Ein Kämpferherz Selbst Schüsse können ihn nicht aufhalten

Kämpferherz Foto: Jörg Ballsieper 4 Bilder

Kaum ein Mensch ist dem Tod so oft von der Schippe gesprungen wie Fahrer Jörg Ballsieper. Das jüngste Unglück: Auf den 46-Jährigen wurde während der Fahrt geschossen. Er blieb unverletzt, der Täter ist aber noch nicht gefasst.

Den 14. Dezember 2015 wird Jörg Ballsieper nie vergessen. Gegen 19.45 Uhr fuhr er auf der Westautobahn A 1 nahe Laakirchen in Österreich unter einer Fußgängerbrücke durch, als er zweimal einen lauten Knall hörte. Zwei Kugeln, abgefeuert aus einer Kleinkaliber-Pistole, ließen das Sicherheitsglas auf der Fahrerseite bersten. "Bei einem kleineren Schusswinkel wäre ich getroffen worden", sagt Ballsieper. So kam er mit dem Schrecken davon. Bis heute ist der Täter nicht gefasst. Der 46-Jährige kämpft mit den Folgen und ist in psychiatrischer Behandlung.

Leider gibt es in Ballsiepers schon einige dieser Tage, die er nie vergessen wird.
März 2009: Der gebürtige Remscheider rettet eine junge Frau aus ihrem zerbeulten Pkw, der sich zuvor überschlagen hat.
Sommer 2010: Ein 40-Tonner fährt mit hoher Geschwindigkeit auf Ballsiepers Lkw auf. Obwohl selbst verletzt, zieht er den schwerer verletzten Kollegen aus dessen Fahrzeug. Als Anerkennung für seinen Einsatz ernennen ihn Goodyear und der Automobilclub von Deutschland (AvD) zum "Highway Hero" des Monats August 2010.
28. Dezember 2011: Mit Ehefrau und Kind steht Ballsieper im Stau, ein anderes Auto kracht ungebremst ins Heck seines privaten Pkw. Seine Familie bleibt unverletzt, doch dieses Mal hat er selbst kein Glück. Der Held der Straße erleidet eine folgenschwere Kopfverletzung: Seine linke Gesichtshälfte wird für immer taub bleiben, die Geschmacksnerven sind beeinträchtigt, er ist zu 60 Prozent schwer- und gehbehindert. Das Unglück verhilft ihm zu trauriger Berühmtheit. Die Macher der ZDF-Reportage-Reihe "37 Grad" begleiten ihn bei dem Wiedereinstieg in seinen Beruf als Lkw-Fahrer, den er bis dato 21 Jahre lang ausgeübt hat.

Flucht nach Österreich

Ballsieper kämpft sich mühsam zurück ins Leben, da passiert 2012 wieder ein Unglück, wieder in der Weihnachtszeit. Ein herabgefallenes Holzstück bohrt sich in die Windschutzscheibe seines Pkw – er ist gerade auf der Fahrt zu seiner neuen Arbeitsstelle. Er bleibt unverletzt, doch der Schreck steckt ihm am nächsten Tag noch in den Knochen. Beim Beladen seines Lkw fällt er von der Rampe und reißt sich die Außenbänder. Ballsieper ist noch in der Probezeit und den neuen Job gleich wieder los.

Im Sommer 2014 zieht er schließlich einen Schlussstrich unter sein Leben in Deutschland. Er findet keinen neuen Job als Fahrer in der Heimat, ist von der deutschen Bürokratie genervt. "Ich wollte mit meiner Familie in Österreich neu anfangen", sagt Ballsieper. Das Vorhaben glückt: Seit einem knappen Jahr fährt er für die Spedition Nothegger und fühlt sich in der Gemeinde Natternbach heimisch. Auch Frau und Kind haben sich eingelebt. Alles läuft gut – bis an besagtem 14. Dezember die Schüsse fallen. "Das ist die Krönung von allem", erklärt der Fahrer zynisch. Zwei Wochen war er nach der Tat krankgeschrieben, seitdem sitzt er wieder auf dem Bock. Die Angst ist nun sein ständiger Begleiter. "Ich bin mir aber sicher, der Tod will mich nicht. Er hatte ja ausreichend Gelegenheiten, mich zu holen."

Verkürzte Haftstrafe

Mehr als 700 mal hat der sogenannte Autobahnschütze Michael K. in der Zeit von November 2009 bis zu seiner Verhaftung im Juni 2013 auf vorbeifahrende Lkw, meist Autotransporter, geschossen. Im Oktober 2014 wurde er schließlich zu einer Freiheitsstrafe von zehneinhalb Jahren verurteilt. Diese Haftzeit hat das Gericht nun um drei Monate verkürzt, weil Michael K. mit finanziellen, gesundheitlichen und familiären Problemen zu kämpfen hat.
Der 60-Jährige bestritt während der Verhandlung damals vehement, bewusst auf Personen gezielt zu haben. Durch Querschläger wurden allerdings auch Menschen verletzt. Ein solcher Querschläger durchschlug die Windschutzscheibe des Pkw einer 40-Jährigen. Glassplitter verletzten sie schwer am Hals.

Die Staatsanwaltschaft argumentierte im Prozess, der langjährige Berufskraftfahrer der Spedition Hermanns und Kreutz aus Monschau habe die Gefahr für Leib und Leben anderer billigend in Kauf genommen. Als Motiv für die Schüsse führte Michael K. Hass auf andere Lkw-Fahrer, insbesondere die von Autotransportern, auf.

Laut des Angeklagten hätten osteuropäische Fahrer eines Autotransporters auf einem Parkplatz Diesel aus seinem Tank geklaut. Ausländische Fahrer würden zudem Überholverbote ignorieren und deutschen Fahrern die Parkplätze wegnehmen. Warum gerade Autotransporter? Diese seien in der Dunkelheit ein leichtes Ziel gewesen, erklärte Michael K. damals. Der Fall bewegt nun wieder die Gemüter vieler Fahrer, wie unsere Umfrage auf Facebook zeigt.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FERNFAHRER Titel 3/2016
FERNFAHRER 03 / 2016
8. Februar 2016
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