Sattelzug vs. Wechselbrückenzug Wechselwirkung

Scania R440 4x2/6x2, Vergleich Foto: Jacek Bilski 19 Bilder

Der Sattelzug ist in Europa die Nummer eins, der Wechselbrückenzug eine typisch deutsche Lösung. Wie sieht‘s aus im direkten Vergleich?

Der Satz ist so alt wie das Nutzfahrzeug selbst: Vorne wird das Geld ausgegeben, hinten kommt es rein. Für das "hinten" gibt es zwei grundlegende Konzepte: Sattelauflieger oder Aufbau und Anhänger. Dabei hat aber der klassische Gliederzug aus Zweiachser und Dreiachs-Anhänger, der jahrzehntelang das Straßenbild geprägt hat, praktisch ausgedient. Die Achsverteilung gestaltet sich heute in der Regel umgekehrt und zumeist sind Wechselaufbauten gefragt, seien es Abrollbehälter, Container oder eben Wechselbrücken. Jene wurden in den heutigen Normgrößen Anfang der 70er-Jahre von der Spedition Dachser entwickelt. Als Vorläufer gelten die umsetzbaren "Weberbehälter", die die Deutsche Bundespost ab 1949 für Kombiverkehre auf Straße und Schiene nutzte.

Highline-Fahrerhaus der R-Baureihe plus 12,7 Liter großen Reihensechszylinder DC 13

So viel zur Geschichtsstunde. Wie der direkte Vergleich von Wechselbrücken- und Sattelzug ausfällt, zeigt der aktuelle Test. Die Rahmenbedingungen sind identisch: Die 4x2-Sattelzugmaschine und das 6x2-Wechselbrückenfahrgestell tragen beide den Greif auf dem Kühlergrill, kommen mit dem mittelhohen Highline-Fahrerhaus der R-Baureihe daher und sind jeweils mit 440 PS aus dem 12,7 Liter großen Reihensechszylinder DC13 motorisiert, der die Abgasnorm Euro 5 allein mit zweistufiger Abgasrückführung erfüllt. Auch beim Antriebsstrang herrscht mit Opticruise-Getriebe, Scania-Retarder und 2,59 zu 1 übersetzter Hinterachse Gleichstand.

Wie war das noch in der Fahrschule? Bei 16,50 Meter Gesamtlänge bleiben beim Sattelzug 13,60 Meter Ladelänge und somit im günstigsten Fall Stellfläche für 34 Europaletten. Ein 18,75 Meter langer Gliederzug fasst bei 15,65 Meter Ladelänge bis zu vier Paletten mehr (etwa als Tandemzug mit zwei Wechselbrücken im 7,82-Meter-Normmaß C782). Immerhin noch 36 Paletten sind es beim Testfahrzeug mit zwei 7,45 Meter langen Stahl-Wechselkoffern (C745) von Krone. Die bringen jeweils rund drei Tonnen Eigengewicht auf die Waage, hinzu kommen die luftgefederte Lafette mit gut 2,8 Tonnen und der 9,5 Tonnen schwere Dreiachser mit Wechselrahmen. Macht unterm Strich 18,3 Tonnen, ohne Ladung wohlgemerkt.

Beim Dreiachser hatte Scania Leichtlaufreifen aufgezogen

Mit gleichem Tankvolumen ist die Sattelzugmaschine fast zwei Tonnen leichter als der Dreiachser. Ein Standard-Koffersattel kommt ohne Reserverad auf gut sieben Tonnen, womit der gesamte Zug dann leer 14,6 Tonnen auf die Waage stellt. Sprich: Bei der Nutzlast hat der Sattelzug mit einem Plus von über 3,5 Tonnen klar die Nase vorn. Ebenso klar: Das höhere Leergewicht schleppt der Wechselbrückenzug auch bei Teilbeladung mit sich rum. Sind beide wie im Test auf 40 Tonnen ausgeladen, gibt es bei der Endabrechnung aber eine Überraschung: Der Verbrauch ist über die gesamte Strecke praktisch identisch. Das widerspricht eigentlich allen Erfahrungswerten, der aerodynamisch deutlich günstigere Sattelzug sollte im Mittel mindestens fünf Prozent weniger verbrauchen. Zumal der Hängerzug dem vollverkleideten Sattelzug abgesehen vom Dachspoiler "nackt" gegenübersteht (Seitenverkleidungen sind für das Langchassis ohnehin nicht zu bekommen). Ein Teil des Phänomens erklärt sich mit Blick auf die Reifen: Beim Dreiachser hatte Scania Leichtlaufreifen aufgezogen (Michelin Energy Savergreen), die Zugmaschine musste mit Standardreifen auskommen. Das kann beim Verbrauch bis zu drei Prozent ausmachen. Dazu können im konkreten Fall Einflüsse durch das Rollverhalten von Auflieger und Anhänger kommen. Bei sonstigen Vergleichstests mit Sattelzugmaschinen lässt sich dieser Faktor zuverlässig eliminieren: Dafür werden nicht nur zwei Runden mit Fahrerwechsel, sondern auch mit getauschten Aufliegern gefahren. Im aktuellen Fall war das ja nun systembedingt nicht möglich. Bedingt durch leicht abweichende Tachos war der Sattelzug immerhin einen Hauch schneller unterwegs.

Die blatt-/luftgefederte Zugmaschine bietet einwandfreies Fahrverhalten

Das zur Faktenlage. Bei den "weichen" Faktoren regiert das Bauchgefühl, und das ist Scania-typisch angenehm. Wenig überraschend fährt sich der vollluftgefederte Hängerzug weicher und der Fahrkomfort im langen Dreiachser erinnert an einen Reisebus. Die blatt-/luftgefederte Zugmaschine hält sich beim Sattelnicken aber ebenfalls stark zurück und bietet ein einwandfreies Fahrverhalten. Im Schubbetrieb fährt sich der Sattel sogar etwas angenehmer, da ruckt es mit dem Hänger im Schlepp ein wenig mehr. Vorwärts also kaum ein Unterschied, dafür rückwärts umso mehr. Aber das ist letztlich Geschmacks- und Übungssache.

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Download Scania R440 4x2/6x2 Technische Daten (PDF, 2,80 MByte) Kostenlos
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