Common Rail Delphi setzt auf drei Systeme

Foto: Delphi, MAN, Volvo 11 Bilder

Mit Euro 6 gewinnt Common Rail als Druckspeicher weiter an Bedeutung. Zulieferer Delphi etwa setzt auf drei Systeme, die sich in der Anordnung der Hochdruckpumpe unterscheiden und es bis auf 3.000 bar Druck bringen sollen.

Es ist zwar nur eine Präsentationsfolie, aber sie verdeutlicht anschaulich, welchen Herausforderungen die Entwickler von Einspritzsystemen heute gegenüberstehen. Moderne Anlagen bestimmen den Einspritzzeitpunkt auf eine halbe Millisekunde genau - das entspricht 0,2 Flügelschlägen einer Biene. Die Dieselmenge der Voreinspritzung kann einen Millikubikmeter betragen - ein Raum, wie ihn die Spitze einer Sicherheitsnadel einnimmt. Die Drücke im System erreichen bis zu 2.500 bar - ein Druck, so hoch wie ihn ein 40-Tonner auf die Fläche einer Briefmarke erzeugen würde. Die einzelnen Dieseltröpfchen schießen mit 2.400 km/h aus dem Injektor - so schnell wie ein Düsenjäger.

Die Toleranzen bei den Spaltmaßen liegen bei alledem bei gerade mal einem Mikrometer (0,001 Millimeter) - 50 Mal weniger, als ein Haar dick ist. Die beeindruckende Präsentation läuft in einem eher unscheinbaren Gebäudekomplex ab. In einem Industriegebiet im Norden von London residieren die Experten von Delphi Diesel Systems (Delphi). Seit 43 Jahren gehört die Anlage im Stadtteil Park Royal dem US-amerikanischen Zulieferkonzern. Einst entstanden hier Flugzeugmotoren, der ursprüngliche Eigner war Napier Aircraft.

Grenzwerte von Euro 6 fordern heraus

Heute arbeiten die Delphi-Mannen an gleicher Stelle an nicht minder komplexen Aufgaben. Sie entwickeln und fertigen Einspritzanlagen für schwere Nutzfahrzeuge - derzeit mit Hochdruck im doppelten Sinne. Die Grenzwerte der Schadstoffnorm Euro 6 stellen immense Anforderungen an die Abgasreinheit. Die Arbeiten daran beginnen schon innermotorisch. Auf die Einspritzung bezogen bedeutet das vereinfacht formuliert: Je höher der Druck, desto besser die Verteilung von Brennstoff und Luft, desto sauberer die Verbrennung. So entstehen schon am Motorausgang weniger Stickoxide (NOx) und Rußpartikel.

Der Bedarf an die nachgelagerte Schadstoffbekämpfung, etwa im SCR-Kat, sinkt und die Effizienz des Motors bleibt erhalten. Ohne innermotorische Maßnahmen wäre sie mit Einführung von Euro 6 zunächst schlechter verglichen mit einem Euro-5-Motor - bei Daimler etwa spricht man von mehr als zehn Prozent Differenz Verbrauchsnachteil.

"Euro 6 ist für uns eine Evolution"

Die Delphi-Mannen geben sich dennoch bescheiden. "Euro 6 ist für uns eine Evolution, keine Revolution", sagt Werkschef George Dryia. Fest steht, mit der kommenden Abgasnorm wird das Common-Rail-System zum Standard. "Die Lkw-Hersteller verlangen nach Flexibilität. Das bekommen sie nur mit diesem System", erklärt Chefentwickler Andrew Knight. Weil hier der Hochdruck ständig zur Verfügung stehe, lassen sich beispielsweise Zeitpunkt, Anzahl der Einspritzungen sowie eingespritzte Kraftstoffmenge frei bestimmen. Denn eine Hochdruckpumpe fördert kontinuierlich Brennstoff in den Druckspeicher - das Rail.

Seit 2006 arbeitet Delphi an Euro 6

Bei nockengetriebenen Systemen sind dagegen Druckerhöhung und Mengendosierung mechanisch gekoppelt. Seit 2005 arbeitet man bei Delphi an Euro 6 und hat seitdem drei Basislösungen entwickelt. "2009 hatten die Kunden eine klare Vorstellung, wie Euro 6 zu erreichen ist", erklärt David Draper, Entwicklungsleiter für Nutzfahrzeug-Dieseltechnik. Inzwischen sind laut Delphi Lieferverträge für die zwei sogenannten F-Systeme, F2E und F2P, im Wert von zwei Milliarden Euro unterzeichnet. Kundennamen darf er aber nicht nennen - noch steht "topsecret" auf den Lieferverträgen. Den Wettbewerb will man schließlich nicht schlauer machen als nötig.

Beide F-Systeme sind Common-Rail-Anlagen und verfügen über verteilt angeordnete Hochdruckpumpen (im Original: Distributed Pump). Die Unterschiede zwischen F2E und F2P liegen im Detail. Das F2E-System ist ein Common-Rail-Upgrade für Motoren mit Pumpe-Düse-Technik. Delphi ersetzt hier die Pumpe-Düse-Elemente durch eine Kombination von pumpenden und nicht pumpenden Common-Rail-Injektoren. Die pumpenden Injektoren setzen unter anderem Kraftstoff für das Rail unter Hochdruck. Ihre Anzahl ist abhängig von den spezifischen Anforderungen eines Motors. In der Regel sind es nur zwei oder drei pumpende Injektoren, was die Kosten des Systems niedrig hält.

Das F2P-System ist eine Lösung für Pumpe-Leitung-Düse-Einspritztechnik

Das F2P-System ist indes eine Common-Rail-Umrüstlösung für Motoren mit Pumpe-Leitung-Düse-Einspritztechnik. Auch in diesem Fall setzen zwei bis drei neue Pumpen den Kraftstoff im Rail unter Druck. Sie ersetzen die in der Regel sechs herkömmlichen Steckpumpen. Die Zahl der Pumpenelemente ist grundsätzlich nicht an die Zahl der Injektoren gebunden. Sie lässt sich je nach den Anforderungen an die Motorleistung wählen.

Beide F-Anlagen können vollständig im Zylinderkopf montiert werden, sie arbeiten mit 2.500 bis 3.000 bar Einspritzdruck. Laut Draper werden zu Beginn Systeme mit 2.500 und 2.700 bar verfügbar sein und mit der Einführung von CO2-Grenzwerten für schwere Nutzfahrzeuge wohl die 3.000 bar ausgeschöpft werden. "Dass Verbrauchsgrenz- werte kommen, ist unvermeidbar", kommentiert der Entwicklungsleiter.

Beide Systeme eignen sich für Zylindergrößen von 1,5 bis 2,6 Liter

Beide Common-Rail-Systeme eignen sich für Zylindergrößen von 1,5 bis 2,6 Liter beziehungsweise Motorgrößen von 9 bis 16 Litern und stellen laut Delphi für die Motorenhersteller im Vergleich zu einer Neuentwicklung eine verhältnismäßig kostengünstige Methode dar, um bestehende Aggregate fit für Euro 6 oder die US-Abgasnorm EPA13 zu machen. Mit Euro 4 und 5 sowie EPA10 kamen im Falle von Delphi diese Systeme, die sogenannten E-Typen, zum Einsatz. Der Kunde hat also die Möglichkeit, bestehende Pumpe-Düse- beziehungsweise Pumpe-Leitung-Düse-Anlagen auf Common-Rail-Systeme aufzurüsten.

Neben diesen beiden Anlagen bietet Delphi ein Common-Rail-System an, bei dem die Hochdruckpumpe nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Rail montiert wird. Hierbei kommt eine ölgeschmierte Pumpe zum Einsatz, die laut Delphi besonders langlebig sein soll. Je nach Motor-Packaging, also dem verfügbaren Raum um das Aggregat herum, kann der Kunde unter den drei Lösungen auswählen.

Freie Gestaltung unterschiedlicher Einspritzverläufe

Der große Vorteil von Common-Rail-Einspritzsystemen ist also die nahezu freie Gestaltung unterschiedlicher Einspritzverläufe. Das soll vor allem einen ruhigen Lauf und hohe Effizienz bei der Verbrennung gewährleisten. Grundsätzlich gilt: Die Voreinspritzung sorgt für ruhigen Lauf, die Haupteinspritzung für die Antriebskraft und die Nacheinspritzung verringert Schadstoffe. Aus zeitlichem Verlauf und Einspritzmenge modellieren die Experten einen möglichst günstigen Verbrennungsverlauf. Ziel ist, dass die Vor- und Nachein-spritzung nicht den Kraftstoffverbrauch verschlechtert. In -Zukunft, etwa bis zum Jahr 2016, kann sich -Entwick-lungs-leiter Draper vorstellen, dass der Einspritzverlauf noch stärker fragmentiert wird, dass es zum Beispiel mehrere Voreinspritzungen, eine aufgeteilte Haupteinspritzung und mehrere Nacheinspritzungen gibt. Das soll weitere Vorteile bringen.

Die Herausforderungen gehen nicht aus

Mit Euro 6 ist indes nicht das Ende der Herausforderungen gekommen - im Gegenteil. Die Ansprüche an die Lebensdauer von Motoren werden weiter steigen. Bislang sprach man gerne von einer Million Kilometer, derzeit sind sie laut Draper sogar auf eine Haltbarkeit von 1,6 Millionen Kilometer ausgelegt - je nach Einsatzart und -land. Hinzu kommt, dass die immer öfter verbauten Start-Stopp-An-lagen das Aggregat stärker belasten.

Zudem stellt der Einsatz von Biokraftstoffen und von Diesel mit größerem Bioanteil immer höhere Anforderungen an die Einspritzsysteme. Draper lehnt daher die erste Generation der Biokraftstoffe ab und setzt vielmehr auf die zweite Generation wie den synthetischen Diesel BTL (Biomass-to-Liquid). Ohnehin müssen die Motoren durch die weltweiten Absatzmärkte auch mit qualitativ schlechterem Kraftstoff auskommen. Die Herausforderungen an diesem Technik-historisch bedeutenden Ort in Park Royal gehen den Entwicklern also noch lange nicht aus.

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