Fahrbericht MAN F8 Zurück in die Vergangenheit

MAN F8 Foto: Küppers 17 Bilder

 Wer einen MAN F8 von 1953 fahren will, der braucht etwas Feingefühl und reichlich Kraft – eine Reise in die Vergangenheit bei der 14. Deutschlandfahrt historischer Nutzfahrzeuge.

Altes Eisen in neuem Glanz – dem MAN F8 sind seine 61 Lenze kaum anzusehen. Gut sieht er aus, ganz in Weiß gehalten mit einigen weinroten Farbtupfern an Kühlergrill und Rahmen. Sein Besitzer, Spediteur Herbert Schäfer aus Holzminden, hat den Lastwagen liebevoll bis ins Detail restauriert und trat vor vier Jahren erstmals zur Deutschlandfahrt historischer Nutzfahrzeuge damit an. Bei der 14. Auflage der Lkw-Tour lädt Schäfer in seine Kabine ein. So viel sei schon gesagt: zwei Tage am Steuer des F8 sind eine besondere Erfahrung.

Bereits die Einstellung des Fahrersitzes ist ein mittlerer Kraftakt. Hier geht weder die Höhenverstellung noch die horizontale Positionierung leicht von der Hand. Nach rund fünf Minuten ist dann aber ein stimmiger Abstand zum Fahrradfelgen-großen Lenkrad gefunden. Auch die stabil wirkende Pedalerie ist nun einigermaßen erreichbar.

MAN F8 mit 11,6 Liter großem V8

Zeit dem 11,6 Liter großen V8 unter der wohlgeformten Haube Leben einzuhauchen. Mit sanftem Druck auf den elfenbeinfarbenen Knopf neben dem Volant nimmt der Saugmotor seine Arbeit auf. Auf Höhe des rechten Knies muss der Fahrer an einem Stahlhebel das Standgas einstellen. Mit Griff zu selbigem Hebel stellt der Chauffeur am Ende einer Tour den Motor auch wieder ab.

MAN F8 mit ZF Stufengetriebe

Während der Motor in der Lautstärke eines Schiffsdiesels bei zirka 450 Umdrehungen vor sich hinwummert, darf der Fahrer sich mit den Eigenheiten eines ZF Stufengetriebes (ZF 6AK75) vertraut machen. Wer bis zum ersten Kontakt mit dem F8 Gänge im H-Schema eingelegt hat, wird einige Zeit brauchen, um sich an die im MAN übereinander angeordneten Gänge zu gewöhnen. So liegen in der mittleren Schaltgasse die Gänge drei und vier. Mit einem Druck auch den Schalthebel gelangt der Fahrer in die Gasse der Gänge eins und zwei und beim Zug nach oben sind die langen Gänge fünf und sechs erreichbar.
Es wäre vermutlich ein leichtes sich an dieses System bei einem synchronisierten Getriebe zu gewöhnen. Allerdings war in der guten alten Zeit an eine automatische Synchronisierung von Antriebs- und Abtriebswelle nicht zu denken. Die Anpassung der Motordrehzahl beim Einlegen eines neuen Gangs erfolgt manuell per Gaspedal. Und nicht nur das: auch Zwischenkuppeln gehört zu jedem Schaltvorgang dazu.

Fahrer trägt einen harten Kampf aus

Doch so weit ist es noch nicht. Zunächst will der erste Gang eingelegt werden, damit sich der F8 überhaupt von der Stelle bewegt. Der Tritt aufs Kupplungspedal ist eine Offenbarung. Es sind schon gut 90 Kilo Körpergewicht nötig, um das Pedal so tief treten zu können, dass der erste Gang in Arbeitsstellung kommt. Na das kann ja heiter werden!
Bei den ersten 100 Schaltvorgängen ist es nahezu unmöglich die Kupplung ganz zu treten, den richtigen Gang zu finden und in der passenden Stärke die Motordrehzahl durch Zwischengas anzupassen. Während der Fahrer schweißgebadet das Konzert der Getriebezähne spielt, sitzt Herbert Schäfer verständnisvoll grinsend auf dem Beifahrersitz. Der Spediteur hat schon viele Fahrer in die Geheimnisse des F8 eingeführt, daher ist es nichts Neues für ihn, dass der Fahrer einen harten Kampf austrägt.

1953 gab es noch keinen Begrenzer

Bei der ersten Etappe führt der Weg von Schweinfurt ins tschechische Pilsen. Auf mehr als 300 Kilometern gibt es ausreichend Möglichkeiten an der archaischen Technik zu scheitern. Ein Glück gibt es einige Abschnitte, auf denen der MAN im sechsten Gang einfach dahinrollt. Dann bleibt dem Fahrer etwas Zeit sich zu erholen und den Blick aus der geteilten Windschutzscheibe über die MAN-Kühlerfigur schweifen zu lassen. Ein gelegentlicher Blick auf den Tacho am lederbezogenen Armaturenträger schadet dabei nicht. Denn einen Begrenzer gab es 1953 noch nicht. Und das mit vier Tonnen beladene Solofahrzeug mit Pritschenaufbau läuft mit seinen überschaubaren 180 PS weit über 90 km/h.

Im Stadtverkehr von Pilsen ist es dann wieder vorbei mit dem ruhigen Leben. Kuppeln, Schalten, Zwischengas, linkes Bein und rechte Hand ausschütteln – eine immense Koordinationsleitung ist gefordert. Nach rund neun Stunden endet die erste Etappe. Das wunderschöne, altehrwürdige Fahrzeug hat sich als echte Herausforderung erwiesen. Da bleibt nur zu hoffen, dass am zweiten Tag erste Lernerfolge auszumachen sind.
Wie durch ein Wunder ist genau das der Fall. Plötzlich geht das Schalten leicht von der Hand, das Zwischengas passt meist und der MAN F8 tuckert unaufgeregt von Pilsen nach Hof. Was sich allerdings nicht geändert hat, ist die immense körperliche Anstrengung. Dazu kommt, dass der MAN F8 sich nur durch ein offenes Seitenfenster sowie Lüftungsklappen im Fußraum klimatisieren lässt. Bei rund 25 Grad Celsius ist das keine gute Nachricht.

Öl-Überprüfung direkt im Tank mit Zollstock

Am Ende der zweiten Etappe darf der Fahrer zunächst wieder das durchgeschwitzte Oberteil wechseln und dann noch die Füllstände von Öl und Kraftstoff prüfen. Für Letzteren gibt es keine Anzeige, daher bleibt nur die Überprüfung direkt im Tank per Zollstock. Fürs Öl gibt es dafür einen Messstab. Unter Messstab verstanden die Fahrzeugbauer vor 60 Jahren etwas anderes als heute. So muss der Fahrer einen Stahlstab mit der Dicke eines Bleistifts aus der Ölwanne ziehen, um den Füllstand abzulesen. Einen Liter auf 500 Kilometer hat der F8 verbraucht. Das kann sich in der Altersklasse durchaus sehen lassen. Zumal das Fahrzeug in den letzten beiden Tagen nie inkontinent war. Das ist allerdings kein Wunder, wenn altes Eisen nach 61 Lenzen noch so gut aussieht.

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