Scania-Lkw im Test Vier Schweden zu Gast

Foto: Jacek Bilski 16 Bilder

Vier Euro 6-Scanias aus unterschiedlichen Leistungsklasse treten zu einem besonderen Vergleich an. G-Highline gegen R-­Topline-Kabine, R6 gegen V8, SCR only gegen SCR und AGR.

Wie schnell die Zeit vergeht. Das Thema ­Euro 6, in der Transportwelt eben noch in aller Munde, gerät schon wieder in den Hintergrund. Im Detail zeichnet sich jedoch ­eine interessante Entwicklung ab. Denn nachdem ­Iveco mit seinen "SCR-only"-Motoren für den Fernverkehr schon früh aus der Reihe geschert war, hat inzwischen auch Scania das Thema aufgegriffen. Dabei fahren die Schweden zweigleisig.

Euro 6 mit SCR-Technik

Zum einen gibt es den 12,7 Liter großen Reihensechszylinder DC13 in den Leistungsstufen 450 und 490 PS wie gehabt mit ­einer Kombination aus Abgasrückführung und Abgasnachbehandlung. Alternativ gibt es mittlerweile zwei 410 und 450 PS starke Varianten, die Euro 6 allein mit der SCR-Technik erfüllen. Für die beiden 450er gibt Scania übrigens eine identische Motorcharakteristik mit jeweils 2.350 Nm maximalem Drehmoment an. Auch der Listenaufpreis zum 410er ist mit je rund 2.100 Euro gleich.

Diesel-Einsparungen bei höherem Adblue-Verbrauch

Die Motorentechnik der Variante nur mit SCR ist weniger komplex, gut einen Zentner leichter und kommt im Gegensatz zu den Motoren mit Abgasrückführung ohne variablen VGT-Turbolader aus. Einsparungen beim Diesel werden aber mit einem deutlich höheren Adblue-Verbrauch erkauft. Die überwiegende Nachfrage nach den SCR-only-Motoren sieht Scania ­daher vor allem bei großen Flotten, im Idealfall mit eigener Adblue-Versorgung und bei günstigen Einkaufspreisen.

Nicht zuletzt bedeutet niedrigerer Dieselverbrauch auf Kosten von mehr Adblue auch geringere CO2-Emissionen – und dieses Thema wird wohl künftig an Bedeutung gewinnen. Wegweisend spricht ­Scania bei den SCR-only-Motoren von der "dritten Generation" des Euro-6-Programms.

G 410 Highline sowie R 450, R 580 und R 730 Topline

Für erste Messfahrten, intern sowie mit Journalisten aus Dänemark und Schweden, ­"borgte" sich Scania die 1.000-Punkte-Test-Strecke von trans aktuell. Mit dabei auch zwei V8, sodass sich das Testquartett wie folgt darstellt: G 410 Highline sowie R 450, R 580 und R 730 Topline.

Mit Zwei-Blatt-Federn vorn, Vier-Balg-Luftfederung hinten und gleichem Tankvolumen sind die Fahrgestelle des 410er, 450er und 580er praktisch identisch. Vom Fahr- und Lenkverhalten her spürt man im R 580, dass der V8 schwerer auf der Vorderachse lastet als der ­Reihensechser im R 450. Weicher geht es im R 730 mit luftgefederter Vorderachse zu. Die straffste Abstimmung vermittelt der G 410 mit seinem tiefer montierten Fahrerhaus und somit geringerer Sitzhöhe über der Fahrbahn.

Überraschungen beim Dieselverbrauch

Beim Dieselverbrauch gibt es eine kleine Überraschung: Nach Auswertung aller Runden schneidet der R 730 gut drei Prozent günstiger ab als der schwächere V8. Es dürfte schlicht daran liegen, dass der R 580 noch nicht optimal eingerollt war – wofür insbesondere der höhere Teillastverbrauch in der Ebene spricht.

Etwa ein halbes Prozent Mehrverbrauch, so die Erfahrungswerte von Scania, lassen sich auf den Retarder zurückführen: Der R 580 trat mit dem bekannten Scania-Retarder R3500 an, die drei anderen mit der neuen Version R4100D. Jene bietet nicht nur mehr Bremsmoment (bis zu 4.100 statt 3.500 Nm), sondern ist auch mit einer Freilauffunktion ausgestattet, um Schleppverluste zu vermeiden.

Die weiteren Messwerte entsprechen den Erwartungen. Auf der anspruchsvollen Strecke mit vielen langen Steigungen und Gefällen liegen der G 410 und der R 450 beim Verbrauch nahezu gleichauf, mit einem minimalen Vorteil von 0,7 Prozent für den 410er. Beide langen aber auch beim Adblue ordentlich zu, per 100 Liter verbrauchtem Diesel werden 7,7 Liter fällig.

Die beiden V8 mit Abgasrückführung und VGT-Lader begnügen sich dagegen mit einem Anteil von jeweils 3,6 Prozent. Acht bis neun Prozent ­liegen die Dieselverbräuche der beiden SCR-only unter dem 730er, was zumindest eine grobe Einschätzung gegenüber den 12,7-Liter-Motoren mit Abgasrückführung zulässt. Die lagen in der Vergangenheit etwa sechs bis sieben Prozent unter dem Flaggschiff.

Die Opticruise-Schaltautomatik bietet Scania nach wie vor mit oder ohne Kupplungspedal an, wobei das Testquartett einheitlich die Zwei-­Pedal-Version mit automatisierter Kupplung aufweist. Beim 410er und 450er ist die Direktgang-Ausführung jeweils mit einer 2,59 übersetzten Achse kombiniert, was bei 85 km/h etwa 1.190 Umdrehungen bedeutet. Um tempomäßig einigermaßen mitzuhalten, lässt das gegenüber den V8 immerhin etwas mehr Drehzahlreserven an Steigungen: 1.130 Umdrehungen diktiert der Triebstrang des 580er bei Tempo 85, der des 730er sogar nur 1.070. 

"Eco-Roll"-Freilauf

Seit Herbst 2013 gehört zum automatisierten Opticruise-Getriebe mit vorausschauendem Tempomaten "Active Prediction" auch ein "Eco-Roll"-Freilauf. Die Elektronik lässt das Fahrzeug in Kombination mit dem GPS-gestützten System nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Leerlauf rollen, sondern entscheidet fallweise, ob im kommenden Streckenabschnitt der Schubbetrieb mit eingelegtem Gang nicht doch die verbrauchsgünstigere Lösung darstellt. Die Faustregel hinter der Programmierung lautet: Eine Rollphase im Leerlauf sollte mindestens zehn Sekunden dauern, ehe Gas oder Bremse betätigt werden müssen. Verflochten ist Active Prediction nun auch mit der Getriebesteuerung, was vor allem variable Schaltpunkte in Steigungen ermöglicht. Weiterhin wird das Schaltgeschehen von den drei Fahrprogrammen "Standard", "Economy" und "Power" beeinflusst.

Voreinstellungen nach Gusto

Generell betonen die Schweden, dass sich die jeweiligen Voreinstellungen in ­Scania-Werkstätten nach Gusto anpassen lassen. Für Einsätze abseits befestigter Pisten weist das Opticruise-Getriebe zusätzlich einen Offroad-Modus auf. Im Test galten als Vorgaben der Economy-Modus sowie 85 km/h in der ­Ebene und 90 km/h bergab. Da der R 730 die Steigungen ­nahezu ungebremst glattbügelt, hievt der Schwung talwärts das Durchschnittstempo schließlich auf über 86 km/h.

Abstriche beim G Highline

Den 410-PS-Motor in Gestalt eines G Highline zu präsentieren spricht für die Zielrichtung als Flottenauto. Gegenüber den Topline-Kollegen sind jedoch Abstriche zu machen. Die Stehhöhe vor den Sitzen ist mit 1,90 Meter ganz passabel und entspricht dem Highline der R-Serie. Der im Vergleich zum R doppelt so hohe Motortunnel und das maximal 66 Zentimeter breite Bett (im R bis auf 85 Zentimeter ausziehbar) wiegen da schon deutlich schwerer.

Im Detail zeigen sich noch diverse Optionen. So ist etwa der R 450 an der Rückwand mit schlichten Halterungen für die Aufliegeranschlüsse ausgestattet, die übrigen Fahrzeuge mit einem soliden Rohrbogen. Ebenfalls am R 450 ist statt der aerodynamischen Streamline-Seiten­verkleidung die Standardversion montiert. Kostet vielleicht ein Quäntchen Sprit, bietet aber einen bequemeren Aufstieg hinten.

Zu den rund 330 Kilogramm, die allein der V8 mehr wiegt als der Reihensechser, kommen 40 Kilogramm für die aufwendigere Abgasnachbehandlung dazu – zusammen also über sieben Zentner. Addiert sich dann noch etwas standesgemäßes Zubehör hinzu, geht die Tendenz schnell in Richtung halbe Tonne – so auch beim R 450 und R 580 Topline im Test.

Starker Motor - Stolzer Aufpreis

Doch nicht nur das höhere Gewicht muss man abkönnen: Gut 11.000 Euro steht ein 580er teurer in der ­Liste als ein vergleichbarer 450er, wobei unter anderem das Overdrive-Getriebe GRSO905 zur Zwangswahl gehört. Beim 730er muss es die stärkere Variante GRSO925 sein, dazu ­Opticruise mit Active Prediction. Damit sind gegenüber dem 580er noch mal 18.700 Euro zusätzlich aufgerufen beziehungsweise fast 30.000 Euro gegenüber ­einem 450er. Eine stolze Summe.

Hier finden Sie die Technischen Daten zu den vier Scania.

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