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Ewald Kaiser und Gerhard Klein im Interview DB Schenker und MAN bereiten Platooning vor

Foto: DB Schenker

Die Vorbereitungen für Platooning im Regelbetrieb sind angelaufen. Im Frühjahr 2018 wollen DB Schenker und MAN einen Zweier-Platoon auf die Straße bringen. Er soll auf der A9 verkehren und die DB Schenker-Niederlassungen München und Nürnberg verbinden. Über die Erwartungen und die Rolle des Fahrers sprechen Ewald Kaiser, Chief Operating Officer für das neue Ressort Fracht bei DB Schenker, und Gerhard Klein, Leiter des Bereichs Engineering Central bei MAN, im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell.

trans aktuell: Meine Herren, Sie wollen 2018 gemeinsam einen Lkw-Platoon auf die Straße bringen. Sind Sie schon mal in einem Platoon mitgefahren?

Kaiser: Ich durfte schon mal auf der MAN-Teststrecke mitfahren. Herr Klein war am Steuer. Zunächst hatte ich großen Respekt und genau hingeschaut, doch mit jeder Sekunde wurde ich entspannter.
Klein: Der kurze Abstand irritiert zunächst. Aber man gewöhnt sich schnell daran.

Der Platoon aus zwei Fahrzeugen soll auf der A9 verkehren und die DB Schenker-Niederlassungen in München und Nürnberg verbinden. Im Frühjahr 2018 soll es losgehen. Wie viele Fahrten sind geplant?

Kaiser: Zu Beginn sind ein bis zwei Fahrten in der Woche geplant. Anfangs werden wir ohne Ladung verkehren, um Erfahrungen zu sammeln. Bedarf hätten wir für zwei bis drei Fahrten am Tag – das ist auch das Ziel für die spätere Phase mit Ladung. Die Fahrten werden nicht mit Testfahrern, sondern mit ausgebildeten Berufskraftfahrern im Live-Betrieb erfolgen.

Noch haben Sie für die Strecke aber keine Genehmigung. Das könnte ein Problem darstellen.

Klein: Wir sind im Gespräch mit den Verkehrsministerien des Bundes und des Landes, um die Ausnahmegenehmigungen zu bekommen. Wir sind guter Dinge, dass sie zu einem positiven Abschluss führen.

Bezieht sich die Partnerschaft auch auf die Ladung – sprich: Sind MAN-Teile an Bord?

Kaiser: Es mag sein, dass MAN-Automotive-Teile dabei sind, aber natürlich auch Stückgut und Teilpartien anderer Kunden, um die Fahrzeuge auszulasten. Wir trennen hier sehr sauber: Das eine ist die technische Kooperation, das andere das Kundenverhältnis.

Wie ist die Erwartung mit Blick auf die Kraftstoff-Einsparung?

Klein: Für den Beginn gibt es hierbei keine konkrete Erwartungshaltung. Zunächst kommt es darauf an, zu demonstrieren, dass man einen Platoon zuverlässig und stabil in den Fuhrpark integrieren und die Technik beherrschen kann. Was den Verbrauch angeht, glauben wir, dass man in der Praxis zu noch besseren Ergebnissen als in den Tests kommen kann. Wir gehen von einer merklichen Einsparung aus.

Das heißt …?

Klein: Bei einem Dreier-Platoon ist nach unseren bisherigen Erfahrungen eine Einsparung von bis zu zehn Prozent möglich. Von den Tests mit den Zweier-Platoons im realen Logistikeinsatz von DB Schenker erwarten wir uns noch konkretere Werte.

Auf den Fahrer können Sie aufgrund der Gesetzeslage nicht verzichten. Wie wollen Sie ihm das monotone Kolonnenfahren schmackhaft machen?

Kaiser: Auf keinen Fall wollen und können wir auf Berufskraftfahrer verzichten. Ihre Tätigkeit soll nicht monotoner, sondern attraktiver gestaltet werden. Das kann dann gelingen, wenn die Kraftfahrer auch für längere Zeit die Steuerung des Fahrzeugs aus der Hand geben, sich also anderen Dingen zuwenden können und erst auf Anforderung eingreifen müssen. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Im ersten Schritt geht es darum,  Vertrauen in die neue Technologie aufzubauen und Erfahrungen im Umgang und der Eingliederung in Logistikprozesse zu sammeln. Wir lassen die Fahrer auch nicht allein, sie werden von uns geschult und unterstützt. Wir haben die Chance, ihre Tätigkeiten auf ein verändertes Niveau zu heben und ihnen künftig vielleicht noch weitere Aufgaben anvertrauen zu können.

Überfordern Sie die Fahrer nicht, wenn sie künftig nebenher noch disponieren sollen?

Kaiser: Die Aufgaben ändern sich nicht von heute auf morgen, es wird ein Prozess sein, der alle Abläufe neu ordnet. Wenn es uns gelingt, unsere Abläufe modular zu gestalten, ist es möglich, sie ortsungebunden zu erledigen. Dann spielt es keine Rolle mehr, ob man sie im Büro oder vom Lkw aus erledigt. Ich denke an einfache administrative Aufgaben, die mit Tablet oder Smartphone zu erledigen sind.
Klein: Ich kann mir vorstellen, dass Fahrer diese Vorstellung anspricht und das Berufsbild dadurch aufgewertet wird. Wer nicht mehr primär mit Fahren beschäftigt ist, kann zum Beispiel auf einem Head-up-Display Informationen abrufen, die für seine Tour oder auch damit zusammenhängende Aufgabenstellungen relevant sind. Der Arbeitsplatz wird dadurch noch digitaler und attraktiver.

Herr Kaiser, Sie können sich vorstellen, die komplette Flotte automatisiert laufen zu lassen. Bis wann soll die Umstellung erfolgen?

Kaiser: Es geht weniger um einen konkreten Zeitplan, als vielmehr um eine Vision. Im Fernverkehr wird der erste Platoon nun im Regelbetrieb eingesetzt, das heißt wir erproben den Einsatz im realen Straßenverkehr. Warum soll der Nahverkehrs-Lkw nicht auch teil-autonom betrieben werden, wenn dies auch beim Pkw gelingt. Man muss aber realistisch bleiben: Auch bei den Pkw wird es auf kurze Sicht keine vollständig autonomen Fahrzeuge geben.
Klein: Im Nahverkehr sind einzelne Anwendungen relativ schnell denkbar. Die Kommunen werden Druck machen und entsprechende Technologien, wo es Sinn macht, in den städtischen Fuhrparks zum Einsatz bringen. Damit wäre ein Anfang gemacht. Andere Anwender werden nachziehen. Reden wir über das rein autonome Fahren, gibt es heute ja schon Einsatzmöglichkeiten – jedoch nicht im öffentlichen Raum, sondern beispielsweise in Hubs oder Minen.

Herr Kaiser, schlagen beim Platooning eigentlich zwei Herzen in Ihrer Brust? Ihre Konzernmutter, die Deutsche Bahn, möchte planbare Fernverkehre ja lieber auf der Schiene sehen.

Kaiser: Nein, ich bin hier nicht gespalten. DB Schenker als Marktführer im europäischen Landtransport kann sich neuer Technologie nicht verschließen. Vernetztes und automatisiertes Fahren wird den Transport auf der Straße revolutionieren. Da wollen und werden wir vorne mit dabei sein. Aber selbst in Windschattengruppen fahrende Fahrzeuge werden nicht annähernd das Transportvolumen und Gewicht erreichen können, das ein Güterzug hat. Es gibt also keine Rückverlagerung und somit auch keinen Konflikt.

Platooning in Kürze

  • Der Vertrag: MAN und DB Schenker wollen beim Platooning gemeinsam Erfahrungen sammeln. Im Herbst hatten der Fahrzeugbauer und der Logistikdienstleister eine Absichtserklärung unterzeichnet. Nun folgte der Abschluss eines Kooperationsvertrags für einen mehrmonatigen Regelbetrieb. Starten soll das Projekt im Frühjahr 2018.
  • Die Strecke: Der Platoon wird auf der A9 verkehren, wo Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ein digitales Testfeld Autobahn eingerichtet hat. Durch die Fahrt auf dieser Strecke kann der Platoon zwei Hubs von DB Schenker in München und Nürnberg verbinden. In einem zweiten Schritt ist der Einsatz autonom fahrender Lkw auf dem DB Schenker-Gelände in Nürnberg vorgesehen.
  • Die Fragen: Die Projektpartner untersuchen, unter welchen Voraussetzungen Platoons sinnvoll sind und wie sie im laufenden Verkehr zusammengeführt oder aufgelöst werden können. Weiterhin für DB Schenker und MAN interessant ist, inwiefern Lkw-Einsatzpläne, Betriebsabläufe und Logistikzentren angepasst werden müssen. Eine Begleitstudie beschäftigt sich mit den Auswirkungen auf die Fahrer – welche Erfahrungen sie sammeln und wie sie mit dem Kolonnenfahren klar kommen.
  • Die Technik: Das Prinzip des Windschattenfahrerns ist aus dem Radsport bekannt. Das wendet die Logistikwirtschaft auch beim Platooning an. Mindestens zwei Fahrzeuge fahren, durch eine elektronische Deichsel verbunden, in verringertem Abstand hintereinander her. Der vordere Lkw gibt Geschwindigkeit und Richtung vor, der Abstand kann in Abhängigkeit von Fahrzeugaerodynamik und fahrzeugtechnischen Voraussetzungen auf bis zu zehn Meter reduziert werden. Durch Platooning sind nach Herstellerangaben Kraftstoffeinsparungen von bis zu zehn Prozent möglich.

Die Personen

  • Ewald Kaiser ist seit Jahresbeginn als Chief Operating Officer für das neue Ressort Fracht bei DB Schenker verantwortlich – global und übergreifend für Land, Luft- und Seefracht, seit 2014 Landverkehrvorstand bei Schenker, zuvor ab 2008 Vorstandschef bei Militzer & Münch, 1962 in Stuttgart geboren, nach Logistikstudium Beginn bei Kühne + Nagel.
  • Gerhard Klein ist seit 2013 Leiter des Bereichs Engineering Central bei MAN, dort sind zentrale Funktionen wie Struktur- und Fertigungstechnologieplanung gebündelt, von 1987 bis 2008 unterschiedliche Führungsfunktionen bei VW, 55 Jahre alt, wohnhaft in  Augsburg.
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