Batterie oder Brennstoffzelle Kampf um den Energieträger der Zukunft

Götz von Esebeck, Leiter Alternative Antriebe MAN trcuk and Bus Foto: MAN Truck and Bus 5 Bilder

Ob Batterie oder Brennstoffzelle als Energieträger bei den Stadtbusantrieben der Zukunft das Rennen machen werden, ist mitnichten schon ausgemachte Sache. Und auch ein wenig bekanntes, aber seriennahes Konzept könnte durchaus eine Renaissance erleben.

Das Wasser ist die Kohle der Zukunft." Mit diesem Satz fasst Jules Vernes 1870 im Buch "Die geheimnisvolle Insel" den Traum der Menschheit von unendlicher und dazu noch umweltfreundlicher Energie zusammen. Bei einem schönen Traum ist es leider bisher geblieben, auch wenn moderne Visionäre wie der US-Autor Jeremy Rifkin in schöner Regelmäßigkeit die kommende "Wasserstoff-Revolution" herbeischreiben. Die Industrie wiederum erzeugt alle fünf bis zehn Jahre einen neuen, werbewirksamen Hype ums Thema.

An vorderster Front hat sich der Stuttgarter Daimler-Konzern immer wieder mit Pilotprojekten und Serienreife-Ankündigungen hervorgetan. Alleine in Stuttgart laufen derzeit vier Hybrid-Brennstoffzellen Citaros der dritten Generation (siehe lastauto omnibus 6/2014). Zwar kündigte der Brennstoffzellen-Pionier für 2019 eine modulare Elektromobilitätsplattform an, die auch eine Brennstoffzellenversion umfassen soll. Aktuelle Äußerungen auf der IAA lassen jedoch beim Branchenprimus eine deutliche Akzentverschiebung zugunsten der billiger werdenden Batterietechnik erkennen. Doch das Rennen um den besten emissionsfreien Antrieb der Zukunft ist noch keineswegs gelaufen, auch wenn derzeit die Zeichen in Richtung Batteriebus zeigen.

"Die Brennstoffzelle ist seit 1995 im Kommen"

Professor Ralph Pütz, ehemaliger Technik- Beauftragter des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), heute an der FH Landshut und mit einem unabhängigen Institut tätig, weist zudem auf eine vergessene Alternative hin: "Die Brennstoffzelle ist seit 1995 im Kommen. Also hat sich in mehr als 20 Jahren kein Durchbruch ergeben. Nichtsdestotrotz hat die Automobilindustrie das Thema wieder intensiviert. Man müsste aber hinterfragen, warum man nicht einen Otto-Motor mit Wasserstoff betreibt, der ebenfalls nahezu emissionsfrei wäre. Die technischen Unterschiede zum Erdgasmotor sind beim Wasserstoffmotor marginal.

Man könnte also auf den gleichen Fertigungslinien produzieren – und das zu marktfähigen Kosten." Provokativ setzt der ÖPNV-Forscher nach: "Sind andere Konzepte als Brennstoffzelle und Batteriebus nicht sexy genug – nicht Hype-verdächtig?"Dabei war das Thema in den 2000er-Jahren durchaus im Gespräch, wenn auch nicht als Hype, sondern eher als Randnotiz in der Historie alternativer Antriebe. BMW setzte den Wasserstoff-Verbrennungsmotor im Hydrogen7 in Verbindung mit gekühltem Flüssigwasserstoff ein, MAN rüstete seine adaptierten Erdgasmotoren zuerst im Magermix-Konzept, später dann auch versuchsweise als Turboversionen mit 350 bar-H2-Druckspeicher aus.

Wasserstoff fasziniert viele Motoren-Techniker

Im europäischen HyFleet: CUTE-Projekt gingen pünktlich zur "Sommermärchen-Weltmeisterschaft" 2006 vier Stadtbusse mit H2-Saugmotor bei der Berliner BVG an den Start, die erst 2015 nach insgesamt 900.000 Kilometern weitgehend problemlosen Betriebs ausgemustert wurden. Im Abschlussbericht der zweiten, unter der Clean Energy Partnership (CEP) laufenden Projekt-Phase 2010–2015 heißt es dazu: "Dem Projekt ist es überzeugend gelungen, den Nachweis einer hohen, dem Diesel-Antriebsstrang vergleichbaren Langzeitstandfestigkeit der Wasserstofftechnologie mit Verbrennungsmotor zu erbringen." Dagegen das überraschend negative Fazit des Einsatzes von BVG-Sprecherin Petra Reetz: "Die Energiebilanz stellte sich nicht positiv dar. Die eingesetzte Technik im Turbomotor-Bereich war zudem noch nicht ausgereift. Im Saugmotorbereich liefen die Fahrzeuge stabiler, erreichten jedoch nicht die notwendige Leistung und Reichweite im Linieneinsatz."

Beinahe zeitgleich beendeten BMW und MAN ihre Aktivitäten, obwohl es handfestes Kaufinteresse an großen Stadtbus-Stückzahlen gab. Doch das Thema hat viele Motoren-Techniker fasziniert und seither nicht mehr losgelassen. Der Ingenieur Thomas Korn, 13 Jahre lang bei BMW in ICE- (Internal Combustion Engine) sowie Brennstoffzellen- (BZ) Projekten involviert, ist einer von ihnen. "Das H2-ICE-Projekt wurde 2008 vor die Wand gefahren und ist bis heute tot", erklärt der Endvierziger.

Wasserstoffspeicher ist batterieelektrischen Speicher um Jahrzehnte voraus

Das sei der konkrete Auslöser für ihn gewesen, zusammen mit seinem Ex-BMW-Kollegen und Keyou-Technik-Vorstand Alvaro Sousa sowie dem portugiesischen Umweltexperten Ivo Pimentel 2015 ein zwölfköpfiges Start-up-Unternehmen namens Keyou in München zu gründen. "Was uns Ingenieure bei Keyou schon seit langer Zeit antreibt, ist die Erkenntnis, dass der Kundenwert künftiger Fahrzeuge nicht von der Charakteristik des Antriebsaggregats abhängt, sondern von der Qualität des Energiespeichers. Hier ist der Wasserstoffspeicher dem batterieelektrischen Speicher aktuell um Jahrzehnte voraus. Das Entwicklungs- und Kostenreduktionspotenzial ist zudem noch um ein Vielfaches größer."

Das Denken eines Start-ups hat Korn in Österreich bei VP Technology & Innovation aufgesogen. Hier entwickelte er mit an einem H2-ICE-Motor für Aston Martin, der zum 100-jährigen Markenjubiläum angekündigt wurde, um "den Markenkern von leistungsstarken Hubkolbenmotoren weiterhin zu erhalten", erklärte Ulrich Bez 2013, seinerzeit Vorstand bei Aston Martin. Eine ähnliche Motivation treibt auch Bernd Nagel an, CEO der gleichnamigen Firmengruppe, die sich seit 1941 in Nürtingen zum Hidden Champion der Motorenbearbeitung mit rund 1.200 Mitarbeitern an sieben Standorten weltweit entwickelt hat.

Keyou macht den Verbrennungsmotor zukunftsfähig

Nagel hat einen einstelligen Millionenbetrag als Anschubfinanzierung in das Start-up investiert: "Wir beschäftigen uns in unserem originären Geschäft seit Jahrzehnten mit dem Hubkolbenmotor und würden es daher sehr bedauern, wenn eine so leistungsfähige und ausgereifte Technologie irgendwann ausgemustert werden würde. Die innovativen Ideen von Keyou machen den Verbrennungsmotor ‚grün‘ und damit zukunftsfähig." Und was hat Korn mit seiner Vision und seinem Team genau vor? Er will die Wasserstoffverbrennung zuerst im Busbereich mit Neufahrzeugen, aber auch mit kostengünstigen Nachrüstlösungen auf den Markt bringen. Der Aufpreis des H2-ICE-Neufahrzeuges von rund 35.000 Euro zum Diesel soll sich in fünf bis sechs Jahren amortisiert haben – ein ehrgeiziges Ziel.

Auch der Zeitplan ist anspruchsvoll: "Anfang 2017 wird ein Nutzfahrzeugmotor unseres deutschen Motoren-Partners mit Keyou-inside-Technologien mit Wasserstoff auf dem Motorprüfstand in Betrieb genommen. Ende 2017 soll dann ein erster Busprototyp präsentiert werden. Ein Jahr später planen wir mit einem europäischen Bushersteller ein Demonstrationsprojekt in Deutschland und ein vergleichbares in China." Es gebe bereits heute deutliches Kaufinteresse von mehreren deutschen Verkehrsunternehmen.

Keyou verfolgt zweigleisigen Entwicklungsansatz

Die wasserstoffspezifische Motorentechnik, die mit einem deutschen Industriemotoren-Spezialisten entwickelt wird, besteht im Wesentlichen aus speziellen Einspritzdüsen, einer Abgasrückführung, einer zweistufigen Turboaufladung sowie einem patentierten SCR-Katalysator, der den Wasserstoff als Reduktionsmittel benutzt.

"Keyou verfolgt einen zweigleisigen Entwicklungsansatz: Erstens die zügige Entwicklung eines aufgeladenen, magerbetriebenen Motors mit Saugrohreinblasung mittels ausgereifter Injektoren. Das technische Risiko dieses Ansatzes ist gering. Parallel entwickeln wir einen ebenfalls magerbetriebenen Turbomotor mit innerer Gemischbildung. Von diesem Motor erwarten wir eine höhere Leistungsdichte und einen höheren Wirkungsgrad", erklärt Franz-Werner Prümm, Entwicklungsleiter von Keyou mit rund 30 Jahren Erfahrung in der MAN-Motorenentwicklung in Nürnberg.

"Brennstoffzellen sind eine wunderbare Sache"

Der große Vorteil der Verbrennung gegenüber der Brennstoffzelle liegt darin, dass auch nicht hochreiner Wasserstoff, der in der chemischen Industrie als Nebenprodukt anfällt, verwendet werden kann. Zudem sei bei der Speicherung des Gases noch viel Potenzial vorhanden.

Will Thomas Korn mit Keyou den finalen Kampf gegen die Brennstoffzelle eröffnen? Ganz im Gegenteil: "Brennstoffzellen sind eine wunderbare Sache", nimmt er Kritikern den Wind aus den Segeln. "Keyou steht in erster Linie für nachhaltige Wasserstoffmobilität. Aus unserer Sicht würden Fahrzeuge mit Wasserstoffmotor die Entwicklungen und die Markteinführung von BZ-Fahrzeugen begünstigen." Womit das Rennen um die am besten geeignete grüne Antriebstechnologie wieder offen wäre.

Toyota startet Verkauf von Brennstoffzellenbussen

Der japanische Pkw- und Nutzfahrzeug-Hersteller Toyota startet 2017 mit dem Vertrieb von Brennstoffzellenbussen. Anfang 2017 sollen zwei Busse im regulären Linienbetrieb in Tokio eingesetzt werden, bis 2020 will man 100 Busse zur Olympiade im Umfeld der japanischen Hauptstadt laufen haben. Ein Auftrag, der auch für die für diesen Zeitpunkt avisierte, nächste Daimler-Brennstoffzellen-Generation sehr prestigeträchtig wäre. Internationale Nachfrage nach dem Konzept gebe es bisher bei Toyota dagegen noch nicht. Eine Entscheidung, ob die Fahrzeuge verkauft oder verleast werden, sei ebenso noch nicht gefallen. Grundlegend nutzt der FC Bus genannte Stadtbus die Technik des weltweit millionenfach eingesetzten Hybridantriebs, unterscheide sich aber von allen verbrennungsmotorischen Konzepten wesentlich in der Energieeffizienz des Antriebs. Zur Speicherung von wiedergewonnener Bremsenergie kommen deshalb auch schwerere Nickel-Metall-Hydrid-Batterien statt der leichten, aber teuren Lithium-Ionen Batterien zum Einsatz.

Der Wasserstoffspeicher mit 600 Liter Volumen bedient sich der moderneren 700-bar-Speichertechnik. Der 10,5 Meter lange und 2,49 Meter breite Niederflurbus bietet 26 Sitz- und 50 Stehplätze. Zwei Elektromotoren leisten jeweils 154 PS und 335 Newtonmeter maximales Drehmoment. Als Besonderheit kann das System bei stehendem Fahrzeug ebenso als Notstromaggregat mit einer Leistung von 9 kW verwendet werden. Seit 2013 kooperiert Toyota auch mit BMW bei der Brennstoffzellentechnologie.

Interview mit Dr. Götz von Esebeck

Dr. Götz von Esebeck spricht über die aktuelle MAN-Wasserstoff-Strategie. Das Gespräch führte Thorsten Wagner.

Wie bewerten Sie heute das Thema Wasserstoff in den beiden Ausprägungen Verbrennungs­maschine oder Brennstoffzelle?

Götz v. Esebeck: Wir haben in den vergangenen Jahren den Markt intensiv beobachtet, und die neuerlichen Aktivitäten der Pkw-Hersteller Toyota, Hyundai und weiterer Anbieter zur Brennstoffzelle lassen uns aufhorchen. Wir haben allerdings aufgrund unserer Marktbeobachtungen nicht den Eindruck, dass es derzeit größeres Interesse an der Wasserstoff-Verbrennung gibt. Wir würden daher für die Zukunft eher auf die Brennstoffzelle setzen. Alles andere wie eine Nachrüstung von Dieselmotoren halte ich derzeit für rein hypothetisch. Wir haben zu unserer weiteren Wasserstoff-Strategie aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Gerade mit unseren Partnern, wie der Hamburger Hochbahn, sind wir in fruchtbaren Diskussionen zum Thema, ob die Brennstoffzelle eine Alternative zur Batterie werden kann. Ich halte es grundsätzlich für unwahrscheinlich, dass es im Nutzfahrzeug jemals eine Technologie geben wird, die es im Pkw gar nicht gibt. Nur so kommen die entsprechenden Skaleneffekte zusammen, um solche Innovationen durchzusetzen. Gerade die Synergien, die wir im Volkswagenkonzern hierbei haben, sind ein echter Pluspunkt für die Entwicklung. Wir schauen uns das Thema sehr genau an, um dann zu entscheiden, was wir in Zukunft tun werden in Sachen Brennstoffzelle.

Sehen Sie hier auch sogenannte LOHC-Trägerflüssigkeiten als Alternative?

Götz v. Esebeck: Die Technologie ist durchaus interessant, zumal das Bundesverkehrsministerium hierzu zeitnah ein Projekt startet, das wir gerade prüfen. Bisher ist die Technik aber noch nicht voll in der Praxis einsatzbereit und noch sehr in der Laborentwicklung. An Bord muss der Wasserstoff wieder unter Energieeinsatz aus der Trägerflüssigkeit herausgelöst werden. Aber insgesamt könnte das Thema durchaus interessant werden.

Oder sind neue, sogenannte e-fuels die Lösung?

Götz v. Esebeck: Zum Thema e-fuels muss man sagen, dass der effizienteste Weg natürlich die direkte Nutzung der gewonnenen Energie ist. Inwieweit der Speicherbedarf von Energie und damit das Thema "Power to X" zur Anwendung kommen könnte, ist sehr stark vom Fortgang des Ausbaus der regenerativen Energien und den tatsächlich vorhandenen Energie-Überschüssen abhängig.

Wann wird man von einer weitgehenden Durchdringung der stadtnahen Bereiche mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen sprechen können?

Götz v. Esebeck: Unser Vertrieb schätzt, dass wir 2030 rund 60 Prozent der Stadtbusse mit einem rein elektrischen Antrieb verkaufen werden. Es wird sicher so etwas wie einen Wendepunkt oder "Tipping Point" geben, ab dem sich der Markt rasant entwickelt. Das wird dann sicherlich auch durch den Pkw-Bereich getrieben sein, für den es ja bereits klare Ankündigungen für eine schnellere Gangart gibt. Irgendwann ist es dem Bürger nicht mehr vermittelbar, dass ein Bus oder Lkw nicht elektrisch läuft, wenn es alle anderen Fahrzeuge tun.

Download Nebenprodukt Wasserstoff in Deutschland (PDF, 0,25 MByte) Kostenlos
Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 01 2017 Titel
lastauto omnibus 01 / 2017
19. Dezember 2016
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