Fahrbericht Viseon C 13 Viseon C 13: Newcomer voller Ideen

Fahrbericht, Test, Testfahrt, Viseon C 13, Bus, Reisebus Foto: Karl-Heinz Augustin 17 Bilder

An Mut zur Attacke mangelt es nicht, dafür bürgen die Viseon-Besitzer Joachim Reinmuth und Ernö Bartha, beides ehemalige Neoplan-Chefs mit enorm viel Busverstand, Dynamik und dem richtigen Spritzer Aggressivität als pikanter Würze. Auch ihre Mannschaft vom Design bis zum Vertrieb hat reichlich Buserfahrung im Gepäck.

Die Verpackung des Neuen stimmt ebenfalls. Die schmalen Lampen sind optisch perfekt an Bugspoiler und Seiten angebunden. Das markante Viseon-V thront vorn klein über dem Nummernschild und selbstbewusst groß auf den Flanken. Ist der Bug beschriftet, tritt die große schwarze Fläche unterhalb der Scheibe in den Hintergrund. Strahlenförmige Kühlerlamellen, der angehobene seitliche Dachrand als Versteck der Aufbauten, ein perfekt modellierter Rücken frisch aus dem Fitnessstudio, elegant geschwungene Rückleuchten, vorne und hinten genau die richtige Dosierung feinen Chromschmucks – am Viseon kann man sich kaum sattsehen.
Zwischen seinen zumeist angejahrten und zum Teil etwas ergrauten Wettbewerbern bewegt sich der neue Hochdecker frisch und elegant. Aufs Korn nimmt er die Reisebus-Mittelklasse rund um Setra Comfort-Class und Kollegen. Viseon vermeidet also das Hauen und Stechen in der Billigklasse ebenso wie die dünne Luft der Champions League.

Mutig ist die Kombination von 13 Meter Länge und zwei Achsen. Trotz Aluminiumrädern, schlanker Scheiben und Vier-Sterne-Bestuhlung bringt der Testwagen knapp über 14 Tonnen auf die Waage – zu viel für volle Besetzung plus Urlaubsgepäck. Prompt begrenzt ein Aufkleber im Cockpit die Beladung der Stauräume auf 750 Kilogramm. Das gewichtige serienmäßige Reserverad könnte man weglassen, doch Viseon deutet Eingriffe in den Körperbau des Hochdeckers an. Man munkelt von Veränderungen am Fahrwerk, in der bevorstehenden Fastenzeit. Wo’s hingehen könnte, zeigt der hauseigene Doppeldecker, er rollt auf ZF-Achsen. Keine schlechte Wahl, die MAN-Hinterachse ist kein Leisetreter. Und die Vorderachse federt zwar komfortabel, tritt aber etwas poltrig auf und filtert jedweden Fahrbahnkontakt in der Lenkung weg, die nach Führung und einer festen Hand verlangt.

Mit dem MAN-Motor hat Viseon einen prima Griff getan: Die Maschine mit 324 kW (440 PS) erreicht früh volle Leistung und schnappt deshalb im mittleren Drehzahlbereich zu wie ein durchtrainierter Kampfhund. Sie läuft trotzdem sanfter als andere Diesel mit SCR-Technik und Adblue-Doping. Im Heck mahlt das Triebwerk unter Last zwar vernehmlich, doch das objektive Geräusch liegt in der letzten Reihe mit 67 dB(A) bei Tempo 100 auf anständigem Niveau.
Die Plätze hinten im Bus haben ohnehin ihre eigenen Reize: Da Viseon die Klimaanlage unauffällig in Wagenmitte positioniert, nutzt man den freien Raum über dem Heck zu einer luftigen Dachkuppel. Vorbei ist’s mit dem höhlenartigen Charakter typischer Omnibus-Hinterteile. Verstärkt durch die große Heckscheibe ist der Viseon hell und hat über dem Motor obendrein enorme Stehhöhe. Ein idealer Platz auch für eine Clubecke. Ohnehin lässt der C 13 mit freier Wahl zwischen Mittel- und Hecktür viele Gestaltungsmöglichkeiten.
Generell fällt das Viseon-Interieur gefällig aus, aber nicht extravagant – die Omnibus-Mittelklasse lässt keinen Raum für Sperenzchen. Die Mitteldecke belegt Viseon mit einem gummiähnlichen genarbten Kunststoff. Die Unterseite der Gepäckablage zeigt zusammen mit den Aluminiumprofilen unterhalb der Luftkanäle flotten Schwung. Die Servicesets mit LED-Lampen rücken im Bus dezent zur Seite und der Verzicht auf eine Düsenbelüftung – man merkt die Neoplan-Abstammung – bringt optisch Ruhe in die Innengestaltung.
Temperierte Luft strömt in Form einer Raumlüftung durch drei Reihen mit Schlitzen in den Fahrgastraum des Viseon. Beim Testwagen funktioniert dies zugfrei und leise. Indes stört aus dem Fußraum das lästig-laute Knacken der Warmwasserkonvektoren.
Es reist sich angenehm im Viseon. Nach vorn fällt der Blick auf eine hübsch gewölbte Dachkuppel. Sie trägt als Zierde das bekannte Viseon-V mit Chromschwingen, das außen Bug und Heck ziert. Die Dachkuppel nimmt einen elektrisch klappbaren Bildschirm im Format 19 Zoll auf. Nur die Fahrgäste in der zweiten Reihe des C 13 haben Pech: Den Blick nach draußen stört der hintere Schenkel des Viseon-V. Er hat nur dekorativen Charakter – geht’s zugunsten des Ausblicks auch etwas dezenter?
Eine Etage tiefer streckt sich der Fahrer auf seinem üppigen Arbeitsplatz, der sich schon auf den ersten Blick als echtes Schmuckstück entpuppt. Das Cockpit ähnelt einem umgedrehten U, dessen linker Bogen in der Fensterbrüstung ausläuft. Ein Platz zum Wohlfühlen, zumal Navi-Bildschirm und alle wesentlichen Bedienelemente gut erreichbar integriert sind. Die großzügige Längsverstellung des Sitzes nutzen nicht einmal Riesen. Nur die Tastenkolonnen rechter Hand verlangen Gewöhnung. Viseon wird auf Wunsch der Kunden die Blöcke mit den DIN-Einschüben noch gegeneinander tauschen, eine Marginalie. Hängende Pedale vermitteln ebenso Pkw-Charakter wie die übersichtlichen Rundinstrumente aus dem MAN-Regal.
Eine Schublade unten rechts und einige offene Fächer nehmen Kleinkram auf, ein Safe die Wertsachen. Links unter der Brüstung soll ein Netz für DIN-A4-Formate folgen, besser wäre eine große Schale. Auch eine Ablage für den Kupplungsfuß ist in Arbeit. Die Außenspiegel zeigen ein weites Blickfeld, nur die Hauptspiegel sitzen ein wenig zu weit innen und die Spiegelarme sind nicht einklappbar – das soll sich ändern. An Zahlstellen nutzt der Fahrer ein großes Schiebefenster. Dessen Bedienung wirkt ein wenig rustikal, auch verursachen die Scheiben deutlich hörbare Windgeräusche.
Knapper geht’s auf dem Begleitersitz zu, kein Fall für Langbeiner. Der bisher gemeinsame Deckel für Kühltruhe und Ablagefach wird künftig geteilt. Ein weiterer Wunsch zur Optik wird erfüllt: Künftig ziert ein schmucker Einstiegs-Haltegriff aus gebürstetem Metall statt im grauen Lack à la Testwagen das Entree. Jetzt bitte noch ein griffiges Lederlenkrad aus der Aufpreisliste, die Lenkradtastatur ist schon da. Und kann die Stufe vor dem Mittelgang etwas nach hinten rücken? Sie ragt vorwitzig ins Fahrerpodest hinein.

Eine Vielzahl praktischer Lösungen wiegt diese Kleinigkeiten mehr als auf. So nehmen vier versteckte Fächer über den Radläufen Getränkepaletten auf, nur aufpreisfrei sollten sie sein. Weitere Fächer vorn und hinten rechts schlucken Fahrergepäck und Zubehör. Kufen unter den Überhängen vorn wie hinten verhindern Schürfwunden. Vorn links ist der Waschwasserbehälter gut zugänglich. Ein Werkzeugfach hinten links enthält handfestes Zubehör für Notfälle, gut sortiert im passend ausgefrästen Boden. Scharniere mit Doppelgelenk öffnen die Klappen besonders weit. Die vielen LED-Lampen sparen Strom und halten lange.
Die Verarbeitung des Viseon hinterlässt generell einen ordentlichen Eindruck. Einige Details sind Schönheitsfehler, die an frühere Neoplan-Tage erinnern. Bei anderen darf man ein Auge zudrücken, denn mit dem Testwagen fuhr ein Nachwuchsbus vor, der zweite der Serie. Vielleicht fällt Viseon bei Gelegenheit auch ein, wie man ohne die zahlreichen Abdeckkappen auf den Verkleidungen rund um A- und B- Säulen auskommen kann. Wichtiger ist die langfristige Vorsorge durch ein komplett am Stück tauchlackiertes Gerippe. Der Viseon könnte deshalb zum guten Freund für ein langes Omnibusleben werden. Mit weiteren Extras wie einem Abstandsregler würde er noch mehr Sicherheit vermitteln, die Sache ist zurzeit in Vorbereitung
Ist’s eine Täuschung oder zwinkert der Viseon beim Abschied kurz mit den LED-Ketten seiner serienmäßigen Tagfahrleuchten auf? Ein letzter Blick folgt dem wohlgeformten Rücken. Den neuen Viseon sieht man auch gerne von hinten. Die untergehende Sonne streichelt den C 13 mit den letzten zarten Strahlen des Tages. Er hat sich den optischen Schmeichler verdient. Der Neue ist ein echtes Goldstück, nicht nur wegen seiner Lackierung.

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