Die deutschen Army-Trucker Aus der Pfalz in die Welt

In Kaiserslautern ist eine ganz besondere Transporteinheit der US-Streitkräfte beheimatet: das 6966th Transportation Truck Terminal.

Jeden Tag am Steuer eines Freightliner zu sitzen und dem satten Sound des Detroit-Diesel-Motors zu lauschen – diese Möglichkeit bietet sich hierzulande nur ganz wenigen Fahrern. Meist in Form eines Imports aus den USA. Oder wenn sie beim 6966th Transportation Truck Terminal – kurz: 6966th TTT – arbeiten. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich eine ebenso einzigartige wie traditionsreiche Transport­einheit der US-Streitkräfte mit Sitz in Kaiserslautern. Sie untersteht dem Theater Logistics Support Center Europe (TLSCE), einem Großverband, der für Material- und Munitionstransporte, Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten zuständig ist. Das Truck Terminal übernimmt reine Frachtführer-Aufgaben. Es umfasst 347 Männer und Frauen und entspricht damit praktisch einem Logistik-Bataillon.

Johannes Roller Foto: Johannes Roller

Trucker sind deutsche Zivilangestellte

Auf den Autobahnen gehören die olivgrünen oder sandfarbenen US-Trucks seit Jahrzehnten zum täglichen Erscheinungsbild. Was aber nur wenige wissen: Alle 6966er, darunter auch die derzeit 214 Kraftfahrer, sind deutsche Zivilangestellte. Ein Konzept, das seit der Indienststellung im Jahr 1953 besteht. Die Angestellten tragen zwar einen Arbeitsanzug, bestehend aus olivgrüner Hose, olivgrüner Bluse und Stiefeln. Er unterscheidet sich aber bewusst von den Uniformen der ­US-Streitkräfte. "Unsere Struktur ist auf die ­Erfüllung nicht militärischer Aufgaben in Friedenszeiten ausgelegt", erläutert Dienststellenleiter Winfried Wilhelm. Auf Kriegsschauplätzen sind seine Fahrer also nicht unterwegs. Das Einsatzgebiet ist dennoch beeindruckend – von Skandinavien bis nach Marokko, von Großbritannien bis Aserbaidschan. Ebenso vielfältig ist die beförderte Fracht: von der Post für die US-Einrichtungen in Deutschland bis hin zu Großgerät für Manöver und Einsätze in aller Herren Länder.

Für Abenteurer ist es aber der falsche Arbeitsplatz, wie Wilhelm betont. "Wir brauchen Leute, die eine langjährige Erfahrung besitzen, verantwortungsbewusst sind und Wert auf Sicherheit legen." Dies ist auch einer der Gründe für das Durchschnittsalter von 52 Jahren. Ein anderer ist die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers. "In all den Jahren musste ich noch nie auf Lohn warten oder Fortbildungen hinterherlaufen", berichtet Fahrer Stefan Niebergall. "Ich war von 1983 bis 1991 hier, bin dann in der freien Wirtschaft Kipper gefahren, musste aufs Geld warten und die Lenkzeiten überziehen. Seit 18 Jahren bin ich zum Glück wieder hier."

Einstiegsgehalt liegt bei 2.790 Euro

Auch das Einstiegsgehalt von 2.790 Euro sei, so Wilhelm, nicht zu verachten. Er selbst ist seit 30 Jahren dabei und steht seit 1992 an der Spitze der Einheit. Damals war der Kalte Krieg gerade zu Ende. Seither haben sich die globalpolitischen Verhältnisse gründlich verändert. West­europa liegt nicht mehr im Zentrum der US-Militärpräsenz. Zudem stehen die ­NATO-Streitkräfte mehr denn je unter Sparzwang. Daher sind neue Arbeitsverträge inzwischen vorläufig befristet.

Attraktiv bleibt der Job trotzdem. Gearbeitet wird in Schichten – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Der tägliche "Grundbetrieb" läuft von 7.00 bis 15.30 Uhr. Zur Dienststelle gehören der Trailer Transfer Point in Kaiserslautern, das Truck Terminal Mail in Wackernheim und das Germany Aerial Mail Terminal Frankfurt sowie eine IHK- und US-zertifizierte Fahrschule. Dort wird die Dienstfahrerlaubnis als vorgeschriebene Ergänzung zum C/CE-Führerschein erworben und alle vier Jahre komplett neu absolviert. Hinzu kommen ADR-Bescheinigungen, Flurförderscheine und das sogenannte Flight-Line-Training für den Transport von Luftfracht aufs Rollfeld – alles finanziert vom Arbeitgeber.

Bunter Fuhrpark

So vielfältig wie die Fracht ist auch der Fuhrpark, der auf dem Betriebsgelände in der Kaiserslauterner Kleber-Kaserne steht. "Wir nutzen eine Kombination aus kommerziellem, zivilem und militärischem Fahrgerät", sagt Wilhelm. So reihen sich Mercedes Sprinter und Renault Master an Mercedes Atego, Volvo FM und Mercedes NG, wie sie auch die Bundeswehr seit Jahrzehnten fährt. Letzteren stehen wiederum die Schweren gegenüber: MAN F2000, einige Volvo FH und viele Freightliner mit der militärischen Bezeichnung M915A3 (6x4). Der Zusatz "A3" bezieht sich, wie bei Militärfahrzeugen üblich, auf die Version. Die bulligen Hauber ziehen altgediente, zwillingsbereifte Planenauflieger, während die Volvo FH meist einen Tieflader im Schlepp haben. Anfallende Reparaturen werden selbst oder bei einer Vertragswerkstatt durchgeführt. Bei Pannen rückt ein eigener Bergedienst aus. Und um die Hauptuntersuchung der Fahrzeuge nach deutschem sowie den halbjährlichen Kundendienst nach US-Recht kümmert sich die zertifizierte Werkstatt der 6966er.

Johannes Roller Foto: Gutmann Roller

Sound lässt Fahrerherzen höher schlagen

Neben einem Sound, der alle Fahrerherzen höher schlagen lässt, und unverwüstlicher Technik halten die US-Trucks eine weitere Besonderheit parat: Sie schlucken neben Diesel bei Bedarf auch den NATO-Standardsprit JP8, zu Deutsch: Kerosin. Das bedeutet allerdings weniger Eigenschmierung und einen schnelleren Kolbenverschleiß, wie Werkstattleiter Thomas Schneider erklärt. Er bestätigt den rustikalen Eindruck, den der Hauber erweckt: Euro 0, Pumpe-Düse statt Common-Rail, Jakobsbremse statt Auspuffklappe oder Retarder, 18 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht (bei 46 Tonnen zulässigem Zuggesamtgewicht), kein ASR, kein ESP, dafür aber nachgerüstetes ABS und ein Allison-Vollautomat. In der Fahrerkabine geht es eng und spartanisch zu, Schlafgelegenheit – Fehlanzeige. Die Fahrer werden bei längeren Transporten ohnehin in Kasernen oder Hotels untergebracht. Doch das Beben, das beim Anlassen durch den Hauber geht, gefolgt von diesem unnachahmlichen Klang beim Gasgeben, lässt den fehlenden Komfort sofort in Vergessenheit geraten. "Man sieht’s dem Freightliner an – er ist robust gebaut", resümiert Schneider. Und mit einem verträumten Blick zum M915 fügt er hinzu: "Solche Fahrzeuge bekommt man hier in Europa gar nicht mehr."

60 Jahre 6966

Anfang der 1950er-Jahre beschäftigte die US-Armee zivile Sicherheitskräfte, genannt "Labor Service Guards". Zusätzlich rief sie 1953 das 6966th Labor Service Truck Bataillon ins Leben. Dessen Personal rekrutierte sich aus der genannten Wachtruppe und zog in den Pulaski Barracks in Kaiserslautern ein. Die Fahrzeuge stammten von deutschen und amerikanischen Herstellern. In den 60er-Jahren folgten eine Entlassungswelle infolge einer Truppenreduzierung und die Umbenennung in 6966th Civilian Labor Group (CLG). Hauptaufgabe waren Schwer- und Kühltransporte.

1966, nach einer Million gefahrener Meilen, bekam die Einheit ein goldenes Flügelrad als Ärmelabzeichen verliehen. In den 70ern stieg das Transportaufkommen stark an – allein zwischen 1973 und 1976 kamen 16 Millionen Meilen zusammen. Wieder stand eine Umbenennung ins Haus: Aus der CLG wurde das 6966th Civilian Support Center (CSC).
Die 80er-Jahre waren geprägt vom letzten großen Rüstungswettlauf mit dem Warschauer Pakt und den vielen NATO-Manövern in Westeuropa. 1991 war nicht nur der Kalte Krieg gewonnen, sondern für den 1. FC Kaiserslautern auch die Meisterschaft. So unterstützte das CSC die Siegesfeier mit einem zum Festwagen umgestalteten Sattelzug. Bald darauf galt es, nicht mehr benötigtes Militärmaterial zu den Seehäfen zu bringen, um es zurück in die Vereinigten Staaten zu verschiffen.

Doch der Frieden in Europa währte nur kurz: Als die Bürgerkriege auf dem Balkan ausbrachen, transportierten die 6966er Kampfpanzer der Friedens-truppe nach Kroatien (IFOR) und Bosnien (SFOR). 1997 war es wieder Zeit für eine Neustrukturierung und die Umbenennung in 6966th Truck Transport Terminal (TTT). 2001 erreichten die Trucker schließlich die stattliche Zahl von 300 Millionen gefahrener Meilen. Vier Jahre später kam der Posttransport als weitere Aufgabe hinzu. Mit der Osterweiterung der NATO nahm auch die Zahl der gemeinsamen Übungen wieder zu – so wächst das Meilenkonto von 6966 weiter und weiter.

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