Die letzte Meile Logistiker kämpfen um Sekunden

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Die "letzte Meile" bezeichnet den Abschnitt der Transportkette, in dem eine Sendung dem Endkunden zugestellt wird. Hier wird die Qualität einer Logistikleistung für Kunden in besonderer Weise spürbar, hier kämpfen Logistikdienstleister um Sekunden in der Organisation ihrer Prozesse. Hinzu kommen hohe Kosten, weil die Stopp-Dichten – also die Anzahl an Zustellvorgängen pro Halt – vor allem in der Paketzustellung an private Empfänger meist gering sind. In besonderer Weise spiegelt die letzte Meile Trends, Herausforderungen und Chancen der Logistik insgesamt wider.

Noch mehr als heute wird die Logistik auf der letzten Meile in den nächsten Dekaden durch den technologischen Wandel und gesellschaftliche Veränderungen beeinflusst werden. Der Trend zur Urbanisierung schreitet ebenso voran wie der demografische Wandel. Nie zuvor war der Anteil älterer Menschen in den Industrieländern so hoch wie jetzt und noch nie lebten so viele Menschen auf der Welt in Städten. Haushaltsgrößen werden dabei im Mittel kleiner und der Wunsch nach individuellem Service und Convenience prägt neue Angebote. Für die Logistik geht dies mit schneller Belieferung einher. Wenn sie flexibel und individuell sein soll, wird sie bei unveränderter organisatorischer und technologischer Gestaltung aufwendiger.

In "generativen Herstellungsverfahren" steckt großes Potenzial

Hinzu kommen neue Chancen für die Herstellung und den Vertrieb bestimmter Produkte durch additive Fertigung. Zwar eignet sich nicht jedes Produkt zur Herstellung auf dem heimischen 3D-Drucker und nicht jeder Haushalt möchte diesen Weg gehen, aber von der privaten bis zur gewerblichen Nutzung steckt ein großes Potenzial in den sogenannten "generativen Herstellungsverfahren".

Sie benötigen lediglich Pulver oder Flüssigkeit als Rohstoff sowie Daten über die Produktgeometrie. Bei kleinen Stückzahlen und komplizierter Geometrie sind sie herkömmlichen Fertigungsverfahren schnell überlegen und eröffnen einer dezentralen Vor-Ort-Fertigung neue Perspektiven. Wenn der Informationsaustausch mit dem Kunden, die Logistikleistung und die Herstellung zusammengeführt werden, spricht man von hybriden Dienstleistungen. Diese erfordern Nähe zum Kunden, aber ermöglichen auch schnelle Reaktionszeiten und neue Formen der logistischen Wertschöpfung.

Automatisiertes Fahren von Nutzfahrzeugen

Da die Verkehrsdichte in Ballungsräumen zu- und die mittlere Geschwindigkeit abnimmt, werden derzeitige Strukturen ohnehin infrage gestellt. Ein wichtiger Trend wird sein, dass Standorte in Kundennähe wieder an Bedeutung gewinnen. Ein weiterer Trend ist die Automatisierung, nicht nur in Produktion und Lager, sondern auch beim Fahren. Schon heute zeigt die Vielzahl von Fahrerassistenzsystemen, inwieweit Menschen von Lenk-, Fahr- und Bremsaufgaben bei der Fahrzeugführung entlastet werden können. Die technologische Entwicklung über das teilautomatisierte zum vollautomatisierten Fahren wird aufgrund des größeren Marktes vor allem im Personenverkehr vorangetrieben, jedoch profitiert auch die Nutzfahrzeugbranche davon und entwickelt aktuell geeignete Anwendungsszenarien. Nach derzeit geltendem Recht hat jeder Fahrzeugführer in kürzester Zeit die Kontrolle über das Lenkrad wieder zu erlangen und muss sie auch verantwortlich ausüben können. Aber über eine ganze Reihe von Pilotprojekten des automatisierten Fahrens wird der Weg von der Halb- zur Vollautomatisierung im Straßenverkehr vorbereitet.

Im spurgebundenen, öffentlichen Personennahverkehr gibt es schon seit Jahren vollautomatisierte Systeme, die operativ gut funktionieren und die weitere Verbreitung erfahren werden. Dennoch sind auch noch viele Herausforderungen bei der Interpretation von Umgebungsdaten und beim sicheren Management des Verkehrsgeschehens zu lösen – etwa, wenn nicht von Menschen geführte, autonome Fahrzeuge auf Fußgänger und Radfahrer treffen. Darüber hinaus sind verschiedene Fahrstile und Fahrbahnmarkierungen zu berücksichtigen. Nicht nur das Vermeiden von Unfällen, auch ein Umgang mit Störungen, der Blockaden auflöst und das Weiterfahren ermöglicht, sind kommende Aufgaben.

Roboterfahrzeuge für die Paketzustellung

Die Sensorik, Kommunikation und Vernetzung innerhalb von Fahrzeugen nimmt stetig zu, aber auch die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit der Infrastruktur generiert große Datenmengen und -ströme. Durch deren Analyse und Interpretation können Prognosen wie zum Beispiel über Lieferzeitpunkte abgegeben oder Maßnahmen wie etwa alternative Routen ausgelöst werden. Die Vernetzung von Fahrzeugen setzt jedoch nicht nur bei den Fahrzeugen bestimmte Technologien voraus, sondern benötigt auch die entsprechenden Infrastrukturen und Sicherheitsstandards, sowohl bei den Fahrzeugtechnologien selbst, als auch beim Umgang mit den Daten. Im Transportbereich lassen sich durch automatisch an die Rampe rangierende Lkw neue effiziente Formen der Hoflogistik organisieren.

Bei der Zustellung darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Fahrer neben der reinen Fahrzeugführung oft eine ganze Reihe von Aufgaben der Kommunikation und Administration übernehmen. Neue Technologien müssen die Perspektive der Kunden einnehmen und die Prozesse ganzheitlich organisieren, um erfolgreich zu sein. Dabei wird es nicht nur um die Vollautomatisierung heutiger Fahrzeuge, sondern gleichfalls um ganz neue Fahrzeugkonzepte gehen. Die wohl kleinsten Ausführungen künftiger, autonom fahrender Zustellfahrzeuge sind Paketzustell-Roboter, die mit wenig mehr als Schrittgeschwindigkeit auch auf Gehwegen fahren können. Diese Technik bringt eine ziemlich revolutionäre Neuerung der letzten Meile in der Paketzustellung mit sich. Relativ kleine Teams werden für Beladung, Wartung und Verkehrsmanagement zuständig sein und die eigentliche Zustellung passiert dann automatisch. Auf diese Weise werden Zustellfahrten idealerweise nicht vom Versender oder Dienstleister, sondern durch Abruf der Kunden ausgelöst.

Anforderungen und Ausprägungen neuer Zustellkonzepte

Der große Vorteil liegt bei dieser Umkehrung des Zustellprinzips darin, dass Sendungen auch tatsächlich erwartet werden, wenn sich der Zustellroboter mit dem Paket über Gehwege dem Empfänger nähert. Derzeit laufende Pilotprojekte von Starship Technologies in Düsseldorf und Hamburg lassen erwarten, dass dieses Prinzip grundsätzlich für die große Mehrzahl kleinerer Pakete funktionieren kann. Auch etablierte Kurier-, Express- und Paket-Dienstleister, weitere Hersteller und sogar ein Pizza-Lieferdienst arbeiten an automatischen Konzepten für frische Produkte, für heiße Pizza und für größere Sendungen. Auch wenn die neuen Transportroboter heute noch erklärungsbedürftig sind und ihre Logistik betreuungsintensiv ist, so spricht doch vieles dafür, dass sie schon bald zu unserem Stadtbild gehören werden. Der Postmann und die Postfrau werden dann sicher immer noch ihre Runden drehen, aber vermutlich unterstützt von automatischen Helfern, die Nachschub bringen oder Retouren mitnehmen. Bei so manchem neuen Angebot wird sich dann der Roboter beim Empfänger bemerkbar machen und nicht mehr "der Postmann klingeln".

Bei den Logistikkonzepten ist zu beachten, dass jedes Fahrzeug nicht nur eine Station oder ein Depot für die Be- und Entladung von Sendungen braucht, sondern auch für das Laden von Akkus für den Antrieb. Ein auf aktuellen Kundenabruf abgestellter Logistikprozess verringert das Risiko der Nichtzustellbarkeit, aber erhöht auch die Anforderungen an die Verfügbarkeit von Fahrzeugen und an die Nähe zum Kunden. Hier wird sowohl für die Vorhaltung einer Roboterflotte als auch für die Bevorratung der auszuliefernden Sendungen Platz und ein geeignetes Wegenetz zu den Empfängern benötigt. Die "Verkürzung der letzten Meile" erfordert diese Logistikflächen und auch Logistikkonzepte, die besonders sparsam mit Lager- und Versandfläche umgehen.

In ländlichen Gebieten entsteht erheblicher Kostendruck

Elektromobilität bei neuen Transportrobotern wie auch bei größeren Fahrzeugen kann dafür sorgen, dass saubere und leise Transporte stattfinden. Neue hybride und reinelektrische Fahrzeuge werden die urbane Mobilität und Logistik verändern. Der Radverkehr erlebt in bestimmten Bereichen eine Renaissance. Er bereichert nicht bloß die Palette der Mobilitätsangebote, sondern durch Lastenräder überdies die Logistik auf der letzten Meile, wenn auch in absehbarer Zukunft weiterhin als Nische mit jeweils regionaler Bedeutung. Verstärkte Anstrengungen bei den Herstellern und die Vorgaben von öffentlicher Seite zur Luftreinhaltung werden zu steigenden Marktanteilen bei alternativen Antrieben führen. Gleichzeitig werden aber für längere Zeit auch noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – insbesondere außerhalb von Metropolen – eine wichtige Rolle in der Transportlogistik spielen.

In ländlichen Gebieten mit deutlich geringerer Dichte an Sendungen je Fläche ist der Kostendruck in der Logistik erheblich. Zeitkritische Sendungen oder Services sind dort teurer und können oft nicht in gleicher Weise wie auf der letzten Meile in Städten angeboten werden. Neben dem Umweltschutz sind es die anhaltende Herausforderung der Verkehrssicherheit und die Chancen der Digitalisierung, die für die kommenden Jahre wichtig sind: Trotz beachtlicher Fortschritte in der Fahrzeugsicherheit und Intensivmedizin sind Tausende Verkehrstote und noch sehr viel mehr Schwerverletzte jedes Jahr auf deutschen Straßen zu beklagen. Tiefer gezogene flächige Schutzvorrichtungen, Abbiegeassistenten und ein besonderes Augenmerk in der Verkehrsplanung können beispielsweise die Häufigkeit und die Schwere von Lkw-Fahrrad-Unfällen mindern helfen.

Bei Technologieunternehmen existiert viel Bedarf an Logistikkompetenz

Im Mobilitätsbereich sind viele innovative, auf Digitalisierung basierende Geschäftsmodelle entstanden und weitere absehbar. Das Smartphone ist nicht bloß mobile Informationsquelle, um den jeweils besten Weg zu finden, sondern wird ebenso für Buchung und Reservierung genutzt. Neue Anbieter entwickeln Systeme, um miteinander vereinbare Reisewünsche zu sammeln und Fahrten in großen Pkw oder kleinen Bussen fast individuell und mit wenigen Stopps zu attraktiven Preisen anzubieten. In Zukunft werden es auch multimodale Wegeketten und darüber hinausgehende Services von Gastronomie, Veranstaltern und Handel sein, die zu kundenspezifischen Angebotspaketen geschnürt werden.

In der Transportlogistik wird die Digitalisierung neue Chancen eröffnen, freie Kapazitäten zu finden und zu nutzen. Da allerdings so manche Logistikleistung erklärungsbedürftiger ist als eine Taxifahrt von A nach B, besteht bei Start-ups und Technologieunternehmen ein hoher Bedarf an Logistikkompetenz, bei Speditionen Schulungs- und Entwicklungsbedarf in Sachen Digitalisierung. Bis dahin wird der Postmann wohl doch noch so einige Male die Klingel betätigen.

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