Continental Rund und schwarz - Reifen im Wandel der Zeit

Continental Pressure Check Foto: Continental 7 Bilder

Keine bequeme Fahrt mit dem Auto, kein volles Regal im Supermarkt, wäre heute denkbar ohne die Idee, die 1845 mit der Erfindung des Engländers Thomson begann: Dem Luftreifen - in Gummi verpackte Luft.

Nicht immer waren sie schwarz und rund. Am Anfang sahen sie eher grau und hässlich aus. Und rund waren sie nicht immer so schön wie heute. Reifen, so wie wir sie für PKW und LKW heute kennen, haben in über 110 Jahren eine rasante Entwicklung durchlebt. Es ist die Geschichte eines unbändigen Erfolges, vorangetrieben von Enthusiasten aller Couleur in Forschung, Entwicklung und Produktion. Und das Ende ist noch nicht absehbar.

Der Anfang

Zwar hatten schon die Sumerer in Mesopotamien Räder zum Transport im Einsatz und auch die griechische Mythologie weiß die Legende von Erichthonios, Sohn des Hephaistos und der Gaia (=Erde), als Erfinder des vierrädrigen Wagens zu berichten, der von Zeus für diese Leistung als Fuhrmann unter die Sterne versetzt wurde. Doch von der Mythologie bis zum heutigen Hochleistungsreifen für PKW und LKW war es ein schwieriger Weg, manchmal auch mit Irrtümern versehen. Zwar geriet Thomson’s Erfindung von 1845 schnell wieder in Vergessenheit, aber schon 43 Jahre später, 1888, erfindet der Englische Arzt John Boyd Dunlop den Luftreifen ein zweites Mal.

Hilfreich war hierbei die parallel stattfindende rasante Entwicklung der Chemie. Kautschuk ist als wertvoller Rohstoff schon bekannt und die Schwefelvulkanisation, 1839 von Charles Goodyear (USA) nach jahrelangen Versuchen zur Praxisreife geführt und 1841 patentiert, trieb die Entwicklung von Gummi voran. Die 1817 mit der ersten Laufmaschine des Karlsruher Erfinders Karl Drais eingeleitete Entwicklung des Fahrrades war Ende des 19. Jahrhunderts in seinen wesentlichen Elementen praktisch abgeschlossen. Zur Vollendung fehlte nur noch der Luftreifen, der das bis dahin bekannte Vollgummirad ablösen sollte.
Und damit gab es keine Halten mehr: 1889 tüfteln die Brüder André und Edouard Michelin in Clermont-Ferrand (Frankreich) noch an einem demontierbaren Fahrradreifen, um dann 1894 ihrem ersten Autoluftreifen der Welt, einen Schlauchreifen, den Weg in die Welt zu ebnen. Im gleichen Jahr, 1894, berichtet die Zeitschrift „Der Radmarkt“ von einem „Antislipping-Pneumatik“ der Fa. Continental (Deutschland), einem Fahrradreifen mit Längsprofilierung. In einer Annonce wird dieses „geriefte“, epochemachende Modell als wirksames Mittel gegen das Schleudern bei nassem Wetter beschrieben. 1898 kommen die ersten luftbereiften Automobile im größeren Stil auf den Markt und schon ein Jahr später, 1899, durchbrach der Belgier Camille Jenatzy, genannt der „Rote Teufel“, mit einem selbstgebauten Elektroauto (!) die 100-km/h-Grenze. Die von ihm erreichten 105,88 km/h sollten als neuer Geschwindigkeitsrekord aber nur drei Jahre Bestand haben. 1904 wird die Rußeinmischung von der Fa. Pirelli (Italien) eingeführt, um dem Reifen eine größere Festigkeit zu verleihen und ihn langlebiger zu machen. Erreichten Autoreifen bis dahin eine Laufleistung von ungefähr nur 500 km (!), sofern sie nicht schon vorher durch eingefahrene Hufnägel massenhaft ihr Leben aushauchten, legten sich ab jetzt die „schwarz“ gewordenen Reifen in Puncto Performance so richtig ins Zeug.

Der erste Profilreifen - Ein Meilenstein

Im gleichen Jahr, 1904, bringt Continental den ersten profilierten Autoreifen auf den Markt, der die Geradeauslaufstabilität im Fahrbetrieb erheblich verbessert. Kurze Zeit später, 1905, bringt ebenfalls Continental Autoreifen mit Metallnieten als Gleitschutz auf den Markt, einem Vorläufer der Spikes. Sie sollen u.a. dafür sorgen, dass nicht jeder überfahrene Nagel, nicht jede Scherbe auf der Straße eine Reifenpanne nach sich zieht. Auch die Haftung verbessert sich. 1906 legt die abnehmbare Felge von Michelin den Grundstein für das erste in Großserie gefertigte Auto der Welt, das legendäre T-Modell von Henry Ford, das dann mit Goodyear Reifen ausgerüstet wird.

Wichtige Entwicklungen für die Produktion, die Verbesserung des „Gummis“ und der Reifeneigenschaften schließen sich nahtlos an. So wird seit 1910 der Wulstkern industriell in Großserie hergestellt, 1922 von Dunlop erstmals aus Stahl gefertigt und auf der Automobilausstellung vorgestellt; seit 1924 ist dieses Verfahren Standard. Das ermöglicht einen besseren Halt des Reifens auf der Felge und die Luftdrücke von 4,5 bar und mehr konnten so erheblich reduziert werden. 1914 erfolgte der industrielle Einsatz des heutigen Reifenkordes als Kettfaden und seit 1923 wird Baumwolle als tragende Struktur verwendet. Zusammen mit der Einführung des „Comfort“-Reifens von Michelin, der mit Luftdrücken von nur noch 2,5 bar gefahren wird, beginnt eine neue Ära.

Seit 1916 wird erstmals Synthesekautschuk verwendet. Bei der IG Farben wird 1923 die Synthesekautschukforschung wiederaufgenommen, Butadien wurde mit Natriumkatalysatoren zu einem Synthesekautschuk polymerisiert, der den Namen BUNA erhielt. Das war ein Meilenstein für Kautschukenthusiasten, ließ er doch den Preis von Naturkautschuk von 28 Mark/kg im Jahre 1910 kontinuierlich auf 8 Mark/kg im Jahre 1952, kurz nach Gestattung der Wiederaufnahme der Produktion durch die Britische Besatzungsverwaltung, fallen.

Schon im Jahre 1917 bringt Goodyear den ersten LKW-Luftreifen auf den Markt. Seine Entwicklung verläuft ebenso rasant wie die des PKW-Reifens. Bereits 1924 ist er dank neuer Materialien und moderner Technologien genauso komfortabel wie andere Reifen. Dazu ist folgende Anekdote bekannt: So gab es 1924 eine „Schweinekampagne“ in Paris, bei der die Pariser Bürger auf die Straße gingen und dagegen protestierten, dass Schweine auf LKW’s mit Luftreifen komfortabler transportiert wurden als sie selbst mit den vollgummibereiften Fahrzeugen der Pariser Busgesellschaft. Sie verlangten Gleichbehandlung! Diese Kampagne hatte übrigens André Michelin selbst organisiert und mit entsprechenden Plakaten und Postkarten bis hin zu einer Petition unterstützt. Der Hintergrund war klar: Moderne Technik stand gegen konservative Anschauungen.

Die folgenden Jahre sind mit vielen Verbesserungen im Detail verbunden: Konstruktive Grundelemente werden weiter entwickelt, Reifeneigenschaften permanent optimiert, neue Gummimischungen und Profilgestaltungen kommen zum Einsatz. Bis der nächste Quantensprung vollzogen wurde: 1948 der Radialreifen für PKW und ab 1953 Radialreifen für LKW. Waren bis dahin alle Reifen in Diagonalbauweise ausgeführt, führte Michelin’s Erfindung zu einer Revolution im Reifenbau.

Der Radialreifen revolutioniert den Reifenbau

Durch die Technologie der konsequenten Trennung der Funktionalität von Karkasse und Gürtel haben Radialreifen gegenüber der Diagonaltechnologie entscheidende Vorteile: mehr Federungskomfort, höhere Tragfähigkeit, geringeres Eigengewicht und dadurch weniger ungefederte Masse, geringere Erwärmung im Fahrbetrieb und damit längere Lebensdauer. Eine durch den Gürtel stabilisierte Lauffläche bringt mehr Gummi auf die Fahrbahn und verbessert weitere, wichtige Fahreigenschaften entscheidend: die Laufleistung steigt, Geradeauslauf- und Kurvenstabilität werden entschieden verbessert, Haftung und Traktion insbesondere auch bei LKW-Reifen steigen, der Rollwiderstand sinkt, der Reifen wird widerstandsfähiger gegen Durchschläge, eine im LKW-Bereich überaus interessante Option. Einfachere Montagen werden möglich.

Kurz zuvor gab es aber auch schon Jubel bei Continental in Hannover: 1943 wird das Patent für den schlauchlosen Reifen angemeldet. Heute eine Selbstverständlichkeit, damals eine kleine Revolution. Und jetzt kann es richtig weiter gehen: PKW-Reifen vermitteln in zunehmendem Maße Fahrspaß und Sicherheit, werden immer „schneller“ und breiter. Durch neue Mischungstechnologien und Profilgestaltungen werden sie bald in Sommer-, Winter- und Ganzjahresreifen unterschieden. Hier hat auch bald jeder Reifenhersteller seine eigene Philosophie.

Moderne PKW- und LKW-Reifen

Jeder Reifen für seinen bestimmten Zweck: Winterreifen für Traktion auf Schnee und Eis und gute Haftung auf meist nasser Straße, Sommerreifen für den Einsatz unter höheren Temperaturen, mit hervorragender Haftung auch bei höheren Geschwindigkeiten als sie im Winterbetrieb allgemein gefahren werden. Ganzjahresreifen sollen den Einsatz unter allen Wetterbedingungen, Sommers wie Winters, gewährleisten. Das können sie in zunehmendem Maße auch immer besser - aber die Spezialisten für Sommer und Winter ersetzen, das können sie bisher noch nicht. Aber auch hier ist die Entwicklung noch lange nicht am Ende. Die Dimensionsvielfalt nimmt immer weiter zu.

Für die Entwicklung gilt ebenfalls: PKW-Reifen werden im Außendurchmesser immer größer, LKW-Reifen dagegen immer kleiner. Der Grund bei PKW-Reifen ist u.a. darin zu finden, dass die Fahrzeuge immer stärker motorisiert sind und dafür die Bremsanlagen der Fahrzeuge mit entsprechend großen Bremsscheiben ausgelegt werden müssen.

LKW-Reifen sind, gegenüber PKW-Reifen, für den Transport von Lasten unter allen Straßenbedingungen bestimmt. Das heißt, sie müssen zunächst einmal die zunehmenden Aufgaben im Transportwesen bewältigen können: Hohe Lasten bei relativ hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten. Und das immer mehr bei kleiner werdenden Außendurchmessern.

Herausforderungen für LKW-Reifen

Warum? Nutzfahrzeuge sind durch gesetzliche Vorgaben in ihren Abmessungen nach Breite, Länge und Höhe begrenzt. Transporteure und Speditionen verlangen jedoch für die Umsetzung ihrer Konzepte von den Fahrzeugherstellern mehr Ladevolumen. Das geht bei den begrenzten Außenmaßen nur, wenn der Fahrzeugboden abgesenkt wird, in deren Folge die Außendurchmesser der Reifen also auch kleiner werden müssen. Gleichzeitig wird ein möglichst großer Felgendurchmesser als Bauraum für die Bremsanlage benötigt. Und so ist die Entwicklung bei LKW-Reifen auch schon bei der 45-er Serie angelangt, also einem Höhen-Breitenverhältnis von 45 Prozent, wie beim PKW-Reifen.

Neue Einsatzkonzepte

Betrachtet man die Bedingungen, unter denen heute LKW-Reifen zum Einsatz kommen, sind zwei wesentliche Faktoren entscheidend. Es sind einmal die in der Bodenaufstandsfläche wirkenden Längs- und Querkräfte, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Verschleißverhalten und damit auf die Laufleistung haben. Dabei reicht das Einsatzspektrum von Fahrten mit konstanter Geschwindigkeit auf Autobahnen, über kurvenreiche Strecken auf Landstraßen bis hin zu permanentem Lastwechsel bei Serpentinenfahrten im Gebirge bzw. des Stop-And-Go-Verkehrs im Stadtbetrieb.

Als zweiter, wesentlicher Faktor sind der Zustand der Fahrbahn, die Oberflächenrauigkeit des Belages, die Aggressivität der Fahrbahn im Gelände zu sehen. Es ist ein Unterschied, ob ein Reifen auf glattem Asphalt rollt oder das Laufflächengummi einer starken Beanspruchung durch erhöhte Fahrbahnrauigkeit ausgesetzt ist.

Dabei kann sich die Fahrbahn in einem gut ausgebauten Zustand befinden, z.B. glatter Asphalt auf der Autobahn, oder, wie im Baustelleneinsatz, eine sehr abrasive (verschleißintensive) Oberfläche aufweisen. Beides hat unmittelbare Auswirkungen auf den Reifenverschleiß, auf die Laufleistung des Reifens. Dafür haben Reifenhersteller in den letzten Jahren sich einander ähnelnde Konzepte entwickelt, die es den Transporteuren und Spediteuren erleichtern, sich an Hand einer Kodifizierung in der Reifenbezeichnung in der zunehmenden Vielfalt der Angebote besser orientieren zu können, den für sie optimalen Reifen zu finden.

Aber auch andere Reifeneigenschaften, wie Nachschneidbarkeit und Runderneuerungsfähigkeit spielen zunehmend eine Rolle, sind sie doch insbesondere unter Kostenaspekten im Transportgewerbe ein nicht wegzudenkender Faktor. So kann durch das Nachschneiden von LKW-Reifen deren Laufleistung um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden. Und bei einem abgefahrenen Reifen sind immerhin noch ca. 70 Prozent aller jemals zu seiner Produktion notwendigen Materialen und Energien erhalten, stecken in der sogenannten „Karkasse“, dem Rohstoff eines jeden Runderneuerers. Neben notwendigen kleineren Reparaturen wird lediglich eine neue Lauffläche in unterschiedlichen Verfahren auf den Reifen wieder aufgebracht. Und nun sollte er nochmal die gleiche Laufleistung haben wie vorher. Jetzt allerdings zum „halben“ Preis.

Mit einer Runderneuerungsquote bei LKW-Reifen von unter 40 Prozent liegt Deutschland im europäischen Durchschnitt zwar unterhalb der Mittellinie von ungefähr 50 Prozent, hat also bei Fragen der Ressourcenschonung und -nutzung durchaus noch Luft nach oben. Andererseits ist Deutschland jedoch auch maßgeblich am „Re-Tyre-Project“ der EU beteiligt, bei dem es vor allem um die Möglichkeiten der Prüfung von runderneuerten Reifen nach den gleichen Kriterien wie für Neureifen geht. Ziel ist es, keinen Unterschied mehr zu machen zwischen Neureifen und Runderneuerten bei den Kriterien, die die EU für die sogenannten Labelwerte Rollwiderstand, Nasshaftung und Abrollgeräusch vorschreibt.

Auch hier wird deutlich, dass die Entwicklung neuer Reifen heute schon nicht mehr die Domäne einzelner Hersteller ist, sondern sich u.a. eng an den Regelungen, Vorschriften und technischen Vorgaben innerhalb der Europäischen Union ausrichtet.

Und wenn wir auch seit Jahrzehnten von Winterreifen reden und uns jedes Jahr die unterschiedlichen Tests dazu ansehen: Die eigentlichen Prüfkriterien dafür, was sowohl ein PKW- als auch ein LKW-Reifen auf Schnee und Eis wirklich leisten können muss, kommen jetzt erst zum Einsatz und werden noch so manche Neuheit zum Vorschein bringen, die sich heute noch gar nicht absehen lässt.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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