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Privater Briefmarkt Postcon nicht nur in der Region stark

Briefträger, Briefkasten, Postcon Foto: Postcon

Postcon mit Sitz in Ratingen hat Ende vergangenen Jahres die Mehrheit an der Berliner Pin Mail und am Netzwerk Mail Alliance übernommen. Postcon-Chef Rüdiger Gottschalk, Pin Mail-Geschäftsführer Axel Stirl und Mail Alliance-Geschäftsführer Michael Kunter sprechen über den Verkauf.

Herr Gottschalk, wie ist es dazu gekommen?

Dr. Rüdiger Gottschalk: Weil sich uns diese Chance glücklicherweise geboten hat. Wir waren mit der Holtzbrinck Publishing Group über ein Joint Venture bereits an Pin Mail wie auch der Mail Alliance gleichberechtigt beteiligt. Die Verlagsgruppe hat ihren Fokus geändert, sodass wir jeweils die Mehrheit der Gesellschaften übernehmen konnten.

Inwiefern profitieren Sie davon?

Gottschalk: Pin Mail ist mit Abstand der beste und leistungsfähigste private, regionale Briefdienstleister in Deutschland. Ein Unternehmen wie dieses zu 100 Prozent zu den eigenen zählen zu können, ist ein Geschenk. Wir profitieren sowohl betriebswirtschaftlich – das ist klar –, aber auch in Sachen Qualität. Wir wollen von Pin Mail lernen, um beispielsweise die Prozesse unserer eigenen letzten Meile an Rhein und Ruhr zu verbessern.

Was bedeutet Ihnen die Mehrheit an der Mail Alliance?

Gottschalk: Viel. Die Mail Alliance ist der führende Netzwerkkoordinator im alternativen Briefmarkt. Haushaltsabdeckung, Qualität, Logistik- und Partnermanagement sind Vorteile, von denen alle angeschlossenen Briefdienste profitieren. Das wollen wir als Mehrheitsgesellschafter fortführen.

Herr Stirl, Pin Mail arbeitet seit Jahren profitabel. Die Nachricht über den Verkauf kam etwas überraschend. Warum waren Sie denn einverstanden?

Dr. Axel Stirl: Weil uns Postcon zugesagt hat, dass wir unsere Arbeit wie gewohnt fortsetzen können. Der Deal gibt uns aber vor allem Rückenwind – und das ist der wichtigere Aspekt. Wir haben mit Postcon einen mutigen, strategischen Investor. Und da wir jetzt alle zusammenarbeiten, sind die Verhältnisse klarer geworden. Das macht den Dialog leichter.

Die Pin Mail wird aber als eigenständige Marke weiter arbeiten.

Stirl: Ja. Dr. Gottschalk hat bei der Übernahme als Allererstes unserer Mannschaft inklusive der Arbeitnehmervertreter zu verstehen gegeben, dass unser Team, unsere Marke und unsere Unternehmensfarbe erhalten bleiben. Auch unsere Aufgaben und Verantwortungsbereiche werden fortbestehen wie bisher.

Herr Kunter, wie bewerten Sie als Geschäftsführer der Mail Alliance die Übernahme von Pin Mail durch Postcon?

Michael Kunter: Sowohl Pin Mail als auch Postcon sind für uns extrem wichtige Partner. Postcon hat die Mail Alliance als Gründungsmitglied von Anfang an begleitet, und auch unsere Zusammenarbeit mit Pin Mail währt bereits einige Jahre. Dr. Axel Stirl und ich kennen uns schon lange. Alles in allem werden wir durch diese noch engere Verbindung hervorragende Effekte erzielen.

Die Deutsche Post hält nach wir vor knapp 90 Prozent. Der Anteil privater Briefdienste beläuft sich inzwischen auf rund zwölf Prozent. Werden Sie es nun schaffen, Ihr Kuchenstück zu vergrößern?

Gottschalk: Ja, davon gehe ich aus. Wir als Postcon haben von den zwölf Prozent rund zehn Prozent. Und: Kunden klopfen proaktiv an unsere Tür. In den Gesprächen hören unsere Kundenberater immer wieder, dass die Deutsche Post in den vergangenen Jahren zu sehr an der Preis- und zum Teil auch an der Qualitätsschraube gedreht habe. Das hat offensichtlich zu einer enormen Wechselbereitschaft geführt, insbesondere von Großkunden mit mehr als 50 oder 100 Millionen Briefsendungen pro Jahr. Diesen Eindruck stützt ebenfalls eine Postcon-Studie: 87 Prozent der in unserem Auftrag befragten Entscheider für die Vergabe von Postdienstleistungen können sich vorstellen, ihre Geschäftsbriefe in Zukunft über einen anderen als den bisherigen Partner zu versenden. Das zeigt, dass wir längst ein erwachsener Dienstleistungsbereich geworden sind, der hoch professionelle, intelligente Logistiknetzwerke und Sortierzentren betreibt.

Wie wichtig ist die Mail Alliance für den privaten Briefmarkt?

Gottschalk: Sie bildet das Rückgrat und stellt sicher, dass regionale Dienstleister auch nationale Briefmengen zustellen lassen können. Das macht die Mail Alliance mit sehr guter Qualität und Planungssicherheit. Wenn wir den alternativen Briefmarkt weiterentwickeln wollen, muss insbesondere die Mail Alliance eine wichtige Rolle übernehmen.

Mail Alliance und der zweite Verbund im Markt, P2, haben sich vor zwei Jahren zusammengeschlossen. Sind Sie als Netzwerk damit noch schlagkräftiger geworden?

Kunter: Absolut. Gemeinsam mit P2 haben wir eine Flächenabdeckung in Deutschland von 75 Prozent. Dienstleister und Kunden haben davon profitiert.

Welchen Herausforderungen muss sich der private Briefmarkt stellen?

Gottschalk: Wir sind auf Wachstum ausgerichtet und müssen zugleich die versprochene Qualität abliefern. Dafür benötigen wir kompetente und motivierte Mitarbeiter. Sie kurzfristig und für die nächsten Jahre zu finden, sehen wir als die derzeit größte Herausforderung. Wir müssen aber auch intern weiterhin unsere Hausaufgaben machen. Wir wollen uns als Preisführer etablieren und die Kostenführerschaft übernehmen. Dazu müssen wir insbesondere unsere Mitarbeiter immer wieder abholen und von anstehenden Veränderungen überzeugen. Wir setzen auf Mitbestimmung und haben in allen wesentlichen Bereichen Betriebsräte etabliert. Wir sehen uns außerdem in der Verantwortung, Ausbildungsplätze anzubieten. Bei uns absolvieren derzeit rund 100 junge Leute eine Lehre, wir wollen künftig aber weit mehr als 200 Nachwuchskräfte heranziehen.
Stirl: Es wird tatsächlich schwieriger, zuverlässige Mitarbeiter zu finden. In Berlin gelingt uns das jedoch zunehmend, übrigens auch von der Deutschen Post. Rückenwind gibt uns dabei unsere Kundenumfrage vom vergangenen Jahr: Demnach sind 92 Prozent unserer Kunden sehr zufrieden. Unsere Mitarbeiter treten freundlich und motiviert auf. Damit präsentieren wir uns als vernünftiger Arbeitgeber, auch wenn wir die Lohnlücke zur Deutschen Post noch nicht ganz schließen konnten. Wir bezahlen unseren langjährigen Zustellern heute einen Stundenlohn von etwas mehr als zehn Euro. Auch der Einstiegslohn liegt deutlich über dem gesetzlich geforderten Mindestlohn von derzeit 8,84 Euro.

Können Sie sich vorstellen, Flüchtlingen Arbeitsplätze anzubieten?

Gottschalk: Ja. Wir führen bereits Gespräche mit der Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen. Ich denke, dass wir motivierten, lernbereiten Arbeitssuchenden durchaus interessante Möglichkeiten anbieten können. Wir haben zum Beispiel ein ausgefeiltes internes Trainingsprogramm, das sehr gut angenommen wird. Es gibt noch viele andere Stellschrauben, um attraktiver für Mitarbeiter in unserer Branche zu werden.

KIEZ CARE

Mit dem Projekt "Kiez care" will sich Pin Mail in Berlin künftig um die Nachbarschaft kümmern. Verstopfte Straßen, verpestete Luft und die Geräuschbelastung nehmen zu. Das hat den Briefdienstleister auf die Idee gebracht, in Zukunft Warensendungen und kleineren Pakete in den Abendstunden zuzustellen, wenn der Kunde auch zu Hause ist. Damit sollen viele erfolglose Zustellversuche reduziert und die Umwelt entlastet werden. Am Rest des Tages will Pin Mail sein klassisches Geschäft wie gewohnt weiter betreiben.

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