maurice geben.

Zwei Stunden fürs Aufladen

Rund zwei Stunden dauert die Plackerei mit schweren Kanthölzern, soliden Auffahrkeilen, dicken Antirutschmatten und sperrigen Zurrketten. Dann steht der gut 60 Tonnen schwere Kipper auf dem Tieflader – von acht armdicken Ketten in alle vier Himmelsrichtungen gesichert. 

Die Vorderachse des Kippers ruht auf einem Unterbau aus Kanthölzern und Matten, die inneren Zwillingsreifen der Hinterachse passen genau auf die Verbreiterung des Tiefbetts. Ein Blick auf die Manometer bestätigt: Die Lastverteilung stimmt, die Antriebsachsen des 8x4 haben genug Last für die nötige Traktion. Trotzdem steht der Cat recht schief auf dem Tiefbett – dem linken inneren Zwilling fehlen gut drei der nötigen 7,5 bar. Und weil Mischi seine Sache grundsätzlich 100-prozentig macht, lässt er gleich alle Reifen kontrollieren und füllen. Was freilich beim Reifenformat 24 R 49 seine Zeit dauert und den Kompressor in der Werkstatt des Steinbruchs mehrere Stunden arbeiten lässt. Dann aber "schwebt" der Cat mit den freien vier Rädern rund 40 Zentimeter über Grund und hat genau die richtige Position.

Erst um 22 Uhr darf der Transport auf die Straße. Das Begleitfahrzeug ist längst da, die Polizei kommt "just in time". Kurze Abstimmung und schon setzt sich der Konvoi in Bewegung. Die üblichen grellblauen Lichter flackern jetzt, was die anderen Verkehrsteilnehmer zwar warnt, den Fahrer im Scania mitunter aber blendet. Opticruise hat schnell kapiert, dass jetzt ein wenig anders geschaltet werden muss als mit den 40 Tonnen bei Leerfahrt.

Reifen haben Mühe, die Kraft auf die Straße zu bringen

Und trotzdem – wann immer möglich diktiert der Rechner niedrige Drehzahlen im Bereich um 1.100/min, um dann bei Bedarf und mit ein, zwei Abwärtsschaltungen alle 730 PS der Zugmaschine zu aktivieren. Dann spannt der V8 seine Muskeln und zieht vehement an. Allein die Reifen haben Mühe, die Kraft auf die Straße zu bringen. Der Schlupf ist beträchtlich und ein hartes Vibrieren kündigt von den enormen Kräften, die der Motor über den Triebstrang auf die Straße zwingt.

Wären nicht die außergewöhnliche Breite und die jetzt auf fast sechs Meter gewachsene Höhe, der R730 könnte auf Bundesstraßen und Autobahnen recht locker im Verkehr mitschwimmen. Mit gut sieben PS pro Tonne und knackig kurz übersetzt zieht er fast so gut wie ein normal motorisierter 40-Tonner. Hinzu kommen eine brauchbare Motorbremse und ein kräftiger Retarder für zügige Talfahrt.

Jetzt aber rollt der mehr als 25 Meter lange Zug meist im Schneckentempo. Mal mit knapp über 0 km/h, mal mit 20 km/h. Die enge Bebauung, in die Fahrbahn hängende Äste und verschiedene Hindernisse, die bei normalen Abmessungen gar nicht weiter auffallen, zwingen meist zu ganz langsamer Fahrt. Aber dort, wo Platz ist, erreicht der Scania sein Reisetempo in Windeseile und ohne viel Aufhebens. Mal relativ schnell, zumeist aber äußerst langsam arbeitet er sich dem Ziel entgegen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit dürfte rund zehn km/h betragen. 

Wenige Kilometer vor dem Ziel streikt der Scania

Die einzige Blöße gibt sich der R730 wenige Kilometer vor dem Ziel. Eine sehr enge und zudem kurvige sowie steil ansteigende Ortsdurchfahrt zwingt zu so langsamer Schleichfahrt, dass der Scania bockt. Bei geschlossener Kupplung, niedriger Last und im kleinen Kriechgang stirbt der Motor einfach ab. Stillstand. Federspeicher zu. Neustart auf feuchter Straße in gut zehn Prozent Steigung. Mit gesperrten Antriebsachsen, reichlich Gas und acht durchdrehenden Rädern setzt sich die Fuhre langsam und mit viel Getöse in Bewegung. Doch sobald der Fuß vom Gas geht, um das Tempo auf die nötige Schleichfahrt zu reduzieren, ist wieder Schluss. Kurze Pause, um die Kupplung abkühlen zu lassen, ein neuer Versuch. Nach dem dritten Kavalierstart gelingt die Weiterfahrt vor einer mittlerweile großen Zuschauerschar endlich und die Steigung ist geschafft. Einzig der Applaus bleibt aus. Solche Stellen sind eben nur mit einer Wandlerschaltkupplung oder hydrodynamischen Kupplung ohne Probleme zu meistern. Der Rest des Transports bis zum Ziel läuft absolut problemlos.

Warum Scania, warum R730? Diese Frage beantwortet der traditionelle MAN-Käufer Horst Wallek erst mal mit nur einem Wort: "Alternativlos". Und liefert die weitere Erklärung dann doch noch: "Der R730 hat den nötigen kurzen Radstand, ist in EEV-Ausführung zu bekommen, hat eine gute Automatik. Und: Er ist nicht schwerer als unsere anderen Zugmaschinen, er verbraucht nicht mehr, transportiert aber deutlich schneller und passt damit bestens zu unseren Transportaufgaben." Ähnlich sieht das auch Mischi, der beim Fahrerhaus eher auf MAN steht, den Scania aber längst schätzt. Warum? Drei Worte reichen ihm zur Begründung: "Der zieht bärig."

Download Technische Daten Scania R730 LA 8x4/4 HNB (PDF, 0,03 MByte) Kostenlos
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