Rallye Aicha de Gazelles du Maroc 2012 Damen-Wahl

Aicha Rallye Foto: Daimler, Veranstalter 32 Bilder

Frauen können bekanntlich nicht wirklich Auto fahren. Und Karten lesen oder sich anderswie orientieren schon gar nicht. Spätestens beim Reifenwechsel folgt dann zähneknirschend der Ruf nach männlichem Beistand ...!

So viel zu den - hinlänglich bekannten - männlichen Vorurteilen in Sachen Frauen und Auto. Und jetzt das: Die 310 Mädels, die sich am Startort der diesjährigen Rallye Aicha des Gazelles du Maroc, dem Trocadero mitten in Paris und im Vorgarten des Eiffelturms versammelt haben, sind allesamt in Rosa gekleidet. Mädchen halt! Aber die auffällige Farbe ergibt Sinn: Die Damen sind allesamt Teilnehmerinnen an der 22. Auflage dieser Off road-Veranstaltung ausschließlich für das weibliche Geschlecht. Und die auffällige Kleidung hat auch die Funktion einer Warnweste. Leuchtendes Rosa ist in den eher erdigen Farbtönen der zu durchquerenden Landschaften dann doch ziemlich unverwechselbar und schnell zu erkennen.

Als hätten die Tour-Planer beim Daimler in Stuttgart von der offiziellen Kleiderordnung gewusst, setzen sie mit der Lackierung ihrer Armada den Kontrapunkt: strahlendes Babyblau ziert die allradgetriebene Transporterflotte mit dem Stern: Zwei Vito 4x4 und ein gekürzter Sprinter 4x4 sollen möglichst den Vorjahreserfolg eines Klassensieges wiederholen. Die Besatzung rekrutiert sich aus Daimler-Mitarbeiterinnen, allesamt Rallye-unerfahren und in einem mehrstufigen Auswahlverfahren firmenintern aus rund 200 Bewerbungen "gecastet":

Team 319 auf Vito 4x4:

  • Fahrerin: Daniela Snyders, Projekt-Managerin, Lkw-Entwicklung, Werk Untertürkheim
  • Navigatorin: Julia Salamon, Sachbearbeiterin Vertrieb Vans, ebenfalls Werk Untertürkheim

Team 320 auf Vito 4x4:

  • Fahrerin: Marie Le Neillon Quesseveur, Ingenieurin, Lkw-Entwicklung im Werk Untertürkheim
  • Navigatorin: Susanne Ehmer, Ingenieurin im Werk Mannheim

Team 137 auf Sprinter 4x4:

  • Fahrerin: Christina Ackermann, Ingenieurin, Pkw-Entwicklung im Werk Sindelfingen
  • Navigatorin: Coralie Lejeune, Ingenieurin Im Qualitätswesen des Werks Bremen

Von Paris aus geht es zunächst nach Clermont-Ferrand, dann von Almeria in Spanien mit dem Schiff nach Marokko und hier gleich über das Atlas-Gebirge zum ersten Camp in Erfoud. Insgesamt sind 2.500 Kilometer zu absolvieren. Ausruhen? Nix da! Prolog fahren und die Startposition für die erste Etappe am folgenden 22. März. Da wartet jede Menge Sand auf die - meist völlig unerfahrenen - Gazellen. Das verlangt gleich Opfer: Wer nicht bis zwölf Uhr am Folgetag das nächste Biwak erreicht, ist raus. Nicht nur für die Teams, die ungewollt auf der Strecke übernachten, folgt eine weitere Erkenntnis: Nachts ist es in der Wüste a...kalt. Gerade mal fünf Grad.

Die Daimler-Ladies schaffen es, abgekämpft und mit guten Platzierungen. Anders ein Team aus Kanada. Die Damen mit der Startnummer 100 sind heftig verunglückt. Totalschaden. Der Besatzung geht’s aber gut.Das sollte als Warnung verstanden werden. Denn Etappe drei wird heftig selektieren, die Spreu vom Weizen trennen; Marathonetappe! Und es warten die berüchtigten Merzouga-Dünen. Sie bedeuteten im vergangenen Jahr nach einem leichten Crash das Aus für den Werks-Sprinter. Wieder eine Erkenntnis: Auch in der Wüste kann es regnen! Das tut es in dieser Region Nordafrikas zwar sehr selten, trifft nun aber genau die Rallye. Kübelweise zaubert das himmlische Nass Matsch am Boden und macht den Sand noch schwieriger zu befahren. Die Rallye fordert jede Menge Opfer und die Berge-Crews haben alle Hände (und Winden) voll zu tun. Es gibt zwei Routen für die 4x4-Kategorie, diese Dünenwelt zu durchfahren. Nachdem Christina und Coralie sich mit dem kurzen Sprinter mehrfach fürchterlich festgefahren und sich aber stets selbst wieder befreit haben, beschlossen sie die Alternativroute zu nehmen, die der Route der Crossover Kategorie fast gleichkommt. Im Nachhinein betrachtet ein weiser Entschluss, der allerdings einige Strafpunkte mit sich bringt. Fahrzeug und Pilotinnen werden hier keinem unnötigen Risiko aussetzt und den beiden blieb letztendlich das Schicksal vieler Teams erspart, die in dieser unwirtlichen Dünenlandschaft bis Sonntagnacht ausharren mussten. Bei ihrem Ausbruch aus den Dünen, haben sie - ganz gemäß dem „Gazelles Spirit“ - noch ein Dacia Team mit der Seilwinde aus der gleichen Misere befreit.Für die Vitos reicht es heute trotz eines Reifenschadens sogar zum Etappensieg und zu einem vierten Platz. Das macht den immer noch anhaltenden Dauerregen ein wenig vergessen, verbessert aber nicht die äußeren Bedingungen. Trotzdem bringt auch die vierte Etappe den Stuttgart-Damen wieder vordere Plätze. Dienstag, 27. März, Etappe fünf. Das Wetter hat sich ein wenig gebessert: nur noch vereinzelt Regen, dafür ist es jetzt windig bis stürmisch. Während es bei den Vitos erneut gut läuft, haben die Damen im Sprinter heute richtiges Pech. Kurz nach Checkpoint eins durchqueren sie einen Teil der Steinwüste. Einer der brutalen Stöße muss wohl zu viel gewesen sein. Das Federdomlager vorn links ist beschädigt. An eine Weiterfahrt ist so nicht zu denken. Also den Notruf drücken und damit 200 Strafpunkte riskieren. Das Technical Support Team kann den Schaden provisorisch vor Ort instand setzen und ermöglicht damit die langsame Weiterfahrt ohne das Risiko einer Disqualifikation. Die richtige Reparatur erfolgt dann erst im Biwak, und die Mädels kommen am Mittwoch früh erst gegen 02:00 Uhr zum Schlafen - normalerweise kein gutes Omen für die bevorstehende zweite Marathon-Etappe. Für das Technikteam war es die "Nacht der langen Messer". Aber früh um sechs stand das Fahrzeug wieder voll einsatzbereit an der Startlinie. Durch den Schaden sind die Sprinter-Damen auf Platz 66 in der Gesamtwertung zurückgefallen.

Das Wetter zur sechsten Etappe eröffnet mit bedecktem Himmel. Es regnet am Morgen noch nicht. Dafür sind die Checkpoints (CP) sehr anspruchsvoll und die Teams kämpfen sich durch sehr unwegsames Gelände bis zum CP zwei. Dann setzt erneut heftiger Regen ein, und der Lehmboden wird eine einzige Matsch-Soße. Die Autos kämpfen sich mühevoll vorwärts, mal mit Erfolg meist eher aber gar nicht! Team 319 fährt sich in der Brühe hoffnungslos fest und die Gazellen Daniela und Julia graben und graben und graben... Während der Befreiungsaktion beschädigen sie sich eine Antriebswelle. Wieder muss das Technical Support Team über Nacht Wunder vollbringen. Der Schaden ist morgens behoben, und die Gazellen können nach einer Nacht ganz allein draußen in der Wüste weiterfahren Richtung Ziel.

Das Ergebnis:Platz 4 in der Gesamtwertung „Crossover“ sowie Platz 1 in den Sonder-Wertungen „Logica Eco Drive“ und „Beste Marathonetappe“. Diese drei wichtigen Wertungen haben Marie Le Neillon-Quesseveur und Susanne Ehmer mit dem Vito bei der Aicha des Gazelles für sich entschieden.Das zweite Team, Daniela Snyders und Julia Salamon, unterwegs im baugleichen Vito, holten Platz acht in der Gesamtwertung „Crossover“ ab. In der Wertung „Logica Eco Drive“ wurden sie Dritte.Christina Ackermann und Coralie Lejeune traten mit dem Sprinter im 4x4-Segment gegen die Geländewagen der namhaften Automobilhersteller an. Die beiden lenkten ihren Sprinter auf Platz 60 bei über 130 Teams in diesem Segment.Nach Abschluss der letzten Rennetappe fuhren die Gazellen in die 250 Kilometer entfernte Hafenstadt Essaouira an der marokkanischen Atlantikküste. Dort fanden der abschließende Zieleinlauf am Atlantikstrand und die Siegerinnenehrung statt. Irgendwelche Männer-Macho-Sprüche waren da längst nicht mehr zu hören. Respekt, die Damen!

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