Euro 6 Die Zukunft gehört dem Verbrauch

SCR-only-Technologie von Iveco, Motorenbaureihe Foto: Iveco 6 Bilder

Iveco setzt als bislang einziger Lkw-Hersteller auf eine Abgasreinigung ohne Abgasrückführung. Eine hohe Umsetzungsrate im SCR-Katalysator reicht aus, um die Grenzwerte einzuhalten. Motorenchef Meinrad Signer erklärt die Technologie.

Mit der SCR-only-Technologie beschreiten die im Schweizer Arbon ansässigen Motorenentwickler von Fiat Powertrain (FPT Arbon), im Fiat-Industrial-Konzern zuständig für die Motorenentwicklung unter anderem für Iveco, einen bislang in der Lkw-Industrie einzigartigen Weg. Sie verzichten vollständig auf Abgasrückführung (AGR). Dabei hatte es vor fünf Jahren ganz anders begonnen. Zu Beginn der Entwicklung von Euro-6-Motoren sei auch für Iveco die Kombination beider Abgasreinigungsverfahren gesetzt gewesen, erklärt FPT-Arbon-Chef Meinrad Signer. AGR wird eingesetzt wird, um die Verbrennung im Zylinder bei niedrigeren Temperaturen ablaufen zu lassen, was schon am Motorausgang weniger Stickoxide (NOx) zur Folge hat. Die Umsetzung von gesundheitsschädlichem NOx in die harmlosen Substanzen Wasser und Stickstoff im SCR-Kat kann anschließend bei geringeren Raten ablaufen. Umgekehrt die SCR-Strategie: Die Verbrennung wird auf tiefe Partikelemissionen und einen bestmöglichen Verbrauch eingestellt. Das Ergebnis ist ein vergleichsweise hoher Stickoxidausstoß, der anschließend wiederum mit hohen Wirkungsgraden im SCR-Kat bekämpft wird.

AGR-Rate beeinflusst stark den Dieselverbrauch

"Jedoch beeinflusst die AGR-Rate stark den Dieselverbrauch", erklärt Signer. "Vor drei Jahren haben wir unseren Ingenieuren jedoch die Freiheit eingeräumt, eine reine SCR-Strategie zu entwickeln", erklärt der Motorenentwickler. Es habe sich dabei herausgestellt, dass entsprechend hohe NOx-Umsetzungsraten im SCR-Kat möglich sind und der Schlüssel für den Erfolg die Regelungstechnik ist. "Wieso also sollen wir Geld und Mühen in eine Technologie investieren, die bei mehr Aufwand schlechtere Ergebnisse zeigt?", fragt Signer.

Mit AGR steigt laut Signer die Rußbeladung des Partikelfilters (DPF), was kürzere Wartungsintervalle zur Folge hat und unter Umständen obendrein einen Filter mit aktiver Regeneration erfordert. Die SCR-only-Technologie indes benötigt nur einen passiv regenerierenden Filter. "Wir gehen von Wartungsintervallen von 400.000 bis 500.000 Kilometern für den Filter aus", erklärt er. Mindestens zwei, eventuell sogar drei Mal könne der Filter in der Werkstatt gereinigt werden, bis ein Tausch des Teils fällig ist. Damit erlebt der erste DPF mitunter mehr als eine Million Kilometer Laufleistung. Auch würde mit einer hohen AGR-Rate und einer späten Nacheinspritzung zur Filterregeneration der Rußeintrag ins Schmieröl steigen, was wiederum die Wartungsintervalle verringere. "Wir sind stolz, dass wir auch bei Euro-6-Motoren ein Ölwechsel-Intervall von 150.000 Kilometer gewährleisten können", erklärt Signer.

Bei Common-Rail-Anlagen entsteht eine geringere Reibleistung

Zudem benötigen die kommenden Cursor-Motoren im Common-Rail-System keine höheren Einspritzdrücke als 1.800 bar. "Das reicht uns völlig, obwohl wir bis zu 2.500 bar darstellen können", berichtet der FPT-Arbon-Chef. Die Common-Rail-Anlagen für niedrige Drücke seien wesentlich preiswerter und es entstehe weniger Reibleistung, was einmal mehr dem Verbrauch zugutekomme. Der sei im Vergleich zum gleichstarken Euro-5-Fahrzeug mindestens genauso gut, eher besser. Allein der Adblue-Verbrauch steigt an – um die Menge an NOx, die im Vergleich zu den Euro-5-Grezwerten zusätzlich katalytisch umgewandelt werden muss. Indes kostet das Reduktionsmittel nur ein Drittel vom Dieselpreis.

Bislang liegt der Adblue-Verbrauch im Falle von Iveco im Durchschnitt bei rund fünf Prozent vom Dieselkonsum. Mit Euro 6 kommen wohl weitere drei Prozent hinzu, macht insgesamt ein Reduktionsmittelverbrauch in Höhe von acht Prozent. Feldtests hätten teilweise sogar ein besseres Ergebnis ergeben. Dass deswegen ein größerer Adblue-Vorrat nötig ist und damit ein weiterer Nutzlastverlust einhergeht, erwartet man bei Iveco nicht. Adblue-Tanks gibt’s wahlweise von 60 bis 140 Litern. Nicht zwangsläufig benötige man einen maximal großen Tank, da Adblue in Europa nahezu überall beschafft werden kann", sagt Signer. Auch der Schalldämpfer, in dem die Chemiefabrik mit drei SCR-Kats untergebracht ist, baue kaum größer als bisher. Oxi- und die drei SCR-Kats, Partikelfilter, Adblue-Dosiereinheit und Mischer – alles passt nach wie vor an den Rahmen. Die Kunst ist das Packaging. Eigentlich würde ein SCR-Kat mit nahezu 100 Prozent Umsetzungsrate ausreichen, aber wegen des beschränkten Bauraums im Schalldämpfer habe man sich entschieden, einen großen Kat in drei kleine aufzuteilen und mit einer gleichmäßigen Verteilung des Abgasstroms kann laut Signer der hohe Wirkungsgrad gewährleistet werden. Je nach Motorgröße wiege die gesamte Box bis zu 80 Kilo.

Motoren werden leichter

Die Motoren werden indes leichter. Zwar verfügen die neuen Aggregate über mehr Hub als vorher, in vielen Fällen wird den Kunden aber ein kleineres Aggregat reichen, da die Leistung der einzelnen Varianten steigt – also statt des bisherigen Cursor 10 in Euro 5 wird nun der neue Cursor 9 in vielen Bereichen die gleiche Leistung vorweisen. Zwischen Cursor 9 und 10 liegen laut Signer 200 Kilo. Zwischen Cursor 11 und Cursor 13 beträgt die Differenz immer noch 100 Kilo.

Es bleibt auch bei der einstufigen Aufladung. Bei einer hohen AGR-Rate sei es indes nötig, eine zweistufige Aufladung zu verwenden. Weil hier viel Abgas zurückgeführt wird, drohe ohne die zusätzliche Beatmung des Motors ein Leistungsverlust. Auch vom Reduktionsmittel Adblue ist Signer nach wie vor überzeugt, selbst wenn hier zwei Drittel des Vorrats Wasser und damit Ballast sind. "Wir haben die Qualität unter Kontrolle, wir beherrschen die Technik und die Infrastruktur steht." Zudem könnten alternative Systeme, die etwa mit Ethanol arbeiten oder mit Ammoniak als Feststoff und womöglich weniger Gewicht mitbringen, nichts besser.

Kühlbedarf wächst bei SCR-only-Lösung nicht

Gelegen kommt Iveco auch, dass der Kühlbedarf bei der SCR-only-Lösung nicht wachsen wird. Wohingegen eine hohe AGR-Rate einen größeren Kühlbedarf bedeutet. Dann müsse – ganz abgesehen von der unerwünschten Verlustleistung – ein größerer Kühler unter die Kabine gepackt werden. Im Falle der bestehenden Stralis-Kabine wäre das nicht möglich gewesen. Gleichzeitig mit den Euro-6-Motoren hätte es dann auch ein neues Fahrerhaus geben müssen. So war es ursprünglich geplant. Nun ist der Nachfolger des Stralis erst einmal verschoben. Zur IAA soll es aber eine gründliche Modellpflege geben. Laut Iveco wird man der Blechhaut eine moderate Korrektur verpassen, vor allem um eine bessere Aerodynamik zu erhalten. Im Inneren will man dem Stralis einen Armaturenträger aus einem Guss einpflanzen. Das ganz große Rad will Iveco dann beim Nachfolger drehen. Liefern will Iveco Euro-6-Lkw, sobald sich im Markt eine deutliche Nachfrage regt. Gleiches gelte für die Applikation als Busmotor. Die Kunden verlangen aber laut Iveco noch nicht danach.

Euro 6 hat man also bei Iveco fest im Griff. Die Arbeit geht den Motorenleuten von FTP aber nicht aus. "25 Jahre haben wir uns auf Emissionsreduzierung konzentriert. Bei den Emissionsstufen sind wir nun am Ende. Die Zukunft gehört dem Verbrauch", sagt Signer. Nicht nur, weil die EU an einer CO2-Gesetzgebung arbeitet. Der Motorenentwickler rechnet erst 2020 mit einem CO2-Grenzwert für schwere Nutzfahrzeuge. Vorher werde schon der Markt für Innovationsdruck sorgen. Für die Motorenexperten bedeutet das, Aufladung, Verbrennung und Einspritzdrücke einmal mehr zu überarbeiten. Genaueres will Signer aber nicht verraten. Man darf gespannt sein, ob Iveco auch dann wieder einen einzigartigen Weg beschreitet.

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