Renault Kangoo Rapid Maxi Z.E. Wintererprobung

Renault Kangoo Rapid Maxi Z.E. Foto: Jacek Bilski 11 Bilder

Der Renault Kangoo Z.E. ist der erste serienreife Lieferwagen mit rein elektrischem Antrieb. Ein eigens von lastauto omnibus entwickelter Messzyklus für Stadtstromer gibt Aufschluss über die tatsächliche Reichweite und die Fahrleistungen.

Die Verwirrung ist groß. Alle sprechen von der globalen Erwärmung und im Februar sorgten zweistellige Minusgrade für eine Eiszeit. An den wärmsten November seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen schloss sich wohl der kälteste Februar an. Vielerorts kam der Straßen- und Schienenverkehr infolge der Witterung zum Erliegen. Dieselfahrzeuge fielen reihenweise aus. Der Kraftstoff in den Tanks war zähflüssig geworden und hatte die Filter zugesetzt.

Der erste Test eines Elektrotransporters

Das kann elektrisch betriebenen Fahrzeugen nicht passieren. Doch auch Starterbatterien und Akkus von E-Fahrzeugen droht bei Minusgraden Ungemach. Unter diesen unwirtlichen Bedingungen findet der erste Test eines Elektrotransporters statt. Soll der emissionsfreien Antriebstechnik der Durchbruch gelingen, muss sie auch im Winter zuverlässig ihren Dienst verrichten. Minus zwölf Grad zeigt das Thermometer auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen auf der Schwäbischen Alb. Der Renault Kangoo Rapid Maxi Z.E. (Zero Emission) hing über Nacht an der Ladestation, die Akkus sind voll geladen. So lange das Ladekabel Fahrzeug und Steckdose verbindet, leuchtet im Kombiinstrument ein grünes Symbol.

Bis das Symbol zum ersten Mal angeht, gilt es eine Hürde zu überwinden: Mennekes 2. Hinter diesem Produktnamen verbirgt sich der Stecker des Ladekabels für den Kangoo Z.E. An die Haushaltssteckdose lässt sich das Fahrzeug damit nicht anschließen. In die roten Arbeitsstromdosen passt der Stecker auch nicht. Was nun? Die Antwort ist einfach, aber teuer: Eine Ladestation muss her. Da die Stecker für Elektrofahrzeuge bisher aber noch nicht genormt sind, kann es sein, dass mit dem nächsten Elektrofahrzeug ein neuer Steckertyp kommt und eine andere Ladestation nötig wird – ein Fass ohne Boden. Hier muss ganz schnell eine einheitliche Lösung her, soll die Technologie auf breite Akzeptanz stoßen.

Etwa sechs Stunden Ladezeit bis der Aku vollständig geladen ist

Mit der passenden Steckdose ist das Laden des Kangoo Z.E. kinderleicht. Kabel eingesteckt, schon geht es los. Allerdings dauert es etwa sechs Stunden bis ein leerer Akku vollständig geladen ist. In der Praxis wird der Elektrotransporter also meist über Nacht an der Steckdose hängen. Während des Ladens lässt sich der Kangoo Z.E. nicht starten. Also Stecker raus, Zündschlüssel rein und starten. Ein leises Surren setzt ein und eine grüne Lampe leuchtet auf, die mit dem Wort "GO" zum Losfahren auffordert.

Das Cockpit des Elektro-Franzosen unterscheidet sich nur wenig von dem des Standard-Kangoo. Im Kombiinstrument muss der Drehzahlmesser einer Kapazitätsanzeige für die Batterie weichen und die Tankanzeige dem sogenannten Econometer. Der zeigt an, ob das Fahrzeug Energie verbraucht oder – mittels Rekuperation, also durch Rückgewinnung von Bremsenergie – erzeugt. Anstelle des Schaltknaufs gibt’s einen vierstufigen Wählhebel, der an ein Automatikgetriebe erinnert. Zur Wahl stehen Parken (P), Leerlauf (N) sowie Rückwärts- (R) und Vorwärtsfahren (D).

Ein lautes Signal beim Einlegen der Fahrstufe

Zunächst geht es rückwärts aus der Garage. Beim Einlegen der Fahrstufe ertönt ein lautes Signal – eine Warnung für andere Verkehrsteilnehmer, die kaum zu überhören ist. Auf den ersten Metern der Testrunde ist vor allem die Distanz interessant, die der Bordcomputer prognostiziert. 52 Kilometer meldet er. Nicht sonderlich viel, aber bei zwölf Grad unter null ist auch nicht viel mehr zu erwarten gewesen. Für die Testfahrt ist der Transporter nicht beladen. Allerdings läuft die Heizung auf Hochtouren, um es im Innenraum einigermaßen erträglich zu machen. Und wegen der schlechten Sicht ist das Abblendlicht an. Beides ändert an der vorhergesagten Distanz überraschend wenig. 35,6 Kilometer Landstraße liegen vor dem Franzosen. Danach geht es auf einen Stadtzyklus mit 2,9  Kilometer Länge und 13 Stopps je Runde.

Auf der schneebedeckten Landstraße rollt der Kangoo leise dahin. Bei Tempo 50 ist das Geräuschniveau um zwei Dezibel niedriger als beim Dieselpendant. Erst bei mehr als 80 km/h liegt es auf gleichem Niveau, weil Wind- und Reifengeräusche überwiegen. Das maximale Drehmoment von 226 Newtonmetern sorgt für guten Vortrieb in niedrigen und mittleren Geschwindigkeiten. Die Elastizität des Kangoo Z.E. ist allerdings überschaubar. Rund 14 Sekunden braucht das 60 PS starke Elektroaggregat, um den Transporter von Tempo 60 auf Tempo 80 zu beschleunigen. Aus dem Stand erreicht der Franzose seine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h nach einer gefühlten Ewigkeit.

Eine Stärke des Fahrzeugs ist der Stadtverkehr

Allerdings wird das Fahrzeug vermutlich selten zu Autobahneinsätzen kommen. Seine Stärke ist der Stadtverkehr. Zu flott sollte man auch nicht unterwegs sein. Auf Sicherheitsmerkmale wie ESP und ASR verzichtet der Kangoo Z.E. zugunsten eines geringeren Energieverbrauchs. Nur ABS gibt es. Dass die Fahrdynamik-Regelsysteme fehlen, merkt man auf Schnee und Eis deutlich. Gewöhnungsbedürftig ist auch die Rekuperation bei Fahrten auf rutschigem Untergrund. Geht der Fahrer vom Gas, schlägt sie zu wie ein Bremsfallschirm. Selbst bei Gefälle kommt das Fahrzeug damit recht schnell zum Stehen. Bei vorsichtigem Spiel mit dem Gaspedal sind aber Rekuperation und konstant schnelle Bergabfahrt zugleich möglich.

Als der Tacho 35,9 gefahrene Kilometer anzeigt, liegt der Energieverbrauch bei insgesamt neun Kilowattstunden (kWh) laut Instrumententafel. Die Lithium-Ionen-Batterie hat eine Kapazität von 22 kWh. Wobei bauartbedingt ein Rest von rund 20 Prozent in den Akkus verbleibt. Etwa neun kWh Kapazität bleiben demnach für den Stadtzyklus.

Mit halber Batterieladung im simulierten Stadtverkehr

Im Schnitt fuhr der Elektro-Kangoo bisher mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 54,7 km/h. Nach dem Stadtzyklus liegt sie nur noch bei 33,2 km/h. Die Fahrt verläuft unauffällig. Die vielen Stopps auf den Runden zehren aber an der Kapazität der Batterie. 23 Kilometer schafft der Kangoo Z.E. mit halber Batterieladung im simulierten Stadtverkehr. Nach exakt 52 Kilometern ertönt ein Warnsignal. Der Ladestand der Batterie ist bedenklich niedrig. Ein rotes Batteriesymbol leuchtet in der Instrumententafel auf. Auf öffentlichen Straßen sollte man nun möglichst schnell eine Ladestation ansteuern.

Nach weiteren fünf Kilometern fängt das rote Symbol an zu blinken. Der Signalton wiederholt sich hektisch. Dazu reduziert der Kangoo Z.E. die Motorleistung. Es braucht Nerven wie Drahtseile, um die Reichweite eines Elektro-Fahrzeugs zu messen. Nach 58,9  Kilometern ist Schluss, der E-Kangoo bewegt sich keinen Millimeter mehr. Passiert das auf öffentlichen Straßen, können Z.E.-Besitzer einen Pannendienst von Renault rufen, der das Fahrzeug zur nächsten Stromtankstelle in bis zu 80 Kilometer Entfernung schleppt.

Das Testergebnis fällt günstig aus

Und wie ist es um die Reichweite bestellt, wären die Temperaturen höher? Dieser Frage gehen wir zwei Tage später nach. Das Thermometer ist mittlerweile auf beinahe schon mollige null Grad geklettert. Die Prognose des Kombiinstruments lautet 55 Kilometer – immerhin drei Kilometer mehr als beim ersten Versuch. Das Testergebnis fällt sogar noch günstiger aus. Ebenfalls unbeladen, mit eingeschalteter Heizung und Abblendlicht im Betrieb kommt der Kangoo Z.E. dieses Mal auf 67,1 Kilometer Reichweite. Dabei war der Anteil Landstraße genauso lang wie zuvor, im Stadtverkehr drehte der Kleintransporter dafür einige Runden mehr.

Fazit:

Mit den gefahrenen Distanzen auf der Teststrecke, liegt der Kangoo Z.E. im Rahmen bisheriger Erfahrungen mit Elektroantrieben. Hätte er annähernd die 170 Kilometer vom Prüfstand geschafft, wäre das eine Überraschung gewesen. Für weite Distanzen sind Elektrofahrzeuge nicht gemacht. Das liegt nach wie vor an der begrenzten Leistungsfähigkeit der Batterien. Die hat sich in den vergangenen Jahren zwar verbessert, aber am Ende ist die Entwicklung noch lange nicht. Schließlich sollen Elektrofahrzeuge irgendwann eine Mobilität ohne fossile Kraftstoffe ermöglichen – und das im Sommer und im Winter.

Erste Meter emissionsfrei

Eines hat sich seit den ersten Tagen des Automobils nicht verändert: Mobilität braucht Energie. Dafür verbrennen die Aggregate in Fahrzeugen seit jeher unterschiedliche Substanzen von Holz bis Erdöl. Einzige Alternative zum Verbrennungsmotor ist bisher der Elektroantrieb. Die hierfür nötige Energie entsteht in Kraftwerken und steht dann in Form von Batterieladung (eine Alternative dazu ist die Brennstoffzelle) im Elektrofahrzeug zur Verfügung.

Über die Steckdose kommt die Energie in die Batterie. Allerdings brauchen die Akkus im Renault Kangoo Z.E. etwas mehr Spannung als die 230 Volt des regulären Hausnetzes. Zwar gibt es ein Notladekabel für den Kleintransporter, das in eine Haushaltssteckdose passt. Das funktioniert aber nur eingeschränkt, sodass Renault dieses Kabel dem Testwagen gar nicht beigelegt hat. Im Fahrzeug liegt lediglich das Standard-Ladekabel mit dem sogenannten Mennekes-2-Stecker.

Bisher keine Norm für Stecker an Elektrofahrzeugen

Mennekes-Stecker verwendet auch Mercedes am Vito E-Cell zum Aufladen der Batterien. Für Stecker an Elektrofahrzeugen gibt es aber bisher keine Norm, deshalb verwenden nur wenige Hersteller dieselben Systeme. Mennekes 2 ist zweckmäßig und gewährleistet eine sichere Energieübertragung zwischen Steckdose und Fahrzeug, vorausgesetzt es gibt eine passende Steckdose. Die trifft man aber noch selten an. Bundesweit gibt es mittlerweile einige Stromtankstellen, die meisten aber ohne Mennekes 2. lastauto omnibus nutzte für die Beladung des Kangoo Z.E. eine Station von RWE, die leihweise auf dem Testgelände zur Verfügung steht. Im Heimgebrauch empfehlen sich sogenannte Homecharger. Sie machen Besitzer von Elektrofahrzeugen unabhängig von der Stromtankstellen-Infrastruktur. Das gilt es aber im Vorfeld zu klären, denn Aufladen ist alltägliche Pflicht, angesichts der noch überschaubaren Reichweiten von Elektrotransportern.

Experience Area Münsingen bietet günstige Bedingungen

Wegen der Reichweitenmessung, die das Pendant zur Verbrauchsmessung an konventionell betriebenen Fahrzeugen ist, fiel die Wahl des Testgeländes auf ein Areal fernab von öffentlichen Straßen. Experience Area Münsingen (EAM) bietet dafür günstige Bedingungen. Der ehemalige Truppenübungsplatz in Münsingen auf der Schwäbischen Alb bietet auf mehreren Quadratkilometern Möglichkeiten für unterschiedliche Testszenarien. Anders als bei herkömmlichen Fahrzeugen gibt es für Elektrowagen keinen Reservekanister. Ist die Batterie leer, muss das Fahrzeug an die Steckdose. Bei EAM kein Problem, auf der öffentlichen Straße sehr wohl. Dafür haben sich die Marketingprofis von Renault aber ein Konzept einfallen lassen. Bleibt der Kangoo Z.E. mangels Batterieladung liegen, schleppt ein Vertragspartner von Renault den Stromer zur nächsten Ladestation in bis zu 80 Kilometer Entfernung.


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