Rund zwei Jahre nach der Vorstellung in Kortrijk geht der Irizar i8 jetzt auch in Deutschland an den Start – und bringt eine umfassende Vertriebs- und Serviceorganisation mit.
Die Luft im Superhochdecker-Segment wird immer dünner – viele Hersteller bieten kaum mehr etwas Passendes an der Vier-Meter-Höhengrenze an, sieht man von Setra und Van Hool einmal ab. Nicht so Irizar: Die baskische Marke, die bis 2013 mit Scania Fahrgestell-Reisebusse in Deutschland verkaufte, bietet ebenso den "PB" oder übersetzt "Neues Produkt" genannten Superhochdecker und dessen Nachfolger i8 an. Seit der bewussten Scheidung beider Marken sind die Basken in Deutschland mit ihren neuen, integral konzipierten Modellen nicht gerade verbreitet, obwohl der ansonsten weltweit erfolgreiche Hersteller 2016 über 2.800 Busse gebaut und verkauft hat. Mittlerweile fertigen die Iberer rund ein Viertel ihrer in Europa gebauten Busse nach dem hier gängigen Konzept.
Zwar gab es bereits zwei Händler, die sich hierzulande dem Vertrieb der Marke annahmen. Deren wirtschaftlicher Erfolg war allerdings bisher eher bescheiden. Das soll sich mit einer neuen Deutschlandzentrale in Neuwied jetzt deutlich ändern.
Lieferung in vier Varianten möglich
Als Flaggschiff der breit gefächerten Modellpalette gilt nach wie vor der Superhochdecker i8. Rein optisch könnte er gar ein wenig in die Reifenspuren des eingestellten Neoplan Starliner rollen, auch wenn das frontbetonte Design des i8 mit vielen schmückenden V-Symbolen nicht ganz so spektakulär wie der Futurismus des Neoplan wirkt. Doch mit seinen modernen, Pkw-artig schmal geschnittenen Scheinwerfern, der markentypischen Betonung des Vorderwagens bis zur C-Säule und dem expressiven Heck ist der i8 ein echter Hingucker, der sich nicht hinter der europäischen Konkurrenz zu verstecken braucht.
Dabei wird der baskische Adonis gleich in vier Varianten geliefert, darunter auch ein Zweiachser mit 12,40 Meter Länge, der maximal 53 Sitze aus eigener Produktion bietet und mit der aufgelasteten RL-82-Vorderachse von ZF bestens für die höhere 19,5 Tonnen-Zulassung vorbereitet ist – der Einstandspreis liegt bei günstigen 279.000 Euro. Der Testwagen ist ein Dreiachser mit langem Radstand bei 13,22 Meter Länge. Bei nicht unbedingt handlichem Wendekreis von mehr als 23 Metern bietet er Platz für 48 bis 55 Fahrgäste und bis zu 13,2 Kubikmeter Stauraum (240 bis 275 Liter pro Person). Weitere lieferbare Dreiachser messen 14,07 und 14,98 Meter und bieten ein längeres Heckmodul, in dem dann auch ein Hublift, nicht aber ein Heckeinstieg unterkommt – der ist den kleinen Brüdern i6 und i6S vorbehalten.
Innenraum und Cockpit können punkten
Antriebstechnisch setzt Irizar bei den Integralmodellen voll auf DAF-Aggregate von 435 bis zu 510 PS sowie ZF-Achsen und -Getriebe. Dem allgemeinen Trend folgend sind alle Modelle entweder mit der gut abgestimmten AS-Tronic oder mit Sechsgang-Ecolife-Wandlergetriebe zu bekommen. Der MX-13 Motor mit 460 PS machte im unbeladenen Testwagen einen durchaus bulligen Eindruck. Dafür geht er mangels Zwei-Massen-Schwungrads nicht ganz frei von Vibrationen zu Werke und sollte generell noch etwas besser schallisoliert sein.
Innenraum und Cockpit zählen definitiv zu den Sahnestücken des rassigen Spaniers, angefangen bei den breiten Einstiegen. Gerade der hintere wartet sogar mit einer ausfahrbaren Stufe auf, ähnlich der Setra Top-Class. Der rund zwei Meter hohe Innenraum mit seinem ebenen Boden ist für 2+1 Sitzanlagen und für Rollstuhlplätze geeignet. Sowohl die exklusiven i8-Sitze aus eigener Produktion als auch die in elegantem Schwarz gehaltenen Service-Sets mit Touchfunktion sorgen für eine edle Anmutung des Wagens.
Schwerer Irizar lässt sich präzise manövrieren
Zudem überrascht er mit einer erstaunlich guten Verarbeitung. Als einziger Reisebus bietet der i8 in der Bugkuppel einen 22-Zoll-Bildschirm, hinten über der knapp geschnittenen, aber immerhin überbauten Toilette sind es immer noch 18 Zoll. Die üppigen Gepäckablagen können auch geschlossen ausgeführt werden. Im Untergeschoss bietet der immense Stauraum pneumatisch bedienbare Hubklappen mit praktischen Bedientasten im Kofferraum. Das Cockpit besticht durch gute Ergonomie, viel Platz und einen funktionalen Touchscreen, der die meisten Aufbaufunktionen steuert und sich gut bedienen lässt. Leider fehlt es etwas an Ablagen.
Dafür findet der Begleiter rechts neben sich einen Schrank. Die Geräuschkulisse im Cockpit ist angenehm: Windgeräusche sind kaum vernehmlich. Nur die hauseigene Hispacold-Klimaanlage, die es in zwei Ausführungen gibt, macht sich weiter hinten etwas deutlicher bemerkbar. Das Fahrwerk ist recht komfortabel. Auch ohne adaptive Dämpfer sind kaum Wank- oder Nickbewegungen zu vermerken – Querfugen lassen sich jedoch klar erspüren. Der schwere Wagen lässt sich jederzeit präzise und leichtfüßig manövrieren. Der schöne Baske ist also wieder da – und das so authentisch und charaktervoll, wie seit Langem nicht.
Neuer Start
Mit Chafek Zerhouni (43) nimmt ein bekannter Vertriebsfachmann der Busbranche, der von 2008 bis 2014 bei Temsa Deutschland tätig war, die spanische Marke für Deutschland in die Hand. Im April dieses Jahres wird er in Neuwied/Rhein eine verkehrsgünstig gelegene neue Zentrale für Irizar mit angegliederter Service-Werkstatt und siebenköpfigem Verkaufsteam gründen.
Der Anbieter will sich ausschließlich auf Irizar-Integralmodelle sowie auf Kundennähe fokussieren. Die werde hier "praktiziert, nicht nur publiziert". Der frisch gebackene Geschäftsführer sieht für den Reisebus i6S, der gerade im Stil des i8 überarbeitet wurde, die größten Chancen auf dem deutschen Markt. Er sei ein echter Doppelverdiener. Stadtbusse – auch elektrisch betriebene – stehen dagegen vorerst nicht im Fokus.