Leichtbau-Alternativen zu Stahl Hybride Werkstoffe in der Fahrzeugindustrie

Leichtbaufedern von IFC Composite Foto: Thyssen Krupp 6 Bilder

In der Fahrzeugindustrie ist Stahl nach wie vor unverzichtbar, vor allem bei Komponenten mit hohen Festigkeitsanforderungen. Inzwischen lassen sich mit hybriden Werkstoffen und Sandwich-Konzepten aber erstaunliche Resultate im Leichtbau erzielen.

Gerade mal 6.950 Kilo bringt der Schubboden-Trailer vom Anhängerhersteller Knapen auf die Waage. "Da ist alles dabei, der Anhänger ist komplett ausgestattet", betont Thijs Kempen, Marketingleiter bei Knapen Trailer. Einen bereits gewichtsoptimierten Auflieger mit 7.450 Kilogramm haben die Holländer dank Voll-Alu-Bauweise, einer speziellen Rahmentechnik und gewichtsoptimierten Achsen noch einmal um eine halbe Tonne gedrückt. Nutzlastoptimierte Lkw transportieren mehr Fracht, verbrauchen weniger Diesel und entlasten so das Verkehrsnetz. MAN macht folgende Rechnung auf: Eine Nutzlaststeigerung von 150 Kilogramm im Tank- oder Silotransport bedeutet einen Mehrerlös von 1.500 Euro.

Die Suche nach hochfesten Alternativen läuft auf vollen Touren

Einen Lkw-Leichtbaurahmen aus Stahl präsentierte der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna International auf der vergangenen IAA-Nutzfahrzeuge. Entwickelt und optimiert wurde das Bauteil von Magna Powertrain. Es soll rund 30 Prozent weniger Gewicht ins Fahrzeug bringen. Wie sich Funktionsintegration und Werkstoffleichtbau ergänzen, zeigt ZF Friedrichshafen mit einem Vierpuntlenker für das Fahrwerk. Er dient als Aufhängungssystem an der hinteren Doppelachse von Zugmaschinen und vereint neben der Längs- und Querführung der Achse auch die Stabilisierung. Das Bauteil ersetzt den Stabilisator sowie weitere Anbindungskomponenten und spart somit Gewicht. Eine Konzeptstudie zeigt nun den Ersatz der aus Hohluss bestehenden Ausführung durch einen Vierpunktlenker aus Faserverbundstoff (GFK). Macht noch einmal eine Gewichtsreduktion um 25 Prozent.

Wie sich mit GFK-Blattfedern Nutzlast gewinnen lässt, demonstriert IFC Composites in Haldersleben. In Transportern wie Mercedes Sprinter, VW Crafter oder Fiat Ducato wiegen GFK-Querblattfedern vorne 5,6 Kilo gegenüber 26 Kilo bei Stahlfedern. Noch interessanter scheint die Sache bei Lkw-Blattfedern zu sein. Insgesamt sind laut IFC Composites an einem Vierachs-Kipper Gewichtseinsparungen bis zu 400 Kilo möglich, an einer Fernverkehrs-Zugmaschine seien es immerhin noch 100 Kilo. Theoretisch ließen sich weitere Strukturbauteile am Lkw ersetzen. Wegen der Anforderungen an die Festigkeit müsste es dann aber häufig CFK statt GFK sein, also Carbon-faserverstärkter Kunststoff. Für die Massenproduktion zu teuer, sagen viele Hersteller und Zulieferer. 

Und dennoch läuft die Suche nach hochfesten Alternativen längst auf vollen Touren, wenn auch im schweren Lkw Vollmetallteile mittelfristig nicht wegzudenken sind. Häufig eingeschlagener Weg: hybride Werkstoffe. Die Vielfalt inzwischen verfügbarer Verbindungen ist enorm. Eine Alternative zu Kohlefaser-verstärkten Composites sind unter anderem Metallrohre zusammen mit komplex geformten Thermoplast-Strukturen oder Metallteile mit faserverstärkten Duroplasten. Die möglichen Spielarten sind so facettenreich wie nie zuvor. Und ständig kommen neue Verbindungen hinzu. "Immer mehr Innovationen basieren auf der synergetischen Kombination unterschiedlicher Werkstoffe", sagt Prof. Dr.-Ing. Lothar Kroll, der das Institut Strukturleichtbau der Fakultät für Maschinenbau an der TU Chemnitz leitet.

Das Ziel im Massenmarkt ist wirtschaftlicher Leichtbau

Die Vision der dortigen Forschung: großserientaugliche Technologien so miteinander zu verschmelzen, dass sich separate Verarbeitung und aufwendige Fügetechnologien auf ein Minimum beschränken. Durchsetzen werden sich vor allem preiswerte Kombinationen, hier sind sich die Fachleute einig. Dies werde einen grundlegenden Wandel zur Folge haben. "Werkstoffe werden künftig so verknüpft, dass sie ein Produkt mit besten Gesamteigenschaften hervorbringen", ist sich Prof. Dr. Jürgen Fleischer, Leiter Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie, sicher. Er geht von einem "Cocktail" aus Verbundwerkstoffen wie Stahl, Alu, Kunststoff und technischen Textilien samt entsprechender Verbindungstechnik aus. 

Dabei bieten sich auch einheitliche Werkstoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften an. Beispiel Tribond von Thyssen Krupp Steel: In dem dreilagigen Stahl-Verbundwerkstoff sind hochfeste mit ausgeprägt duktilen, also leicht verformbaren Stählen, kombiniert. Auf diese Art soll sich in crashrelevanten Bauteilen hohe Energieaufnahme mit großen Biegewinkeln vereinen. Auf dem Verbund Stahl-Kunststoff-Stahl basiert der Werkstoff Litecore, ebenfalls von Thyssen Krupp, ein Sandwich aus dünnen Stahlblechen und einem Kern aus ultraleichtem Kunststoff. Er soll sich besonders für flächige Teile eignen und Stahl sowie Alu ersetzen. Litecore sei zwar zehn Prozent schwerer als Alu, dafür aber 30 Prozent günstiger, sagt Ralf Sünkel von Thyssen Krupp Steel: "Im Massenmarkt ist wirtschaftlicher Leichtbau das Ziel und nicht Gewichtsreduzierung zu jedem Preis", sagt Sünkel.Große Festigkeit und Reduzierung der Blechdicke bei gleichzeitig hoher Dehnung verfolgt ein Konzept von Salzgitter. 

Dualphasen-Stahl soll es richten

Richten soll es eine Kombination aus Eisen, Mangan, Aluminium, Silizium und Stahl. Der neue Dualphasen-Stahl soll insbesondere bei komplexen Umformprozessen mit hohen Streckgrenzen und Crash-Anforderungen, wie sie für Dachrahmen notwendig sind, mikrolegierten Stahl ersetzen. In Frage kommt der Werkstoff laut Salzgitter auch für Motor- oder Fahrwerksteile. Potenzial einer angepassten gegenüber einer Vollmaterial-Bauteilauslegung: bei Getriebewellen zwischen 20 und 50 Prozent, bei Stabilisatoren etwa 40 Prozent Gewichtsreduktion.

Bei der Rohrkörper-Herstellung versucht Salzgitter gleichzeitig, Leichtbau mit Hilfe neuer Prozesse umzusetzen. Unter anderem mit dem TDT-Verfahren (Trailor Drawn Tubes). Es handelt sich dabei um einen Ziehprozess, der eine flexible Anpassung der Wanddicke von Rohrkörpern an die Belastung erlaubt, mit gleichbleibend homogenen, mechanischen Eigenschaften über die Bauteillänge. Mögliche Gewichtsreduktion je nach Ausgangskonstruktion laut Salzgitter: rund 20 Prozent.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 05 2016 Titel
lastauto omnibus 05 / 2016
11. April 2016
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