Electri-City von Volvo Stille Revolution

Fahrzeuge-Projekt Electri-City von Volvo Foto: Thorsten Wagner, Volvo 6 Bilder

Als einer der Vorreiter in Sachen Elektromobilität zeigt Volvo Buses mit dem Projekt Electri-City in Göteborg, wie ein komplettes Elektrobussystem aussehen kann.

Busse wurden schon auf die ungewöhnlichsten Arten der Öffentlichkeit vorgestellt. Pomp, Blitz und Donner sind oft mit von der Partie. Da mutet es fast seltsam an, wenn Volvo das Publikum in Göteborg in eine veritable Stadtbücherei einlädt, selbst wenn sie in einem Pavillon im "Volvo Ocean Race Village" untergebracht ist.

Ein ganz besonderer Bus

Wer hier Tusch und Tara erwartet, wird enttäuscht. Im hinteren Bereich öffnen sich seitliche Rolltore und lautlos gleitet ein Bus in die Halle. Es handelt sich um einen ganz besonderen Bus, das wird schnell klar: minimaler Überhang vorne, ein riesiger Radstand von sieben Metern, zwei breite Türen im Format eines Scheunentors sowie ein hoher Dachaufbau. Zudem sitzt der Fahrer in der Mitte. Die großen Schiebetüren öffnen sich elektrisch, Passagiere steigen staunend ein und aus und so schnell und lautlos wie er kam, surrt der Volvo auch schon wieder auf Linie.

Volvo Buses hat sich seit einigen Jahren konsequent der Elektromobilität verschrieben und sein Portfolio an elektrifizierten Bussen kontinuierlich ausgebaut – oder wie Håkan Karlsson, Vice President der ­Volvo Group, es vollmundig ausdrückt:"Wir haben uns entschieden, in diesem Bereich ­führend zu sein."

Bereits mehr als 2.000 dieselelektrische ­Hybridbusse von Volvo laufen auf der ganzen Welt – in Europa werden seit 2012 überhaupt ­keine reinen Dieselbusse mehr verkauft. Im letzten Herbst wurden zudem weiterentwickelte Plug-in-Hybride oder "Electro-Hybride", wie sie Volvo nennt, vorgestellt. Einige von ­ihnen hat auch die Stadt Hamburg in Dienst genommen. In einer weiteren Evolutionsstufe zeigt Volvo nun als einer der ersten großen Her­steller einen reinen Elektrobus, wenn auch noch als Konzeptfahrzeug. Die ersten Serienfahrzeuge sollen 2017 folgen.

"Die Eine-Million-Dollar- Frage ist doch, wie wir einen nachhaltigen und sauberen Nahverkehr realisieren können", betont Karlsson auf dem Galaabend vor den aus aller Welt ange­reisten Gästen. Und dies ist nach der Ansicht der Schweden nicht mehr ohne die Betrachtung der gesamten städtebaulichen Struktur zu ­bewerkstelligen.

"... etwas bewegen können für die nachhaltige Mobilität"

Der Ansatz des vor zwei Jahren aus der ­Taufe gehobenen und auf drei Jahre ausgelegten Projektes "Electri-City" mit zehn Omnibussen (sieben Busse davon besitzen einen Plug-in-Hybridantrieb) ist es denn auch, mit rund 14 verschiedenen Partnern ein einheitliches System zu liefern, von der Lade- und Haltestelleninfrastruktur über den Service und die Wartung bis hin zur Verkehrssteuerung.

Damit wird aus einem reinen Fahrzeughersteller unversehens ein Lieferant von schlüsselfertigen Verkehrssystemen, wie es ­Jessica Sandström, Leiterin des Bereiches City Mobility bei Volvo Buses, beschreibt. "Was mich an dem Projekt so fasziniert, ist die Tat­sache, dass wir damit wirklich etwas bewegen können für die nachhaltige Mobilität", erklärt Jessica Sandström weiter. Aber selbst ein so visionäres Konzept sollte nicht die Kosten aus dem Blick verlieren. Volvo hat zusammen mit der Unternehmensberatung KPMG die sogenannten "True Total Cost of Ownership" (TCO) errechnet, also die während des Betriebs entstehenden tatsächlichen Kosten eines Fahrzeuges, inklusive des Verbrauchs von Ressourcen, der sozio­ökonomischen Kosten sowie der eventuell ­vorhandenen Steuervorteile.

Man spart nicht nur Geld, sondern tut auch etwas für die Umwelt

Bei einem TCO-Wert von zunächst zusätzlichen 23.000 Euro jährlich durch höhere Leasingkosten kommen die KPMG-Experten insgesamt auf einen Betrag von 27.000 Euro, der sich durch einen Elektrobus jährlich einsparen lässt. "Das macht addiert für eine Stadt wie Göteborg mit ihren derzeit 530.000 Einwohnern eine Gesamtersparnis von elf Millionen Euro sowie 33.000 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr", resümiert Niklas Gustafsson, seit 2015 "Chief Sustainability Officer" bei Volvo.
Einsparungen von 17.000 Euro der TCO sind dabei für die erhöhten Taktzeiten und den ­verbesserten Fahrgastfluss durch das innovative Fahrzeugkonzept berücksichtigt. Diese Zahlen müssen in der Praxis aber erst noch verifiziert werden.

An der begleitenden Forschung ist auch die Göteborger Universität Chalmers beteiligt. Sie untersucht zum Beispiel die Akzeptanz der ­"Indoor-Haltestelle", die im Rahmen eines Transport Labs auf dem Science Campus Lindholmen eingerichtet wurde. Von hier aus gehen die zehn Busse auf ihre jeweils zehn Kilometer langen ­Linien zum Partnercampus durch die Göteborger Innenstadt.

In dem ansprechenden Gebäude aus Holz und mit viel Glas fahren die Omnibusse brav aufgereiht in einer Spur ein und starten wieder von dort wie in einem Drive-in-Restaurant. Eine elegante Lösung, um nicht nur die Fahrgäste, sondern auch die empfindliche Ladetechnik vor dem rauen skandinavischen Wetter zu schützen. "Aber diese Busstops können noch viel mehr sein", erläutert Mari Anne Karlsson, Professorin für "Human ­Factors Design" an der Chalmers Univer­sität. Die Wissenschaftlerin ist auch für die begleitenden Studien von ­Electri-City verantwortlich. Sie werden teilweise vom europäischen EBSF2-Projekt ("European Bus- System of the Future") finanziert.
"Es sollen Orte der Zusammenkunft und Kommunikation sein, ohne feste Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit", sagt Mari Anne ­Karlsson. Ganz nebenbei könne man gemütlich Kaffee trinken oder ein DHL-Pakt abholen. Wie alle neuen Electri-City-Haltestellen ist auch diese besonders lärmreduziert. Schließlich gehen tiefgreifende Revolutionen meist lautlos über die Bühne.

Alles aus einer Hand

Interview: Vom Fahrzeughersteller zum Systemlieferanten – Volvo wagt es. Das Gespräch führte Thorsten Wagner mit der Leiterin von City Mobility, Jessica Sandström.

Welche Rolle spielt die Abteilung "City Mobility" bei Volvo Buses?

Sandström: Wir arbeiten mit den regionalen Vertriebs-teams zusammen und bringen das Wissen und die Erfahrung unserer weltweiten Arbeit mit ein. Mit den daraus entstehenden Projekten gehen wir dann auf die Politik zu. Wir sind so von einem reinen Fahrzeuglieferanten zu einem Lieferanten schlüsselfertiger Gesamtsysteme geworden.

Wie unterscheidet sich denn der Vertrieb des Elec­tri-City-Projektes von dem des Standard-­Hybrid­busses 7900?

Sandström: Nun, Hybridbusse kann man immer noch ohne die entsprechende Infrastruktur über den normalen Tenderprozess verkaufen. Aber wenn auch Ladestationen für den Betrieb nötig sind, muss man klären, wer diese zahlt und ­betreibt. Das erfordert eine Kooperation mit den potenziellen Kunden und einen Austausch über unterschiedliche Betreibermodelle.

Was wird künftig der Haupttreiber sein, um solche Projekte zu verwirklichen?

Sandström: Wir müssen unsere Vorstellung von Lebensqualität und Luxus ändern, genau das kann uns mit einem attraktiv gestalteten ÖPNV gelingen. Dazu muss der Bus zum Passagier kommen und nicht umgekehrt.

Wie spiegelt sich das im Electri-City-Projekt wider?

Sandström: Wir wollen mit dem Ansatz der lärmberuhigten Innenraum-Haltestellen demonstrieren, wie so etwas konkret zu realisieren ist.

Wann werden wir vor allem in der Stadt rein elektrisch fahren?

Sandström: Das wird in der Fläche sicher noch 20 bis 25 Jahre dauern, denke ich. In den Innenstädten wird es aber bald kaum noch vermittelbar sein, weiterhin mit nicht emissionsfreien und lauten Bussen zu fahren.

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